In Polen, in Erftstadt, in Florida, auf Twitter: Überall hassen, diffamieren, töten Männer Frauen. Eine Ausnahme macht diese Woche ausgerechnet die NBA. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW31.
Montag, 27. Juli
Nach Informationen der Nachrichtenagentur PAP will Justizminister Zbigniew Ziobro, dass Polen die Istanbul-Konvention, also das europäische Abkommen zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen, aufkündigt. Ziobro, der eine nationalkonservative Abspaltung aus der, ohnehin sehr weit rechts stehenden, PiS-Partei gegründet hat, könne das Abkommen nicht akzeptieren, da dieses „ideologischer Natur“ und schädlich sei. In der Vergangenheit hatte er es bereits als „feministische Schöpfung zur Rechtfertigung der homosexuellen Ideologie“ bezeichnet.
Polen hatte die Istanbul-Konvention im Jahr 2015 ratifiziert und sich damit verpflichtet, gegen Diskriminierung einzutreten und jegliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen, inklusive der häuslichen Gewalt, als Verbrechen einzustufen.
In der Süddeutschen Zeitung nannte die österreichische EU-Abgeordnete Evelyn Regner (SPÖ), den Vorstoß eine „Schande“. Sie sei „fast aus den Schuhen gekippt“, als sie davon gehört hatte. „Häusliche Gewalt gegen Frauen ist die größte systematische Menschenrechtsverletzung weltweit. Für Frauen sind die eigenen vier Wände immer noch der gefährlichste Ort“, sagt Regner. Die Istanbul-Konvention zu verlassen, sei ein fatales Signal, jedoch offenbar politisch auch genau so gewünscht. Im Kern geht es um Macht.
„Wenn ein Mann Frauen nicht mehr schlagen darf, wird ihm Macht über ihren Körper entzogen, und die Konvention kann auch in bestimmten Ländern ein erster Schritt für die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen sein. Da gerät das bestehende Machtgefüge ins Wanken – in dem sich im Übrigen auch viele Frauen eingerichtet haben.“
Evelyn Regner, EU-Abgeordnete (SPÖ) in der Süddeutschen Zeitung
Die Pläne des Justizministers sollen auch innerhalb der polnischen Regierung umstritten sein, doch polnische Frauenrechtler*innen sind alarmiert. „Schon vor Jahren hat die Regierung die finanzielle Unterstützung für Organisationen gestrichen, die Opfern häuslicher Gewalt helfen“, sagt die Aktivistin Marta Lempart zum SPIEGEL. Sie und andere Feminist*innen organisieren den Protest gegen die autoritären, frauen- und queerfeindlichen Bestrebungen im Land.
Dienstag, 28. Juli
Die Vorsitzende des Journalistinnenbundes, Friederike Sittler, gab dem Deutschlandfunk anlässlich des Prozesses gegen Stephan B., den Attentäter von Halle, ein kurzes, aber hörenswertes Interview über den Frauenhass von Rechtsextremisten. Sie spricht über das Gefühl von Männern, „zu kurz gekommen zu sein“. Häufig spielt der Hass auf Frauen eine wichtige Rolle im Weltbild der rechtsextremen Täter (u.a. Christchurch, Toronto, Utoya, Hanau, Halle, NSU 2.0). Die krude These: Eine so genannte jüdische Geheimelite habe sich den Feminismus ausgedacht, um Frauen davon abzubringen, Kinder zu bekommen, um dadurch die weiße Rasse zu zerstören.
Friederike Sittler weist jedoch darauf hin, dass die heftigen Abwehrreaktionen auf weibliche Selbstbestimmung nicht nur in der extremen Rechten auftreten: „Wir erleben den Antifeminismus auch an vielen anderen Stellen. Je erfolgreicher Frauen sind, umso mehr scheint es eben auch eine Gegenbewegung noch mal wieder auszulösen.“
Die Amadeu Antonio Stiftung hat sich dem Thema Antifeminismus ein interessantes Dossier gewidmet.
