Trump ist abgewählt. Die USA bekommen einen neuen alten Mann als Präsidenten, aber auch erstmals eine Vizepräsidentin und eine Senatorin, die offen trans ist. Das Parlament Neuseelands ist noch vielfältiger geworden, während deutsche Männer im Wochenrückblick aus feministischer Perspektive mal wieder gar nicht gut wegkommen. #KW45
Montag, 2. November
Am Montag wurde überall davon berichtet, dass Nanaia Mahuta das neuseeländische Außenministerium übernimmt, als erste Frau und erste Maori in der Geschichte des Landes. Die 50-Jährige mit dem markanten Kinn-Tattoo, Tradition der Maori, war bislang Ministerin für Maori-Entwicklung und Lokalverwaltung.
Das Kabinett Arden II ist eins der diversesten weltweit: acht Frauen, fünf Maori und drei LGBT*-Personen gehören ihm an. „Dies ist ein Kabinett, das auf Verdiensten basiert und unglaublich vielfältig ist. Darauf bin ich stolz“, sagte Jacinda Ardern. Die Premierministerin Neuseelands hatte bei den Parlamentswahlen im Oktober mit der Labour-Partei die absolute Mehrheit gewonnen, trotzdem wird sie die Koalition mit den Grünen fortführen. Sie erklärte: „Wir haben in der vorigen Regierung gezeigt, dass wir gut kooperieren. In Umwelt- und Wohlstandsfragen sind wir uns in vielen Punkten einig, die gut für Neuseeland sind.“
Dienstag, 3. November
Ein Professor der Universität Erfurt, der wegen Vorteilsnahme und versuchter Nötigung mit sexuellem Kontakt zu einer Geldstrafe von 23.000 Euro verurteilt worden war, darf weiter lehren und verbleibt im Beamtenstatus. Das Verwaltungsgericht Meiningen verhängte lediglich eine Kürzung seiner Bezüge um 20 Prozent für den Zeitraum von 30 Monaten.
Das Wissenschaftsministerium Thüringen hatte Disziplinarklage gegen den Professor erhoben, gegen den mehrere Frauen bereits 2016 Beschwerde wegen sexueller Belästigung eingereicht hatten. Der Mann soll Leistungspunkte gegen sexuelle Dienstleistungen angeboten haben und sexuell übergriffig gewesen sein. „Aus unserer Sicht liegen gravierende Verstöße gegen die Dienstpflichten eines Professors vor, die einer Weiterbeschäftigung an der Universität Erfurt entgegenstehen“, erklärte das Thüringer Wissenschaftsministerium nach der Urteilsverkündung. Laut MDR akzeptiert die Uni Erfurt das Urteil, prüft aber auch Handlungsoptionen im Hinblick auf den Einsatz des Professors. Man habe eine Verantwortung für die Studierenden und Mitarbeiter*innen.
Mittwoch, 4. November
Über die US-Wahlen wird hierzulande ausreichend berichtet, deshalb möchte ich an dieser Stelle ein paar Fakten hervorheben, die in den Medien zu kurz gekommen sind.
In Nevada wurde nicht nur über den nächsten Präsidenten abgestimmt, sondern auch über eine Verfassungsänderung. Eine große Mehrheit, fast zwei Drittel, der Wähler*innen hat dafür gestimmt, eine Bestimmung aus der Verfassung zu streichen, nach der die Ehe nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden kann. Nevada wird damit zum ersten Bundesstaat der USA, in dem der Schutz der gleichgeschlechtlichen Ehe in die Verfassung aufgenommen wird. Der Oberste Gerichtshof hatte 2015 geurteilt, dass Verbote einzelner Bundesstaaten von Homo-Ehen verfassungswidrig sind. Bundesgesetze übertreffen in den USA die Gesetze der Bundesstaaten. Mit der Änderung der Staatsverfassung sind die gleichgeschlechtlichen Ehen in Nevada künftig auch dann geschützt, wenn der Supreme Court seine 2015 getroffene Entscheidung jemals rückgängig machen sollte. Angesichts der unter Trump geschaffenen rechtskonservativen Mehrheit am Obersten Gerichtshof, ist das ein wichtiger Schritt zum Schutz der Menschenrechte.
