You are currently viewing Typisch Deutsche Woche
Prof. Melanie "Ich rede jetzt" Brinkmann. (Illustration von mir)

Typisch Deutsche Woche

Femizide, Blackfacing und Schwurbeldemos mit freundlicher Unterstützung der Polizei. Ich wünschte, ich könnte etwas Neues erzählen. Eine Virologin, die sich wehrt und der Trans Day of Visibility bringen zumindest etwas Abwechslung in den Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW13

Montag, 29. März

Am Montag begann in Minneapolis der Prozess gegen den Polizisten, der George Floyd getötet hat. Der Hauptangeklagte hatte letztes Jahr im Mai mehrere Minuten auf dem Kopf des Afroamerikaners Floyd gekniet. George Floyd ist eines von vielen Opfern tödlicher Polizeigewalt. Weil seine Tötung mitgefilmt wurde, ist George Floyd weltweit bekannt geworden, die Black Lives Matter Proteste erhielten internationale Aufmerksamkeit. Auch in Deutschland gab es Demonstrationen. Anlässlich des Prozessauftakts am Montag zeigte die Tagesschau erneut die Bilder von der Tötung George Floyds. Unverpixelt. Man sieht einfach in der Tagesschau einem Menschen beim Sterben zu. Ich frage mich, ob uns das Video gezeigt würde, wenn das Opfer weiß gewesen wäre.

Dienstag, 30. März

Wo wir schon beim Thema Rassismus sind: Tareq Alaows, der im Wahlkreis Oberhausen und Dinslaken um ein Bundestagsmandat kandidieren wollte, hat seinen Rückzug erklärt. Der Grund dafür: Rassistische Anfeindungen und Bedrohungen. Er nannte „die hohe Bedrohungslage für mich und vor allem für mir nahestehende Menschen“ als Hauptgrund für die Rücknahme der Kandidatur. Alaows war 2015 als Kriegsflüchtling aus Syrien nach Deutschland gekommen und setzt sich seitdem u.a. für die Rechte von Geflüchteten ein.

Hier erklärte er im Februar seine Gründe für die Kandidatur.

Mittwoch, 31. März

Der 31. März ist Trans Day of Visibility, also der Internationaler Tag der Sichtbarkeit von trans Menschen. Ich habe diesen Tag zum Anlass genommen, an Marsha P. Johnson zu erinnern. Marsha P. Johnson war eine der wichtigsten Figuren der LGBTQI*-Bewegung in den USA. 1969 war sie an den Stonewall-Unruhen beteiligt, dem Befreiungskampf queerer Menschen gegen Repression und Polizeigewalt. 1970 gründete Marsha P. Johnson zusammen mit Sylvia Rivera die Aktivist*innengruppe „Street Transvestite Action Revolutionaries“ (STAR), um (obdachlose) trans Personen und Street Queens zu helfen. STAR war eine der bahnbrechenden Organisationen der queeren Befreiungsbewegung. Nicht nur gegenüber der Mehrheitsgesellschaft musste Marsha P. Johnson ihr Leben lang um Anerkennung kämpfen, auch innerhalb der Pride-Bewegung wurde sie als trans Frau häufig ausgegrenzt. Am 6. Juli 1992 wurde die Leiche von Marsha P. Johnson im New Yorker Hudson River gefunden. Ihr Tod ist bis heute ungeklärt. Die Netflix-Doku „The Death and Life of Marsha P. Johnson“ widmet sich dem Wirken dieser außergewöhnlichen Frau und ist neben den Dokus „Paris is Burning“, „Disclosure“ und der Serie „POSE“ eine absolute Empfehlung für alle, denen queere Themen am Herzen liegen und die bislang noch wenig über die Geschichte der (Schwarzen) trans Community wissen.

Marsha P. Johnson (1945 – 1992)

Auch am Mittwoch

Die Junge Union ist wie der schmierige Nachbarsjunge, in dessen Gegenwart man sich einfach immer total unwohl fühlt, weil man weiß, was er für Dinge im Internet schreibt. Der neueste Take der CDU/CSU-„Jugend“-Organisation: auf Facebook und Instagram posteten sie ein Bild einer Frau und den Spruch: „Die Freiheit des Denkens stirbt mit dem Zwang zum Stern.“ Klar, Kritik an gendergerechter Sprache kommt ja viel besser rüber mit so einer Prise Shoa-Verharmlosung.

Donnerstag, 1. April

Die Virologin Prof. Melanie Brinkmann war in der Sendung von Markus Lanz zu Gast und musste sich dort u.a. mit dem Vorsitzenden des Herrenwitz e.V., Wolfgang Kubicki, herumärgern. Die Wissenschaftlerin gab ihr Bestes, den anwesenden Politikern (neben Kubicki war auch Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer dabei) zu erklären, dass sie die Pandemie gefälligst ernstnehmen sollen. Dabei wurde sie auch von Markus „Meister der Unterstellung“ Lanz, immer wieder unterbrochen. Irgendwann reichte es ihr. „Ich rede jetzt!“, stellte sie klar und versuchte fortzufahren. Das darauf folgende Gelächter der drei Herren ist das unerträgliche „Höhöhö“ gekränkter Männeregos, die sich doch nicht von so einer Furie zurechtstutzen lassen. Wenn Misogynie ein Geräusch wäre, es wäre dieses Lachen.