Mittwoch, 29. Juli
Am Montag tötete ein 31-Jähriger aus Erftstadt (NRW) seine Ex-Freundin. Er soll die 28-Jährige dafür in seine Wohnung gelockt haben. „Das Motiv für die Tat wird vermutlich in der beendeten Beziehung zu suchen sein“, erklärte der zuständige Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer.
Am Dienstag hat in Florida ein Mann, der „Schnitzelkönig“ genannt wurde, seine Frau erschossen. Die BILD berichtet über das „tragische Unglück“, news.de nennt es ein „Ehedrama“. Dabei war es weder ein Unglück noch ein Ehedrama, es war Mord. Helmut erschoss seine Frau Annemarie, dann sich selbst. Medienberichten zufolge soll die Deutsche den Österreicher verlassen haben und wollte nach Deutschland zurückkehren.
Am Mittwoch erstach ein 60-Jähriger seine 55-Jährige Ehefrau in einem Krankenhaus in Heppenheim (Hessen). Der Täter sprang anschließend aus dem Fenster und starb. Zu den Hintergründen ist noch nichts bekannt.
Drei Tage, drei Femizide. Ich werde wohl keinen Wochenrückblick mehr zusammenstellen, der ohne Frauenmorde auskommt. Ich frage mich wirklich, wann wir begreifen, dass es sich nicht um eine Reihe „tragischer Einzelfälle“ handelt, sondern um ein kulturelles Problem. Denn erst dann können wir damit beginnen, Frauen angemessenen Schutz zu bieten, Partnerschaftsgewalt vorbeugen und Femizide verhindern. Der erste Schritt ist, Frauenmorde als ein Thema der Menschenrechte anzuerkennen und damit als gesellschaftlich relevant. Femizide sind keine „Privatsache“, keine „Beziehungs- Familien- oder „Ehedramen“.
Donnerstag, 30. Juli
Die NBA ist in die neue Saison gestartet. Das allein ist natürlich keine Meldung im feministischen Wochenrückblick wert. Ich nutze es nur als Aufhänger, um Doris Burke vorzustellen: Die ehemalige Collegespielerin ist Sportreporterin für den Sender ESPN und kommentiert und analysiert unter anderem NBA-Spiele. 2017 war sie die erste Frau, die auf nationaler Ebene regelmäßig NBA-Spiele kommentierte. Sie hat es seitdem nicht nur geschafft, sich im männlich dominierten US-Sportbusiness durchzusetzen, sie ist auch beim männlich dominierten Sportpublikum beliebt. Sehr beliebt.
Ich freue mich über den Support für Doris Burke, den die Fans reihenweise auf Twitter zeigten:
Wer einmal einen Blick in die Kommentarspalten des ZDF geworfen hat, wenn Claudia Neumann ein Fußballspiel kommentierte, weiß, warum ich das für eine berichtenswerte Meldung halte.
Die WNBA („Frauen-NBA“) ist übrigens bereits fünf Tage vorher gestartet und widmet die neue Saison Breonna Taylor und dem Black Lives Matter Movement. Starke Geste.
Freitag, 31. Juli
Connie Culps ist gestorben. 2004 hatte ihr Ehemann ihr mit einer Schrotflinte ins Gesicht geschossen, um sie zu töten. Sie überlebte und erhielt vier Jahre später in einer 22-stündigen Operation das Gesicht einer toten Spenderin. Sie war der erste Mensch weltweit, der eine so umfangreiche Gesichtstransplantation erhielt. Die Chirurg*innen hatten 80 Prozent ihres Gewebes ersetzt, neben Haut auch Muskeln, Nervenzellen, Blutgefäße, Zähne und Knochen. Zwölf Jahre lebte Connie Culps nach der OP weiter, am Freitag teilte das Krankenhaus in Cleveland, in dem sie damals operiert wurde, via Twitter mit, dass seine berühmteste Patientin verstorben sei.