Mit Sarah McBride wurde die erste (offen) trans Person in den Senat gewählt. Die 30-Jährige setzte sich im Bundesstaat Delaware mit 86 Prozent der Stimmen gegen ihren republikanischen Konkurrenten Steve Washington durch. Die Demokratin sagte nach ihrem Sieg zu BuzzFeed News: „Ich weiß, welchen Unterschied es für mich als junge Person, die ihren Platz in der Welt sucht, gemacht hätte.“
Doch es gab nicht nur Grund zur Freude. Wer gedacht hat, die misogynen, rassistischen, behinderten-, queer- und transfeindlichen Ausfälligkeiten des US-Präsidenten, seine Lügen und Drohungen, hätten seine Wählerinnen abgeschreckt, hat sich getäuscht. Verschiedene Umfragen und Analysen von US-Medien lassen darauf schließen, dass mehr weiße Frauen für Donald Trump gestimmt haben als 2016. MSNBC schreibt: „Weiße Frauen, insbesondere solche ohne Hochschulabschluss, haben immer wieder gezeigt, dass sie einer der loyalsten Wahlblöcke für Republikaner sind (selbst wenn sie sagen, dass sie ihren Kandidaten ekelhaft und sexistisch finden).“
Die New York Times veröffentlicht (regelmäßig aktualisiert) die Ergebnisse von Wähler*innen-Befragungen. Demzufolge stimmten 55 Prozent der weißen Frauen in den USA für Donald Trump. 2016 waren es 52 Prozent. „Wenn wir ganz sicher eine Message aus dem Wahlverhalten weißer Frauen lesen können, dann ist es: Rassismus ist stärker als Feminismus – er spaltet und entzweit uns. Wenn wir also in Zukunft über weißen Feminismus reden, sollten wir das Wahlverhalten weißer Frauen in den USA im Hinterkopf behalten“, schreibt Sophia Edna für RosaMag. Eine wichtige Ergänzung zum weithin verbreiteten Jubel darüber, dass die Frauen Trump bei den Wahlen abgestraft hätten. 91 Prozent der Schwarzen Frauen stimmten für Joe Biden, bei den Latina waren es 70 Prozent. Hätten nur weiße Frauen wählen dürfen, müssten wir Trump auch weiterhin ertragen.
Donnerstag, 5. November
In Berlin hat ein 31-jähriger Mann seine dreijährige Tochter getötet. Die Berliner Zeitung berichtet, das Kind sei mit mehreren Stich- und Schnittverletzungen tot aufgefunden worden. Der Mann habe seine Frau, die Mutter des getöteten Kindes, immer wieder geschlagen, schreibt die Zeitung weiter. Als Motiv für die Tat vermutet die Berliner Zeitung, dass der Täter die Trennung seiner Frau „nicht verkraftet“ habe. Diese, schon in der Überschrift aufgestellte These, gibt der Frau eine gewisse Mitschuld an der Tötung ihrer Tochter und zeigt Verständnis für den Täter: Sie hat sich getrennt, Er hat es nicht „verkraftet“. Die beiden männlichen Autoren (einer von Ihnen der selbsternannte „Polizei-Reporter“, Andreas Kopietz, der nach der Räumung der Liebig34 die Begehung der Privatwohnungen live im Internet streamte) lassen es so aussehen, als sei die Tötung des gemeinsamen Kindes eine – in gewisser Hinsicht – nahvollziehbare Reaktion auf die Trennung. „Offenbar konnte er es nicht verkraften, dass sich seine Frau von ihm trennen wollte“, schreiben die Herren und für mich liest sich das wie: das ist die einzig logische Erklärung, warum ein Mann grausame Gewalt gegen eine 3-Jährige anwendet und sie anschließend verbluten lässt. „Nicht verkraftet“ klingt nach großem Schmerz, nach Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Dass es fast ausschließlich Männer in heterosexuellen Beziehungen sind, die nach einer Trennung die Ex-Partnerin und/oder gemeinsame Kinder töten, bleibt hier unerwähnt. Wenn Frauen das Ende einer Beziehung „nicht verkraften“ wenden sie selten tödliche Gewalt an. Femizide und häusliche Gewalt sind ein Problem toxischer Männlichkeit, doch diese Dimension wird fast immer ausgeblendet. „Für viele Männer ist es in Ordnung, ihrem Stress, ihrer Belastung und Wut durch Gewalt Luft zu machen – und zwar signifikant häufiger gegen Frauen und Kinder in den eigenen vier Wänden“, schrieb Birthe Berghöfer in einem Kommentar fürs ND im April und forderte: „um langfristig etwas verändern zu können, müssen herrschende Vorstellungen von Männlichkeit in den Blick genommen werden. Derzeit werden die nicht einmal benannt.“ Ich schließe mich an.
Ein anderer Fall von tödlicher männlicher Gewalt ereignete sich diese Woche am Dienstag in Paderborn. Dort hat ein 29-Jähriger gestanden, seine 20-jährige Ehefrau ermordet zu haben. Die dreifache Mutter wurde tot in einem Auto gefunden. Laut Obduktionsbericht ist sie nach mehreren Schnitt- und Stichverletzungen verblutet. Im Nachrichtenportal OWL 24 ist von einem „Streit“ die Rede, der der Tat vorangegangen sein soll.