Ich würde Prof. Brinkmann gerne wissen lassen, dass sie mit ihrem „Ich rede jetzt!“ für uns alle gesprochen hat. Expert*innen, die von selbstgerechten Männern unterbrochen und übergangen werden. Die in ihrem Fachgebiet von dahergelaufenen Gockeln gemansplaint wird und denen nicht zugehört wird. Die als „bossy“ gelten, als zu „energisch“, „hysterisch“ oder „zickig“. Der Münchner Merkur schreibt, Prof. Brinkmann habe Lanz „angefaucht“ und bedient damit das Bild der Frau als „Drachen“. Frauen, die sich nicht kleinlaut zurückhalten, wenn Männer palavern, werden noch immer als schwierig und unangenehm dargestellt. Von „Standpauke“ (Fokus) ist die Rede und die Frankfurter Rundschau nennt Brinkmann „empört“ und eine „wütende Virologin“. Ich habe die Hoffnung, dass diese Beißreflexe nur einmal mehr Beweis dafür sind, dass sich die Alten Weißen Männer™ ihrer zunehmenden Bedeutungslosigkeit langsam bewusst werden.

https://twitter.com/KathaZachi/status/1377876618262278144?s=20

Femizide der Woche

Auch in dieser Woche ereigneten sich wieder Femizide in Deutschland. Am Donnerstag wurde in Berlin-Charlottenburg die Leiche einer Frau in deren Wohnung gefunden. Einsatzkräfte hatten die Tür aufgebrochen, da Bekannte die 50-Jährige längere Zeit nicht erreichen konnten. Die Polizei geht von einem Tötungsdelikt aus.

Bereits in der Nacht zu Sonntag wurde eine 35-jährige Frau in einer Arbeiter*innenunterkunft in Bad Wörsihofen (Bayern) getötet. Ein 27-jähriger Mann wurde festgenommen, er wird verdächtigt, die Frau erstochen zu haben.

Ebenfalls am Sonntag starb eine 33-jährige Frau in Senden (Kreis Neu-Ulm). Die Polizei geht davon aus, dass der 38-jährige Ehemann die Frau getötet hat. Das Opfer sei vermutlich durch Gewalt gegen den Hals getötet worden, heißt es.

Auch am Donnerstag

Ich hatte ja gedacht, es sei ein Aprilscherz: „Bundestagswahl 2021: Maaßen will für CDU in Südthüringen kandidieren“ – April, April, natürlich für die AfD und nicht die CDU! Hahahoho. Aber nein. Der ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen will tatsächlich für die CDU in den Bundestag.

Freitag, 2. April

Der Bayerische Rundfunk hat einfach nichts gelernt.

Es macht mich so wütend, dass es offenbar einfach überhaupt nichts bringt, immer und immer wieder die gleichen Dinge zu erklären. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie es für Menschen sein muss, die von Rassismus betroffen sind.

Auch am Freitag

Das Bundesgesundheitsministerium hat Uschi Glas für einen Impf-Werbespot gewonnen. So weit so uninteressant. Der kurze Clip ist allerdings so voll mit Ableismus (=Behindertenfeindlichkeit), dass ich gar nicht glauben kann, dass das im Gesundheitsministerium niemandem aufgefallen ist.

Menschen mit Behinderung werden hier als abschreckendes Beispiel benutzt. Mit der Angst vor Behinderung sollen Menschen zum Impfen animiert werden. Oh Lord! Uschi Glas verwendet dann auch noch den Ausdruck „an den Rollstuhl gefesselt“. Wer redet heute noch so? Raul Krauthausen, Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit, machte schon 2012 darauf aufmerksam, wie behindertenfeindlich diese Formulierung ist. Ein Rollstuhl ist ein Fortbewegungsmittel und keine Strafe: „Wenn sie jemanden sehen, der an den Rollstuhl gefesselt ist, binden Sie ihn los“.

Samstag, 3. April

Mir fehlen so langsam die Worte. Was soll ich noch sagen dazu, dass jedes verdammte Wochenende irgendwelche selbstsüchtigen Schwurbelheinis zu Tausenden ohne Masken und Abstand durch die Innenstädte ziehen?! Geleitet von Polizist*innen, die das entweder nicht unterbinden dürfen oder nicht wollen, weil die Demonstrierenden aussehen wie ihre Freund*innen und Familien. Ich kann einfach nicht vergessen, dass in Hanau eine Gedenkveranstaltung von Hinterbliebenen des rassistischen Attentats aus Infektionsschutzgründen verboten wurde, diese wöchentlichen Superspreader-Events aber seit einem Jahr regelmäßig und ungehindert stattfinden dürfen. Zusammen mit Neonazis und Reichsbürger*innen ziehen sie durch die Straßen, bedrohen und beleidigen Menschen, die Masken tragen und greifen Journalist*innen an. In Stuttgart wurde am Samstag ein Team der ARD mit Steinen beworfen.

Sonntag, 4. April

Zum heutigen Ostersonntag nochmal der Hinweis darauf, dass es noch bis einschließlich Ostermontag das Oster-Special auf Steady gibt. Wenn ihr das Paket „Osterhase“ auswählt, erhaltet ihr eine ermäßigte Mitgliedschaft und dazu ein superduper Überraschungspaket.

Und mir bleibt für heute nur noch diese Frage:

Schreibe einen Kommentar