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Mine Pleasure Bouvar hielt vor dem Reichstagsgebäude eine Rede anlässlich der Abstimmung zum "Selbstbestimmungsgesetz" (Foto: Sebastian Moske)

Weniger Fremdbestimmung

Das TSG ist Geschichte, aber deshalb ist längst nicht alles gut, die Polizeiliche Kriminalstatistik befeuert Rassismus und der Attentäter von Sydney hatte hauptsächlich Frauen im Visier. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW15

Montag, 8. April

In Deutschland ist es verboten, eine Schwangerschaft abzubrechen. Abtreibungen sind nur unter bestimmten Bedingungen straffrei, nämlich wenn die Schwangerschaft innerhalb der ersten 12 Wochen nach einer verpflichtenden Beratung beendet wird. Das ist eine Entmündigung von ungewollt Schwangeren, die das Recht haben müssen, über ihren Körper selbst zu entscheiden, findet euch eine unabhängige Kommission von Expert*innen, die im Auftrag der Bundesregierung einen Bericht darüber verfasst haben. Die Tagesschau zitierte am Montag aus dem noch unveröffentlichten Dokument. Demnach empfiehlt die Kommission, Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen grundsätzlich zu legalisieren: „Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase der Schwangerschaft ist nicht haltbar“, heißt es. Aus Sicht der Expert*innen könnte die Legalisierung sogar bis zur eigenständigen Lebensfähigkeit des Fötus ausgeweitet werden, also ungefähr bis zur 22. Woche. Während sich 336 EU-Abgeordnete dafür aussprachen, das Recht auf Abtreibung in die EU-Charta der Grundrechte aufzunehmen, kündigte die Union an, gegen eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen juristisch vorzugehen. Sollte sich die Koalition dem Vorschlag der Expert*innen-Kommission folgen, „würde das zwangsläufig dazu führen“, dass man vor dem Bundesverfassungsgericht klagen werde, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten, Thorsten Frei, laut Tagesschau. Gleichzeitig ist die Versorgungslage ungewollt Schwangerer katastrophal. Wissenschaftler*innen von sechs Universitäten veröffentlichten diese Woche Zahlen aus einer umfassenden Erhebung zu „Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer“ (ELSA). Dafür wurden über 5.000 Frauen befragt, fast 60 % gaben an, Informationen zum Schwangerschaftsabbruch nur unter Schwierigkeiten erhalten zu haben und mehr als 25 % erhielten einen Abtreibungstermin erst nachdem sie mehrere Einrichtungen kontaktiert hatten. Besonders schlecht ist die Versorgungslage in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Dazu kommt die gesellschaftliche Verurteilung: „Wir haben festgestellt, dass der größte negative Einflussfaktor auf das psychische Wohlbefinden die Stigmatisierung ist“, sagt die Leiterin der ELSA-Studie, Daphne Hahn von der Hochschule Fulda.