Freitag, 6. November
Carola Ebeling hat in der taz eine Rezension von „Die verschwindende Hälfte“ („The vanishing half“), den neuen Roman von Brit Bennett, übersetzt von Isabel Bogdan und Robin Detje, veröffentlicht. Ich lese das Buch gerade und auch wenn ich noch nicht ganz durch bin, möchte es euch allen unbedingt empfehlen. „Bennetts Roman ist eine so vielschichtige wie mitreißende große Erzählung über Verlust, Trauma und Scham. Darüber, wie der Rassismus der Gesellschaft und auch andere falsche Ideen sich tief in die Individuen einschreiben. Aber Bennett erzählt auch viel über Verbindungen, Zusammenhalt und verschiedene Formen der Liebe“, schreibt Ebeling.
Samstag, 7. November
Es ist geschafft! Es ist offiziell! Trump ist abgewählt. Ausatmen, Spannung lösen. Erleichterung fühlen.
Kamala Harris ist zur ersten Vizepräsidentin der USA gewählt worden. Sie ist die erste Frau und die erste Woman of color im Amt. Damit hat sie Geschichte geschrieben und die Bedeutung ihres Wahlerfolgs zeigt sich in vielen kleinen und großen Reaktionen der Freude, die Social Media überfluteten. Kamala Harris, deren Mutter aus Indien und deren Vater aus Jamaica stammt, wurde mit 30 Jahren die erste Schwarze Bezirksstaatsanwältin von San Francisco und später die erste Schwarze Justizministerin von Kalifornien.
In ihrer Siegesrede sagte sie den vielzitierten Satz „while I’ll be the first woman in this office, I will not be the last.“ („Ich werde zwar die erste Frau in diesem Amt sein, aber nicht die letzte“).
In meiner linken Bubble ist Kamala Harris alles andere als die gefeierte Heldin des Feminismus. Die Kritik bezieht sich in erster Linie auf ihre frühere Selbstbezeichnung als „top cop“ und ihre Haltungen und Handlungen als Bezirksstaatsanwältin. Sie hatte sich mit der gestiegenen Zahl von Anklagen und Verurteilungen gerühmt und ihr wird vorgeworfen, Polizeigewalt nicht ausreichend habe untersuchen lassen. Auch ihre Haltung zu Sexarbeit wird kritisiert, sie gilt als Befürworterin des „nordischen Modells“. Viel Gegenwind bekommt sie zudem aus Teilen der queeren und trans Community, denn als Justizministerin verteidigte sie das Verbot von geschlechtsangleichenden medizinischen Behandlungen für trans Menschen im Gefängnis. Harris erklärte, später habe sie sich dafür eingesetzt, dieses Verbot abzuschaffen. Ein eindeutiges Bekenntnis zu umfassender Gesundheitsversorgung für trans Personen habe ich von ihr allerdings nicht gefunden.
Ich habe mich in den letzten Tagen viel mit den Vorwürfen gegen Kamala Harris beschäftigt und bin für mich zu dem Schluss gekommen, ihr eine Chance geben zu wollen. Sicher ist sie nach meinem Maßstab keine „Linke“, ebenso wenig wie Joe Biden einer ist. Aber sie ist eine Schwarze asiatisch-amerikanische Frau, die dazu beitragen kann, das Land wieder lebenswerter zu machen für alle, die in den letzten vier Jahren unter der Trump-Administration gelitten haben. Ich möchte sie an ihren Taten in Zukunft messen und nicht an ihren Fehlern in der Vergangenheit.
Sonntag, 8 November
Das nichts Gutes dabei herauskommen kann, wenn man einen der größten Chauvis der deutschen Medienlandschaft auf ein Interview über Brustkrebs ansetzt, hätte sich der SPIEGEL eigentlich selbst denken können. Aber vielleicht war es ja auch genau so gewollt. Das Paradebeispiel des weißen Boomer-Creeps, Hajo Schumacher, hat die ehemalige FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin interviewt. Dabei stellt er nicht nur völlig unangemessene Fragen, wie „Was hat der Brustkrebs mit Ihrem Gefühl von Weiblichkeit gemacht?“ und „Haben Sie während dieser Phase wirklich nie über Ihre Wirkung auf Männer nachgedacht?“, er behauptet auch rotzfrech, „dass sie als Mann nicht so fix an die Spitze der FDP marschiert wären“. Koch-Mehrins viel zu höflich formulierter Hinweis darauf, wie sexistisch seine Fragen sind, setzt Schumacher ein onkelhaftes „Nun ist aber gut“ entgegen. Es fehlt nur noch seine grabschende Hand auf ihrem Schenkel, um das Bild abzurunden.
Danke sehr! Viel gelernt, was unter dem Jubel über Trumps Abwahl untergegangen wäre. Ich stimme voll zu: geben wir der neuen Regierung die Chance für Veränderungen. Große Hoffnung habe ich nicht, bin aber für kleine Schritte zur Demokratisierung, im Kampf gegen Rassismus und für Klimaschutz dankbar.
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