Spanien wird transfeindlicher, Superreiche werden immer reicher, in Berlin bleibt ein rassistischer Gewalttäter Polizist, Assad ist gestürzt und tausende demonstrieren gegen den Paragraf 218. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW49
Montag, 2. Dezember
Die spanische Regierungspartei (PSOE) hat bei ihrem Parteitag beschlossen, trans Frauen von der Teilnahme am sportlichen Wettkampf auszuschließen. Am „Frauensport“ dürfen nur noch die Frauen teilnehmen, denen das Geschlecht bereits bei der Geburt zugewiesen wurde. Transfeindliche Radikalfeministinnen in Spanien versuchten bereits sein einiger Zeit Einfluss auf die eher liberalen Gesetze des Landes zu nehmen und feiern nun ihren Erfolg. „Das Sportgesetz und die 14 regionalen Gesetze, die die Teilnahme von Männern, die sich als Frauen identifizieren, an Sportwettbewerben für Frauen erlauben, müssen jetzt geändert werden“, freute sich die transhassende Gruppe „Contra el Borrado de Mujeres“ (Gegen die Auslöschung von Frauen) in einer Erklärung. „Das ist kein klassischer Feminismus, sondern Transfeindlichkeit“, sagte hingegen Isa Serra, Sprecherin der linken Oppositionspartei Podemos und Mar Cambrollé, Präsidentin der Organisation „Federación Plataforma Trans“ sagte: „Trans Frauen werden wieder einmal als soziale Gefahr abgestempelt“. Doch nicht nur trans Frauen werden durch den PSOE-Parteitagsbeschluss diskriminiert. Es wurde außerdem entschieden das „Q+“ aus LGTBIQ+“ zu entfernen. Ein PSOE-Sprecher sagte, dass damit „nichts verloren gegangen“ sei, doch allein die Symbolkraft dieser Entscheidung gefährdet die Rechte queerer Menschen zusätzlich. „Es sind keine Akronyme, sondern Menschen, die leben, fühlen und trauern in dem Bestreben, ihr Leben in dem Respekt und der Freiheit zu leben, die allen Menschen zusteht“, schrieb Carla Antonelli, Politikerin der Partei Más Madrid auf Ex-Twitter.
Dienstag, 3. Dezember
Der 3. Dezember ist der „Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung“. Vor 15 Jahren trat die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft, ein guter Zeitpunkt, um mal genauer zu schauen, wie es um die Rechte behinderter Menschen in Deutschland steht. Es ist erst 20 Jahre her, dass der Artikel 3 des Grundgesetzes um den Zusatz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ ergänzt wurde. Doch genau das passiert zahlreichen Menschen mit Behinderung oder chronischen Krankheiten regelmäßig. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes teilt mit, dass Menschen mit Behinderungen „überdurchschnittlich häufig Diskriminierungserfahrungen im Bereich der Gesundheitsversorgung sowie beim Zugang zu Kindertageseinrichtungen und zu Schulen sowie im Kontext der Justiz“ meldeten. Benachteiligung erfahren behinderte Menschen aber auch auf dem Arbeitsmarkt. Viele, 2021 waren es 270.000, arbeiten in sogenannten „Werkstätten für behinderte Menschen“ (WfbM), also speziellen Einrichtungen für behinderte Menschen, wo diese weit unter dem Mindestlohn schuften. Sie erhalten lediglich ein „Werkstattentgelt“, rund 200 Euro im Monat. Angeblich soll die Arbeit in den Werkstätten für den sogenannten „Ersten Arbeitsmarkt“ qualifizieren, ist also eine Art Reha-Maßnahme. Doch in der Realität funktioniert das überhaupt nicht. 2019 wechselten 504 Personen aus einer Werkstatt in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis. Weniger als 1 Prozent. Und das liegt auch daran, dass die Werkstätten ihre „besten Kräfte“ natürlich nur ungern verlieren, denn sie machen richtig Kohle mit deren Arbeitskraft: 4,95 Millionen Euro Umsatz machten 191 der insgesamt circa 735 Werkstätten in Deutschland im Jahr 2019. Ein Wachstum von 11,1 Prozent innerhalb von nur vier Jahren. „Es ist das bestausgeweitete Billiglohn-Modell EU-weit. Nirgendwo in der EU kann ein Unternehmen so billig produzieren lassen wie in einer WfbM. Ich