Dienstag, 9. April

Jedes Jahr das Gleiche: Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) wird veröffentlicht und scheucht die Rechten aus ihren Löchern. Dieses Jahr sind die Zahlen ein besonders willkommenes Fressen. 2023 hat die Polizei in Deutschland die höchste Zahl an Straftaten seit 2016 registriert:  Rund 5,94 Millionen Straftaten wurden statistisch erfasst, 5,5 % mehr als im Vorjahr. Auch der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger ist stark gestiegen und bietet eine Steilvorlage für Abschiebungs-Ultras, wie Nancy Faeser, die ankündigte: „Das bedeutet bei ausländischen Tätern, neben den strafrechtlichen Konsequenzen, auch, dass sie Deutschland deutlich schneller verlassen müssen als es bislang der Fall war. Wer sich nicht an die Regeln hält muss gehen“. Doch was nützt die PKS eigentlich, außer dass sie Zündstoff für rassistische Law-und-Order-Fantasien liefert? „Die PKS ist aus mehrerlei Gründen eine problematische Datengrundlage“, erklärt der Kriminologe Martin Thüne im Interview mit der Frankfurter Rundschau. Die PKS erfasst alle von der Polizei bearbeiteten Straftaten, unabhängig davon, ob es tatsächlich verübte oder versuchte Straftaten waren. Außerdem werden gar nicht alle Straftaten erfasst, Staatsschutzdelikte („politisch motivierte Kriminalität“), Verkehrsdelikte oder Straftaten, die nicht zum Aufgabenbereich der Polizei gehören, wie z.B. Finanz- und Steuerdelikte, werden in der PKS nicht aufgeführt. Straftaten, die ausschließlich von Nichtdeutschen begangen werden können, zählen hingegen mit hinein, z.B. Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht oder das Asylverfahrensgesetz sowie „unerlaubte Einreisen“. Die PKS bedient systematisch das rassistische Vorurteil des „kriminellen Ausländers“, in der aktuellen Auswertung liegt der Anteil von Tatverdächtigen mit ausländischem Pass bei mehr als 40 %. Die Statistik sei „an dieser Stelle systematisch verzerrt“, erklärt Martin Thüne, denn der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger werde ins Verhältnis zum „Ausländeranteil“ der Bevölkerung gesetzt und dabei nicht berücksichtigt, dass viele Tatverdächtige gar nicht in Deutschland leben: „Das sind reisende Tätergruppen, das sind Touristen, das sind Stationierungskräfte, das sind Pendler. Deswegen wird der Anteil an den Tätern immer größer sein als der Anteil an der Wohnbevölkerung“, sagt Thüne. Dazu kommt eine weitere Verzerrung, die sich aus der polizeilichen Praxis der (anlasslosen) Kontrollen ergibt. Racial Profiling, also das gezielte Kontrollieren von Personen, die als nicht weiß wahrgenommen werden sowie das „Lüchow-Dannenberg-Syndrom“ tragen dazu bei, dass Straftaten insbesondere da festgestellt werden, wo die Polizei besonders präsent ist. „Eine hohe Polizeipräsenz führt in aller Regel auch zu mehr aufgedeckten und angezeigten Straftaten. Dies gibt aber keine Auskunft darüber, ob die tatsächliche Zahl der Straftaten gestiegen ist – oder lediglich diejenigen, die der Polizei bekannt geworden sind“, erklärt es die Tagesschau. So war es auch in den 1980er Jahren im niedersächsischen Lüchow-Dannenberg, wo die Anzahl der Polizist*innen wegen der regelmäßigen Proteste gegen die Atommülltransporte massiv aufgestockt wurde. Das zusätzliche Polizeipersonal hatte, wenn gerade keine Demos waren, viel Zeit für alltägliche Polizeiarbeit. Dadurch stieg die Zahl der Tatverdächtigen im Landkreis extrem an – im krassen Kontrast zu benachbarten Ortschaften, wo erheblich weniger Polizeikräfte tätig waren. „Die Kriminalität hatte sich nicht erhöht, aber die Anzahl der Kontrollen schon. Damit ist das Dunkelfeld in der Region viel kleiner geworden“, fasst es die Tagesschau zusammen. Heute könnten wir das Lüchow-Danneberg-Syndrom mit großer Wahrscheinlichkeit in Görlitzer-Park- oder Frankfurter-Hauptbahnhof-Syndrom umbenennen.