Eine Todesursache wurde nicht genannt. Connie Culps wurde 57 Jahre alt. Der Mann, der vor 16 Jahren versuchte, sie zu töten, erhielt 2005 eine 7-Jährige Gefängnisstrafe.
Samstag, 1. August
Der Springerverlag beschäftigt bekanntermaßen eine große Anzahl niederträchtiger Autor*innen. Der mit Abstand niederträchtigste von allen ist aber vermutlich Rainer Meyer, Kolumnist für die „Welt“, der sich auf Twitter Don Alphonso nennt. Der rechte Troll, der vor einigen Jahren von der FAZ gefeuert wurde, reiht einen faschistoiden Hetz-Tweet an den nächsten und findet dabei großen Anklang in seiner teilweise rechtsextremen Follower*innenschaft. Regelmäßig wählt er Menschen aus, die er als links einordnet und wirft diese den (Internet-)Nazis zum Fraß vor. Sein jüngster Feldzug richtet sich gegen die österreichische Journalistin Natascha Strobl. Strobl hatte sich für das ARD-Magazin Panorama über den Bundeswehr-Leutnant geäußert, dessen Verbindungen zu Rechtsextremen für Aufsehen sorgten. Das reichte Meyer, um sie sowohl in seiner „Welt“-Kolumne als auch auf Twitter massiv anzugreifen. Seine Gefolgschaft ist sofort zur Stelle, beleidigt und bedroht Natascha Strobl und ihre Familie. Das alles im Ganzen wiederzugeben ist kaum möglich und auch einfach so ekelhaft. Wer da tiefer einsteigen möchte, kann das gern auf Twitter tun.
Dass Rainer Meyer eine Agenda hat, dass da nichts zufällig passiert oder „aus dem Ruder“ gelaufen ist, wird spätestens klar, wenn man weiß, dass das alles nicht zum ersten Mal geschieht. Im Interview mit der Frankfurter Rundschau sagt Strobl:
„Er hat ganz offensichtlich ein Problem mit Frauen, es sind immer wieder Frauen, die in seine Schusslinie kommen. Ein anderes Beispiel ist Sibel Schick. Und weitere Journalistinnen haben auch berichtet, dass sie im Ausnahmezustand waren, nachdem Don Alphonso sie in seinen Artikeln erwähnt hatte. Es zeigt sich einfach ein Muster. Ich bin da nicht die erste und werde nicht die letzte Frau sein, die er so angeht. Und das zweite ist, dass er ein sehr großes Problem mit eher links stehenden Menschen hat. Da geht es nicht um Meinungsaustausch, er will sie einfach persönlich zerstören. Das ist alles ganz offensichtlich durch persönliche Motivation getrieben, aber es ist auch ein Geschäftsmodell.“
Natascha Strobl über Rainer Meyer in der Frankfurter Rundschau
Meyers Geschäftsmodell ist auch das des Springer-Konzerns. Denn Hass bringt Klicks und die sind bares Geld wert. Springer sieht sich in keinerlei Verantwortung.
Sonntag, 2. August
Auch diese Woche habe ich das Bedürfnis, mit etwas Positiven abzuschließen. Ich empfehle das Interview mit Kristina Lunz, das der SPIEGEL am Sonntag veröffentlichte. Lunz ist Mitgründerin des „Centre for Feminist Foreign Policy“, also „Zentrum für feministische Außenpolitik“. Ich folge ihr schon seit geraumer Zeit auf Facebook, Twitter und Instagram und bin immer wieder sehr begeistert von ihren klugen Analysen. Auch im SPIEGEL-Interview sagt sie sehr viel Schlaues, wie u.a. das hier:
„Solange wir Menschen so stark unterdrücken, dass wir ihnen nicht einmal erlauben, über ihren eigenen Körper zu bestimmen, so lange werde diese Menschen keine volle Autonomie haben. Die ist aber die Grundvoraussetzung für politische Partizipation.“
Kristina Lunz im SPIEGEL