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Die Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie. (Illustration von mir.)

Was bedeutet TERF? Und was hat C.N. Adichie damit zu tun?

Ich will versuchen zu erklären, was „TERF“ eigentlich bedeutet. Und warum ich die Autorin Chimamanda Ngozi Adichie nicht mehr unterstütze.

Achtung: In diesem Text diskutiere ich transfeindliche und transexklusive Narrative und nenne diese teilweise explizit. Ich halte die Reproduktion von transfeindlichen Formulierungen für notwendig, um deren Gefährlichkeit deutlich zu machen. Ich habe mich bemüht, die Stellen auf ein Minimum zu reduzieren.

„CNA is a TERF!“ – für die meisten Menschen außerhalb (queer-)feministischer Filterblasen klingt das wie ein unlösbarer Code. Für mich war dieser Satz wie ein Stich ins Herz. Denn „CNA“ steht für Chimamanda Ngozi Adichie, die nigerianische Bestsellerautorin, die mir ihrem TED-Talk „We should all be feminists“ feministische Forderungen gleichermaßen pointiert wie leicht verdaulich in den Mainstream katapultierte. Ich war begeistert von „Americanah“, dem Roman von 2013, in dem Adichie unter anderem über Rassismus und das Schwarz aber nicht afroamerikanisch sein in den USA schreibt. TERF, das wusste ich bereits, ist  schlecht. Es bedeutet transfeindlich, es bedeutet J.K. Rowling.

Was bedeutet TERF?

Das Akronym TERF hat sich verselbstständigt und funktioniert inzwischen als Code auch in anderen Formen, wie bspw. als Adjektiv „terfig“, um cis Frauen zu beschreiben, die einem irgendwie transfeindlich vorkommen. TERF wird inzwischen synonym für transfeindlich verwendet, das sorgt dafür, dass über das ursprüngliche Phänomen, nämlich die Transfeindlichkeit von Radikalfeminist*innen kaum gesprochen wird.

TERF – das steht für Trans Exclusive Radical Feminism, also trans ausschließenden Radikalfeminismus. Der Radikalfeminismus ist eine Strömung innerhalb des Feminismus, der sich durch bestimmte Einstellungen und Haltungen auszeichnet. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, darauf im Detail einzugehen, daher nur so viel: Radikalfeminist*innen sind häufig der Auffassung, dass alles auf das Geschlecht zurückzuführen sei, und zwar auf das „biologische“ Geschlecht. Eine Kernannahme des Radikalfeminismus ist, dass Jungen und Mädchen von Geburt an (teilweise schon vorgeburtlich) unterschiedliche – geschlechtsspezifische – Erfahrungen machen und dabei Jungen grundsätzlich mit Privilegien ausgestattet sind. TERF (also trans ausschließende Radikalfeminist*innen) beharren also auf das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht, das mal mit dem Aussehen der Genitalien, mal mit dem Chromosomensatz begründet wird. Trans Frauen seien dementsprechend Männer, trans Männer eigentlich Frauen. Ein verbreiteter TERF-Take besagt, dass trans Frauen in Frauenräume eindringen wollten und damit die patriarchale Gewalt in diese Räume tragen würden. Frauenhäuser müssten dementsprechend cis Frauen vorbehalten bleiben, um diese zu schützen. Der gleichen Denke entspringt die Erzählung, trans Männer, würden nur deshalb eine Transition anstreben, weil es Männer im Patriarchat besser hätten. Es sei eine Form der internalisierten Misogynie. Man müsse trans Männer also davor beschützen, zu transitionieren. TERF sprechen trans Männern also die Fähigkeit zur Selbstbestimmung ab, trans Frauen hingegen wird eine besondere (letztlich gewaltvolle) Absicht unterstellt.

Und was bedeutet SWERF?

Radikalfeminist*innen sind zudem häufig gegen jede Form der Sexarbeit und Pornografie. Das heißt, sie gehen davon aus, dass eine Frau niemals selbstbestimmt und aus freiem Willen der Sexarbeit nachgehen könne. Sexarbeiter*innen seien entweder unterdrückt du ausgebeutet oder aber Unterstützer*innen von patriarchaler Unterdrückung und Ausbeutung. Diese Haltung wird mit dem Akronym SWERF zusammengefasst, d.h. SexWork Exclusive Radical Feminism. Dazu mehr an anderer Stelle.