Mittwoch, 10. April

Apropos rassistische Polizeipraxis: In Hamburg kam es am Mittwoch zu einem Überfall auf ein Fest zum Ende des Ramadans. Wie die Initiative „Copwatch Hamburg“ berichtet, wollten Nachbar*innen und Freund*innen im und vor dem „Buttclub“ in der Hafenstraße gemeinsam mit einem Grillfest das Ende der Fastenzeit feiern. Doch schon während der Vorbereitungen gegen 14 Uhr sei eine Gruppe von Zivilpolizist*innen in den Garten des Lokals gestürmt und hätten sich auf einen Schwarzen Mann gestürzt, der gerade dabei war, einen Salat zuzubereiten. „Anstatt sich als Polizist*innen zu erkennen zu geben, bedrohte einer von ihnen die anderen Gäste mit einem Pfefferspray und schubste die Feiernden in Richtung des Gehweges“, sagt Copwatch Hamburg. Der Gast sei zu einem Polizeiauto gezerrt worden und gleichzeitig seien uniformierte Polizist*innen dazugekommen, die „ohne Vorwarnung“ die Tür des Buttclubs aufbrachen und in den Innenraum stürmten. „Die mittlerweile rund zwanzig anwesenden Polizist*innen mit Hund begannen ohne Erklärung mit einer Razzia und verwüsteten die Räume“, so Copwatch. Nach drei Stunden seien die Polizist*innen wieder abgezogen. „Die Durchsuchung brachte nichts zu Tage außer etwas Plastikmüll und dem Portmonee eines Gastes, welches als vermeintliche Fundsache trotz Widerspruch und Klarstellung der Besitzverhältnisse, konfisziert wurde“, sagt Copwatch. In dem Geldbeutel habe sich das gesammelte Geld für den Einkauf für die Feierlichkeiten befunden.  Seitens der Polizei gibt es keine Stellungnahme zu dem Einsatz, ich konnte auch keine weiteren Medienberichte finden. Letztes Jahr im September berichtete die taz über regelmäßige „Konflikte zwischen Anwohnenden und der Polizei“, seit der Senat den Stadtteil Sankt Pauli 2016 zum „gefährlichen Ort“ erklärte. Die Polizei ist seitdem berechtigt verdachtsunabhängig Passant*innen zu kontrollieren, um „den Drogenhandel einzudämmen“. Copwatch Hamburg erklärt: „Der polizeiliche Angriff auf das Eid sowie der bewaffnete Einbruch in den Buttclub reihen sich ein in die seit Jahren anhaltende rassistische Belagerung des Stadtteils sowie die permanente Schikanierung von Anwohner*innen und Gästen St. Paulis. Die Normalisierung rassistischer Hetze sowie die Zunahme antimuslimischen Rassismus‘ ermutigt die Hamburger Polizei offenbar zu immer aggressiveren und hemmungsloseren Übergriffen auf Personen, selbstorganisierte Räume und mittlerweile auch religiöse Feierlichkeiten.“

Nochmal Mittwoch

Das EU-Parlament stimmte am Mittwoch mit großer Mehrheit faktisch für die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL, kritisierte die als „GEAS“ bezeichnete Reform bereits im Dezember: „Dieser von den europäischen Gesetzgebern beschlossene Abbau von Menschenrechten im Flüchtlingsschutz versperrt für viele den Zugang zu Schutz und errichtet ein System der Haftlager für Menschen, die fliehen und nichts verbrochen haben – selbst für Kinder und ihre Familien. Durch die Ausweitung des Konzepts der ‚sicheren Drittstaaten´ befürchten wir neue menschenrechtswidrige Deals mit autokratischen Regierungen, durch die EU-Länder sich vom Flüchtlingsschutz freikaufen wollen.“ Amnesty International nannte das Abkommen „beschämend“, die Seebrücke stellt einen „historischen Abbau der Menschenrechte“ fest und Ärzte Ohne Grenzen befürchten die „Normalisierung der Gewalt, die mit der Asylreform droht“. Bundeskanzler Olaf Scholz hingegen nannte diese Absage an humanitäre Grundwerte einen „historischen, unverzichtbaren Schritt“, der „für die Solidarität unter den europäischen Staaten“ stehe. Ein zynischer Euphemismus für „Solidarität nur für Weiße“. Annalena „feministische Außenpolitik“ Baerbock freut sich über die neugewonnene „Handlungsfähigkeit„, „Regeln“ und „Ordnung. Typisch grüne Menschenrechte-Missachtung mit „Bauchschmerzen“. Sea-Watch kommentierte die Abstimmung mit den Worten: „Applaus, Europa, auf #GEAS, das Faschismus umarmt, mehr Menschen im Mittelmeer zum Tod verurteilt, das Gewalt an den Grenzen normalisiert und Rechte von Fliehenden abschafft!“