erinnere gern: Die Menschen haben keinen Arbeitnehmer*innen-Status. Sie haben kein Streikrecht, keinen Mindestlohn, sie haben keine Arbeitnehmer*innen-Rechte. Es ist das System, welches ich kritisiere. Das kriegt man nicht gelöst, indem wir sagen: Wir geben euch jetzt den Mindestlohn. Das ist zu kurz gesprochen“, kritisiert die EU-Abgeordnete Katrin Langensiepen, die als junge Frau selbst in einer Werkstatt arbeiten sollte, sich aber erfolgreich wehrte. Gudrun Wansing, Professorin am Institut für Rehabilitationswissenschaft an der HU Berlin, erklärt: „Deutschland hat auch im europäischen oder internationalen Vergleich eine sehr starke Tradition der Separation, das heißt der besonderen Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Das sehen wir genauso, auch im Förderschulenbereich und im Wohnbereich. Aber in allen Feldern sehen wir jetzt, dass sozusagen dieses sehr ausdifferenzierte System unerwünschte Nebenwirkungen entfaltet, nämlich unerwünschte Nebenwirkungen im Hinblick auf Einschränkungen der Teilhabe, der Inklusion und der Selbstbestimmung.“
Mittwoch, 4. Dezember
In Berlin ist ein verurteilter rassistischer Gewalttäter weiterhin im Polizeidienst tätig. Das brachte eine Anfrage des Linken-Politikers Niklas Schrader ans Licht. Schrader hatte sich beim Senat nach dem Ausgang des Disziplinarverfahrens gegen Stefan K. erkundigt. K., Mitte vierzig, hat im April 2017 gemeinsam mit zwei anderen Männern einen damals 26-jährigen afghanischen Geflüchteten brutal verprügelt. Gemeinschaftlich gingen die Männer an einem S-Bahnhof auf ihr Opfer los, schubsten, traten, schlugen auf den Mann ein. Stefan K. brach ihm das Nasenbein. Als die Polizei kam, gab sich Stefan K. als einer von ihnen zu erkennen und sagte, es seien „keine deutschen Interessen betroffen“. Die Richterin sah bei der späteren Verhandlung ein rassistisches Motiv. K. wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu 120 Tagessätzen plus Schmerzensgeld verurteilt. Sein Opfer wurde abgeschoben. Das Urteil gegen Stefan K. ist rechtskräftig, das Disziplinarverfahren gegen ihn ist abgeschlossen: Er ist weiter als Polizist im Einsatz. Dem Tagesspiegel zufolge fährt er in Lichtenberg Streife. „Wenn nicht einmal ein rechtskräftiges Urteil, bei dem das Gericht die rassistische Motivation ausdrücklich festgestellt hat, zur Entfernung aus dem Polizeidienst führt, dann gibt es ein massives Problem“, sagte Niklas Schrader von Die Linke. Es sei ein „verheerendes Zeichen an die von Rassismus Betroffenen in dieser Stadt (…) Wie sollen sie einer Polizei vertrauen, die einen rassistischen Gewalttäter in den eigenen Reihen hält?“
Außerdem
In der Nacht zu Mittwoch hat ein 36-Jähriger in Bensheim (Hessen) mutmaßlich seine 34-jährige Ehefrau getötet. Das Paar soll sich getrennt haben, heißt es in der FAZ. Nachbar*innen hatten die Polizei alarmiert, nachdem sie lautes Geschrei aus der Wohnung der Frau gehört hatten, Rettungskräfte fanden die Frau mit schweren Stichverletzungen vor, sie konnten nur noch den Tod feststellen. Am Mittwochmorgen wurde in Berlin-Lichtenberg mutmaßlich eine Frau aus dem 9. Stock eines Hochhauses gestoßen. Die Polizei geht von einer Gewalttat aus. Die 56 Jahre alte Frau wurde tot in einem Beet gefunden. Weitere Informationen sind nicht bekannt. Am Mittwochnachmittag erschoss ein Mann eine 50-jährige Angestellte in einem Krankenhaus mit einer Armbrust und flüchtete. Die Tat ereignete sich in Bad Zwesten (Hessen), der mutmaßliche Täter wurde später im Landkreis Passau festgenommen. Zu den Hintergründen der Tat ist noch nichts bekannt. Bereits am Dienstag wurde eine 40-Jährige aus Coburg (Bayern) als vermisst gemeldet und nach einer großangelegten Suchaktion tot aufgefunden. Am Freitag nahm die Polizei einen 37 Jahre alten Bekannten des Mordopfers fest. Der Mann gestand, die Frau gewaltsam getötet zu haben.