TERF muss nicht explizit transfeindlich sein

An dieser Stelle ist es wichtig zu bemerken, dass TERF nicht immer explizit transfeindlich sind. Es besteht schon ein Unterschied darin, ob jemand sagt: Ich hasse trans Menschen und will das diese ausgegrenzt (oder Schlimmeres) werden oder ob jemand sagt: Ich respektiere trans Menschen und möchte, dass sie Schutz und Rechte genießen, nur halt nicht „auf Kosten“ von cis Frauen. Hier aber wird deutlich, dass es gar nicht den ersten Typ braucht, um trans Menschen zu schaden. Denn in dem Moment, in dem ich sage, trans Frauen seien keine „echten Frauen“, schließe ich sie von den gemeinsamen Kämpfen und aus den gemeinsamen Räumen aus. Trans Frauen (und trans Männern) wird somit die unbedingte Solidarität entzogen. Es wird ein Fenster geöffnet, das es ermöglicht, trans Menschen auszuklammern, wenn es gerade passt. Dafür muss ich nicht sagen, „ich hasse trans Leute“, es reicht zu sagen „trans Themen sind nicht das gleiche wie Frauenthemen“ oder „die Erfahrungen die trans Frauen machen, sind nun mal andere als die, die cis Frauen machen“. Das stimmt natürlich, aber macht nicht jeder Mensch andere Erfahrungen als ein anderer? Nach dieser Logik könnte ich auch Schwarze Frauen, Frauen mit Behinderung oder jüdische Frauen von meinem Feminismus ausschließen, denn die spezielle Erfahrung von Rassismus, Ableismus oder Antisemitismus machen auch nicht „alle Frauen“.

Chimamanda Ngozi Adichies TERF-Take im Interview 2017

Chimamanda Ngozi Adichie hat in einem Interview 2017 mit dem britischen Sender Channel 4 gesagt „When people talking about: are trans women women? My feeling is: trans women are trans women.“ („Wenn Leute darüber sprechen: Sind trans Frauen Frauen? Dann ist mein Gefühl: trans Frauen sind trans Frauen.“)

Adichies Zitat ist sozusagen der TERF-Prototyp: Trans Frauen sind keine Frauen, sondern trans Frauen und gehören damit einer „speziellen“, anderen Gruppe an. Sie sagt, dass trans Frauen als Männer geboren würden und von Privilegien profitierten, die die Welt Männern gewähre. Dementsprechend seien die Erfahrungen von Frauen, die als Frauen geboren wurden, nicht die gleichen, wie die Erfahrungen von trans Frauen. Mit dieser Haltung lassen sich trans Menschen easy separieren. Damit wird legitimiert zu sagen: „Jaja, trans Themen diesdas, aber ich rede ja jetzt von Frauenthemen!“

Zur Erinnerung: TERF bedeutet nicht automatisch, trans Menschen zu hassen, sondern lediglich, sie vom Feminismus auszuschließen, ihnen einen „eigene“ Räume, Debatten, Kämpfe, Demonstrationen zuzuweisen.

Adichies Statement auf Facebook nährt den TERF-Vorwurf anstatt ihn zu entkräften

Adichie versuchte mit einem ausführlichen Statement auf Facebook die Wogen zu glätten. Darin erklärt sie sich und sagt, der Impuls zu sagen „trans Frauen sind Frauen“ käme daher, trans Issues zum Mainstream machen zu wollen, um die Unterdrückung zu reduzieren, die trans Frauen erfahren. Das aber fühle sich unaufrichtig an, so Adichie, die Absicht sei zwar gut, aber diese „Strategie“ fühle sich falsch an. Ich höre da allerdings einen classical TERF-Take, nämlich dass trans Issues Frauen „verdrängen“ würden. Diese Argumentation begegnet einem häufiger in TERF-Kontexten. Da wird dann gesagt, inklusive Sprache würde Frauen „unsichtbar“ machen oder gar „auslöschen“. Die TERF-Gruppe „Störenfriedas“ fällt häufig mit diesem Narrativ auf, bspw. wenn es um menstruierende Personen geht oder Menschen mit Uterus.