Donnerstag, 11. April

Die Meldung von O.J. Simpsons Tod kam sogar per Tagesschau Push-Benachrichtigung. Der 76-jährige Ex-Footballstar sei an einer Krebserkrankung verstorben heißt es. Und während die Medien in der Berichterstattung über den Tod des „charismatische[n] Simpson“ (Stern) den „aufsehenerregenden Mordprozess“ zwar erwähnen, ist über die Opfer, Simpsons Ex-Frau Nicole Brown und deren Freund, Ron Goldman, nicht viel mehr als deren Namen zu lesen. Deshalb möchte ich euch kurz erzählen, was in den Nachrufen nicht steht. Ich beziehe mich dafür im Wesentlichen auf einen englischsprachigen Wikipedia-Eintrag. Nicole Brown, die in Frankfurt am Main geboren wurde, war 18 Jahre alt und Kellnerin, als sie den 12 Jahre älteren O.J. Simpson kennenlernte, den sie 1985 heiratete. In den sieben Jahren Ehe misshandelte O.J. Simpson seine Frau verbal, emotional und körperlich und hörte auch nach der Scheidung nicht auf damit. Es sind 62 Vorfälle von missbräuchlichem Verhalten von Simpson gegenüber Brown aktenkundig. Am 31. Dezember 1989 rief Nicole Brown die Polizei, sie sagte, Simpson wolle sie umbringen. Die Einsatzkräfte fanden sie „halbnackt“ im Gebüsch vor ihrem Haus versteckt, Simpson habe sie „geschlagen, geohrfeigt und getreten“. Nach der Scheidung im Jahr 1992 setzte sich die Gewalt fort. Sechs Wochen vor ihrem Tod lernte Nicole Brown den 25 Jahre alten Kellner Ron Goldman kennen. Die beiden sollen eine freundschaftliche Beziehung gehabt haben. Am Abend des 12. Juni 1994 waren sie zusammen unterwegs, als sie vor Browns Haus angegriffen und getötet wurden. Der Täter stach mehrfach auf beide ein. Brown hatte zahlreiche Stichwunden in Kopf und Hals, die letzte Wunde, die ihr zugefügt wurde, durchtrennte ihre Halsschlagader. Ihr Kopf war kaum noch mit ihrem Körper verbunden. O.J. Simpson galt sofort als tatverdächtig, es wurde Haftbefehl erlassen. Trotz als „erdrückend“ geltender Beweise wurde O.J. Simpson 1995 im Mordprozess freigesprochen. In einem späteren Zivilverfahren wurde er jedoch für den Tod von Nicole Brown und Ron Goldman verantwortlich gemacht und zu einer Entschädigungszahlung von 33,5 Millionen Dollar an die Angehörigen verurteilt. Nicole Brown wäre heute 64 Jahre alt, Ron Goldman 55 Jahre alt.