Donnerstag, 5. Dezember
Superreiche werden immer reicher, das meldete die Tagesschau am Dienstag. Eine Untersuchung der Schweizer Bank UBS hat ergeben, dass es im April dieses Jahres weltweit 2.682 Milliardäre gab. Rund 50 Prozent mehr als 2015. Das Gesamtvermögen der Stinkreichen stieg um 121 Prozent auf 14 Billionen (14 000 000 000 000) Dollar. Mehr als die dreifache gesamte Wirtschaftsleistung Deutschlands in einem Jahr. Unfassbare Summen, es ist einfach ekelhaft. Wisst ihr, wer auch immer reicher wird? Die Aktionär*innen der Rüstungsindustrie. Im vergangenen Jahr sind die Umsätze der 100 größten Rüstungskonzerne weiter gestiegen, zusammengenommen um 4,2 Prozent. „Die größten Treiber der gestiegenen Nachfrage waren im vergangenen Jahr die Kriege in Gaza und der Ukraine“, heißt es in einem Tagesschaubericht. Zwei russische Rüstungskonzerne freuten sich, einer Studie des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI zufolge, über ein Umsatzwachstum von 40 Prozent. Die SIPRI-Liste zeigt außerdem Umsatzrekorde bei israelischen Unternehmen, der völligen Zerstörung Gazas sei Dank. Aber auch die europäischen Waffenhersteller freuen sich über eine ausgezeichnete Ausgangslage. Der deutsche Konzern Rheinmetall verbuchte 2023 ein Plus von zehn Prozent. Da werden sich so einige Aktionär*innen bei der folgenden Meldung fröhlich die Hände reiben: „Gewalt gegen Kinder in Kriegen ‚auf Höchststand‘“, lautete eine Headline der Tagesschau am Donnerstag. Rund 460 Millionen Kinder seien durch „Beschuss, Hunger und Krankheiten in akuter Lebensgefahr“, schätzt ein aktueller Bericht von UNICEF. Jedes sechste Kind auf der Welt. Für uns mag das schrecklich sein, gewiefte Investor*innen sehen hier lediglich eine Business-Opportunity.
Freitag, 6. Dezember
Weil sie vor eineinhalb Jahren auf Sylt ein Privatflugzeug mit orangener Farbe besprühten, müssen zwei Aktivistinnen von „Die Letzte Generation“ jetzt ins Gefängnis. Das Amtsgericht Niebüll (Schleswig-Holstein) verurteilte am Freitag eine 24-Jährige und eine 22-Jährige zu sieben bzw. sechs Monaten Haft. Das Gericht sah „keine positive Sozialprognose“ und verwehrte den Verurteilten eine Bewährung. Ein fucking Privatflugzeug auf fucking Sylt wurde mit ein bisschen Farbe beschmiert und dafür müssen zwei Menschen, die für die Zukunft unseres Planeten kämpfen, in den Knast. Es ist unfassbar.
Samstag, 7. Dezember
In Berlin und in Karlsruhe gingen am Samstag tausende Menschen auf die Straße, um für die Streichung des Paragrafen 218 zu demonstrieren. Das Bündnis „Abtreibung legalisieren“ hatte in einer 12-wöchigen Kampagne dazu aufgerufen. „Die Kriminalisierung von Abtreibungen schränkt das Leben und die Gesundheit ungewollt Schwangerer massiv ein. Abtreibungen sind weder verpflichtender Teil der medizinischen Ausbildung; noch übernehmen Krankenkassen die Kosten. Dies führt zu einem Mangel an Ärzt*innen, die Abtreibungen durchführen, und zu einer hohen finanziellen Belastung für ungewollt Schwangere. Fehlende Barrierefreiheit in Versorgungseinrichtungen macht den Zugang zu sicheren Abtreibungen für von Diskriminierungen betroffene Personen noch schwerer. Außerdem wollen Ärzt*innen ihren Beruf nicht im Strafgesetzbuch sehen“, heißt es im Aufruf. In Berlin kamen ein paar Vögel zu zwei Gegenkundgebungen zusammen, die Polizei sprach von „jeweils einer Teilnehmendenzahl im mittleren einstelligen Bereich“. Lol. Ob es die kaputte Ampel noch schafft, den misogynen Paragrafen zu kippen und Schwangerschaftsabbrüche ENDLICH zu legalisieren, ist fraglich. Aber die Hoffnung ist da, denn mit einem Kanzler Merz müssen wir uns eher vor eine Verschärfung der Gesetze fürchten.
Sonntag, 8. Dezember
Assad ist gestürzt! Diese Meldung ist einfach großartig und ich freue mich mit allen Syrer*innen, insbesondere auch denen in Deutschland, die heute vor Freude weinen, die auf den Straßen feiern und endlich wieder Hoffnung haben, ihre Familienmitglieder wiederzusehen. Nach knapp 25 Jahren ist der grausame Diktator gestürzt, nachdem er Hunderttausende tötete, inhaftierte, folterte. Die viralen Videos von der Befreiung der Inhaftierten aus Assads Foltergefängnissen sind kaum auszuhalten. Es ist ein großartiger Tag. Wie es weitergeht, das sehen wir dann. Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass dieses gebeutelte Land gerettet ist, dass die unterdrückten Menschen, die durch und durch Grausames durchmachten, nun in eine strahlende, gewaltfreie Zukunft blicken. Aber ab Morgen. Heute heißt es: Assad ist gestürzt, es lebe Syrien!
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