Chimamanda Ngozi Adichie betont in ihrem Statement, dass es Unterschiede zwischen trans und cis Frauen gebe, die nicht weggewischt werden dürften, man müsse die Unterschiede anerkennen, gleichzeitig aber unterstützend sein. Adichie erklärt, sie werde nicht aufhören für die Rechte von trans Personen einzusetzen, weil sie gleichberechtigte Menschen seien, die es verdienten, das zu sein, was sie sind.

Sie schreibt noch eine Weile weiter über die Unterschiede von cis und trans Frauen und betont nochmals, dass trans Frauen ja als „Jungs“ geboren seien und daher die Privilegien von Männern genossen hätten, ob sie es wollten oder nicht.

Adichie schadet trans Menschen sieht sich aber selbst als Opfer von „Sprachorthodoxie“

Für Adichie ist das Problem ein sprachliches. Sie fühlt sich missverstanden und sagt, sie weigere sich, an dieser „Sprachorthodoxie“ der Linken teilzunehmen. Das Problem hier: Adichie lässt es so erscheinen, als sei das Inkludieren von trans Personen ein anstrengender, akademischer Prozess, den „einfache Leute“ nicht verstehen würden. In dem Zusammenhang nennt sie es „nicht hilfreich“, wenn diese „Sprachorthodoxie“ dazu führe, dass man nicht mehr miteinander redet. Für mich hört sich das so an, als würde sie den Wunsch von trans Menschen nach Anerkennung als spaltend empfinden, als schädlich für den feministischen Kampf. Dabei ignoriert sie vollkommen, wie schädlich ihre Aussagen für die trans Community sind.

Trans Menschen verdienen Schutz und Anerkennung

Denn das ist das, was am Ende bleibt: Auch wenn es innerhalb (queer-)feministischer Bubbles anders erscheinen mag: trans Menschen gehören einer stark marginalisierte, vulnerable Gruppe an, die gesellschaftlich massive Ausgrenzung und Diskriminierung erfährt sowie regelmäßig körperliche Gewalt. Nicht nur fehlt die rechtliche Gleichstellung von trans Menschen, sie werden auch noch vielfach als krank, gestört und gefährlich dargestellt. TER-Feminist*innen tragen aktiv zu diesen transfeindlichen Vorurteilen bei, wenn sie trans Frauen als Gefahr für cis Frauen labeln (siehe Frauenhausdebatte oder „Toiletten-Gate“). Aber TERF müssen gar nicht diese gewaltvollen Narrative reproduzieren. Oft bleiben sie vage, „stellen nur Fragen“, die dazu dienen, trans Personen auszugrenzen.

Die Absicht entscheidend nicht darüber, ob etwas transfeindlich ist

Mir ist es an der Stelle wichtig zu bemerken, dass nicht immer eine Absicht oder eine transfeindliche Strategie dahintersteckt, wenn TERF-Takes reproduziert werden. Ich selbst habe eine Weile gebraucht, um zu verstehen, was daran problematisch ist zu sagen „trans und cis Frauen unterscheiden sich nun mal“. Als erstes ist es wichtig anzuerkennen, dass wir alle transfeindlich sozialisiert werden. Im Patriarchat werden trans Personen unsichtbar oder lächerlich gemacht, sie werden entmenschlicht, abgewertet und ausgegrenzt. Wir lernen das binäre Geschlechtermodell als unumstößlich naturgegeben an und viele Menschen sind sich überhaupt nicht bewusst darüber, dass Geschlecht (egal ob „biologisches“ oder „soziales“) ein menschengemachtes Konstrukt ist. Indem TERF festlegen, wer Frau ist und wer Mann, zementieren sie diese Binarität und negieren all jene Menschen, die nicht in eine der beiden Schubladen passen. Dass Geschlecht ein Spektrum ist, hat inzwischen auch die Naturwissenschaft erkannt.