Freitag, 12. April

Das diskriminierende „Transsexuellengesetz“ (TSG) ist nach 40 Jahren Geschichte! Am Freitag stimmten 374 Bundestagsabgeordnete für die Einführung des sogenannten „Selbstbestimmungsgesetz“, das trans*, inter* und nicht-binären Personen zukünftig einen einfacheren Zugang zur Änderung des amtlichen Geschlechtseintrags und / oder Vornamens ermöglicht. Es braucht nun keine teuren und häufig demütigenden Gutachten mehr, es reicht die Selbstauskunft beim Standesamt. Zumindest bei erwachsenen Deutschen, die „geschäftsfähig“ sind. Die historische Chance, ein echtes Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg zu bringen, hat die Ampelkoalition vertan. Zu sehr hat sie sich von einer transfeindlichen öffentlichen Debatte leiten lassen und mit dem „Hausrechtsparagrafen“ das Schauermärchen von angeblich „bedrohten Frauen“ in den Gesetzestext geschrieben. Aktivist*in und Bildungsarbeiter*in Mine Pleasure Bouvar fasste es in einem Artikel für die „analyse & kritik“ wie folgt zusammen: „Der Gesetzentwurf übernimmt das Framing organisierter politischer Transfeindlichkeit, das trans Frauen und transweibliche Personen als Gefahr für die Gesellschaft dämonisiert, insbesondere Frauen und Mädchen. Mit fiktiven Schreckensszenarien von als Frauen verkleideten Sexualstraftätern in öffentlichen Toiletten, Umkleidekabinen und Frauengefängnissen, als Wehrdienstverweigerer oder als Betrüger mit unfairen Vorteilen im Sport werden trans Frauen unter Generalverdacht gestellt.“ Bei den Fachverbänden fällt die Kritik am Gesetz deutlich milder aus, aber dass sie nun wenigstens nach der Verabschiedung geäußert wird, macht Hoffnung. Viele Aktivist*innen für Transrechte hätten sich schon im Vorfeld der Abstimmung eine klarere Haltung ihrer Interessenvertretung gewünscht. Es wirkte fast so, als wollten BV Trans* oder dgti die Regierung bloß nicht verärgern, aus Angst davor, dass das TSG sonst gar nicht erst abgeschafft würde. Nach der Abstimmung erklärte Kalle Hümpfner, Leitung der gesellschaftspolitischen Arbeit beim Bundesverband Trans*: „Das Selbstbestimmungsgesetz, wie es heute verabschiedet wurde, ist das Produkt einer politischen Aushandlung. Es verwirklicht geschlechtliche Selbstbestimmung bei der Änderung des Geschlechtseintrags, bleibt in einzelnen Punkten jedoch hinter menschenrechtlichen Standards zurück. Vor allem mögliche Nachwirkungen der begleitenden gesellschaftlichen Debatte, in der wiederholt trans*feindliche Narrative befeuert wurden, stimmen uns besorgt.“ Die Freude über die Abschaffung des TSG ist riesig und insbesondere in einer Zeit, in der mit transfeindlichen Positionen rechte Mehrheiten gewonnen werden, ist das „Weniger-Fremdbestimmungsgesetz“ (Mine Pleasure Bouvar) ein wichtiger Schritt. 251 Bundestagsabgeordnete stimmten gegen das Gesetz, darunter die gesamte CDU/CSU-Fraktion, aber auch das „Bündnis Sarah Wagenknecht“. Dessen Anführerin hetzte kurz vor der Abstimmung im Parlament noch gegen die geschlechtliche Vielfalt und sprach in bester Verschwörungsmanier von der angeblichen „Trans-Lobby“. In ihrer* Rede vor dem Bundestag (die ihr hier nachlesen könnt) machte Mine Pleasure Bouvar darauf aufmerksam, dass wir nicht aufhören dürfen, für echte Selbstbestimmung zu kämpfen und uns zusammenzuschließen: Wenn TERFs und Nazis und Nazi-TERFs hetzen, wenn reaktionäre Argumente Selbstbestimmungsgesetze zu _bestimmungsgesetzen machen, wenn Genderkritikerinnen, Fundis, Impfgegner*innen, Rechtsextreme und Antisemit*innen miteinander kuscheln, um uns das Leben schwer zu machen, dann brauchen wir genau diese starke, queere, widerständige Zivilgesellschaft noch mehr! Ja, der Rechtsruck und die Faschisierung, gerade auf dem Rücken trans*femininer Personen, Geflüchteter und Migrant*innen sind real. Aber da müssen und können wir dagegen halten!“