Auch cis Frauen können Unterdrückerinnen sein

Warum also fällt es uns so schwer, trans Personen als Teil des feministischen Kampfes bedingungslos anzuerkennen? Mir erscheint es so, als würden cis Frauen eine Bedrohung empfinden. Denn in dem Moment, in dem ich anerkenne, dass Geschlechterverhältnisse aus mehr bestehen als der erlernten Dichotomie (Mann=Unterdrücker, Frau=Unterdrückte), dann muss ich auch anerkennen, dass ich als cis Frau Unterdrückerin sein kann. Trans und nicht binären Menschen wird vorgeworfen, den feministischen Kampf zu spalten, ihre Forderung nach gleichberechtigter Inklusion wird als störend empfunden, als Nebensächlichkeit. Wir cis Feminist*innen möchten uns nicht damit aufhalten, trans und nicht binäre Genoss*innen in Sprache und Symbolen sichtbar zu machen, weil wir in unserem Inneren diese Forderung als kleinkariert und „nicht so wichtig“ empfinden. Die cis-sexistische Ablehnung von trans Themen erinnert mich nicht selten an linkes Mackergehabe. Wir haben doch einen gemeinsamen Feind (den Kapitalismus), warum hältst du unseren Kampf mit Nebensächlichkeiten (Gleichberechtigung) auf?

Adichie bezieht 2020 erneut Position und verteidigt J.K. Rowling

Chimamanda Ngozi Adichie, deren TERF-Takes bereits 2017 gefallen sind, hat sich im vergangenen Jahr erneut in der Debatte positioniert: Dem Guardian sagte sie im Rahmen eines Interviews im November 2020, sie empfinde es so, als dürfe man nicht lernen und wachsen. Es klingt stark nach „Man darf ja nichts mehr sagen“, wenn sie erklärt: „you said the wrong word you must be crucified immediately“ („du sagst eine falsche Sache und wirst sofort gekreuzigt“). Verständnis, warum ihre Aussagen über trans Frauen Schaden angerichtet haben, zeigt sie nicht. Stattdessen bezieht sie klar Stellung für J.K. Rowling, der sie attestiert, eine „progressive Frau“ zu sein, „die eindeutig für Vielfalt steht und an diese glaubt“ („JK Rowling is a woman who is progressive, who clearly stands for and believes in diversity.“) Den transfeindlichen Artikel von Rowling nennt sie „absolut vernünftig“ („a perfectly reasonable piece“). Adichie wiederholt den schon 2017 eingeführten Terminus der „Sprachorthodoxie“, die sie als „grausam als auch als traurig“ bezeichnet.

Informationen über ein Engagement von Chimamanda Ngozi Adichie für die Rechte von trans Menschen konnte ich indes nicht finden. Dadurch bleibt ihr Beteuern, eine Unterstützerin von trans Rechten zu sein, leider eine leere Hülle.

Mir ist beim Schreiben dieses Artikels klar gewesen, dass ich als cis Frau immer aus dieser Perspektive schreibe. Ich bin keine Betroffene von Transfeindlichkeit. Ich erlebe keinen Ausschluss aus Frauenräumen, weil ich von Jedem*Jeder als Frau gelesen werde. Ich möchte daher deutlich sagen, dass ich nicht die erste bin, die über dieses Thema schreibt. Viele andere, insbesondere trans Personen, machen seit Jahren und Jahrzehnten auf die Transfeindlichkeit in und den Ausschluss von trans Menschen aus feministischen Strukturen aufmerksam. Ich möchte meine Unterstützung für alle Menschen anbieten, die sich nicht dem cis-geschlechtlichen, binären System zugehörig fühlen. Aber es bleibt eben ein Angebot: ich will und kann nicht FÜR trans / nicht-/ a-binäre Personen sprechen, sondern tue das immer aus der Position einer cis Ally.

Weitere Quellen, die nicht im Text verlinkt sind:

Dean Luca: Is Chimamanda Ngozi Adichie a “TERF”?

Vox.com: The controversy over Chimamanda Ngozi Adichie and trans women, explained

Pinknews.co.uk: Chimamanda Ngozi Adichie thinks JK Rowling’s anti-trans essay was ‘a perfectly reasonable piece’

Rike Random: TERF, #NotAllMen und meine Probleme mit dem ‚Feminismus‘ von Chimamanda Ngozi Adichie und Jagoda Marinić

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