Auch am Freitag

Während sich Grüne und SPD für die Abschaffung des TSG in den sozialen Medien feiern, machen sie ihr Votum in einer anderen Abstimmung lieber nicht öffentlich. Nur wenige Stunden vor der Debatte über das Selbstbestimmungsgesetz stimmten sie (mit wenigen Ausnahmen) gemeinsam mit der AfD für die Einführung der sogenannten „Bezahlkarte“, die asylsuchenden Menschen zukünftig statt Bargeld erhalten sollen. Die Umsetzung ist letztlich Sache der Kommunen, die können dann selbst entscheiden, wie schwer sie Geflüchteten das Leben machen wollen. Der Flüchtlingsrat Berlin wandte sich bereits Ende Februar gemeinsam mit über 60 weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen mit einem Brandbrief an den Senat, um gegen die Einführung der Bezahlkarte zu protestieren. Diese sei „entmündigend“ und verstoße gegen Artikel 1 des Grundgesetzes. „Die Bezahlkarte eröffnet die Möglichkeit, massiv in das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen einzugreifen. Es kann von außen reglementiert werden, welche Waren Menschen wo einkaufen können, ob und wieviel Bargeld sie abheben dürfen und Überweisungen ins In- und Ausland werden ihnen komplett untersagt. (…) Asylsuchende werden einmal mehr als Menschen zweiter Klasse behandelt“, heißt es in dem Brief. Für die Grünen ist das offenbar kein Problem, schließlich stünde im Gesetz: „Soweit einzelne Bedarfe des monatlichen Regelbedarfs entsprechend § 27a Absatz 2 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht mittels der Bezahlkarte gedeckt werden können, sind diese als Geldleistung zu erbringen“. Ich hoffe die Abgeordneten stehen dann persönlich bereit, um Geflüchtete bei der Durchsetzung dieses Rechtsanspruchs in jedem Einzelfall zu unterstützen.

Samstag, 13. April

Nachdem ein 40 Jahre alter Mann in einem Einkaufszentrum in Sydney mehrere Menschen mit einem Messer angriff und sechs davon tötete, wird über das mögliche Motiv diskutiert. Der Täter, ein arbeitsloser Englischlehrer aus Queensland, griff möglicherweise gezielt Frauen an. Fünf der sechs Todesopfer sind weiblich. Unter den zwölf Verletzten sind ein neun Monate altes Mädchen (dessen Mutter getötet wurde) und weitere neun Frauen. Die Polizei geht jedoch nicht davon aus, dass es sich bei dem Attentat um einen terroristischen Anschlag handelte, der mit einer bestimmten Ideologie in Verbindung steht. (Ihr habt sicher längst erraten, dass der Täter weiß war). Der Täter wurde von der Polizei erschossen.

Sonntag, 14. April

Während die Weltöffentlichkeit mit großer Sorge auf die Eskalation im Nahen Osten blickt, ereignet sich im Sudan derzeit die „größte Flüchtlingskatastrophe der Welt“ (NDR). 8,5 Millionen Menschen sind laut UN-Flüchtlingshilfswerk auf der Flucht vor dem Krieg zwischen den der Regierung und den Rebellen. Die Lebensmittelpreise seien um 80 % gestiegen, sagt Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe: „Alleine 18 Millionen Menschen im Sudan sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Fünf Millionen Menschen, davon vier Millionen Kinder unter fünf Jahren sind akut vom Hunger – eigentlich vom Hungertod – bedroht“. Auch das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen, „weniger als ein Drittel der medizinischen Einrichtungen sind noch funktionsfähig“, berichtet Ärzte ohne Grenzen. „Die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedstaaten müssen ihre Anstrengungen verdoppeln, einen sicheren und ungehinderten Zugang auszuhandeln und die humanitäre Unterstützung zu verstärken, damit sich die ohnehin katastrophale Lage nicht noch weiter verschlechtert“, fordert die Hilfsorganisation. Morgen, am 15. April, beginnt das zweite Jahr des Krieges im Sudan, die „schlimmste, komplexeste und grausamste Krise der Welt“ laut dem Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten. Es ist höchste Zeit hinzusehen.

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