Bei den Überflutungen sind mehr als 100 Menschen gestorben, darunter 12 Bewohner*innen einer Behinderten-Einrichtung, Laschet wird als harmloser Trottel unterschätzt und Margarete Stokowski setzt ein Zeichen. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW28
Montag, 12. Juli
Im Nachgang des EM-Finales der Männer am Sonntagabend machten am Montag vor allem der entsetzliche Ausbruch des Rassismus Schlagzeilen. Nachdem drei Schwarze Spieler die Elfmeter für England nicht verwandeln konnten, wurden sie auf Social Media aufs übelste beschimpft, auf Twitter wurde dazu aufgerufen, Schwarze Menschen für den verpassten Titel „zu bestrafen“. Die vielen Fans in Deutschland, die sich schockiert über den Rassismus der Engländer*innen zeigten, haben wohl einfach nur vergessen, dass es nach dem EM-Aus der Deutschen Elf 2018 hierzulande ganz ähnlich abging. Wir anderen haben den rassistischen Shitstorm gegen Mesut Özil und die mangelnde Rückendeckung seiner Mannschaftskollegen allerdings nicht vergessen. Rassismus ist kein exklusiv englisches Problem.
Aber nicht nur der Rassismus entlud sich nach Abpfiff, auch die häusliche Gewalt steigt erfahrungsgemäß nach Fußballspielen sprunghaft an. Eine Studie der Lancaster University von 2013 untersuchte die Zahlen der häuslichen Gewalt während der Weltmeisterschaften 2002, 2006 und 2010. Das Ergebnis: Das Risiko für häusliche Gewalt stieg nach Siegen der englischen Nationalmannschaft um 26%, nach Niederlagen sogar um 38%.
Dienstag, 13. Juli
Margarete Stokowski hat in ihrer Kolumne für Spiegel Online über trans Rechte geschrieben und das allein ist schon toll, denn bisher fiel die Ikone der „dritten Welle des Feminismus“ nicht unbedingt mit transinklusiven Takes auf. Ihre Texte waren in der Regel rein binär gehalten. Doch wir lernen alle dazu und Margarete Stokowski hat mit ihrer Kolumne einen wichtigen Punkt gesetzt. Sie schreibt: „Menschen, die trans sind, werden gleichzeitig als vernachlässigbare Minderheit beschrieben, um die man nicht so ein Brimborium veranstalten sollte – und als bedrohlicher Trend, der mächtig um sich greift. Wie geht beides gleichzeitig? Wie der Ausländer, der faul ist und gleichzeitig Deutschen ihre Jobs wegnimmt. Konservative sind sich nicht ganz sicher: Gibt es jetzt so wenige trans Personen, dass man sie eigentlich auch ignorieren könnte, oder so viele, dass es einen richtigen Boom gibt?“ Margarete Stokowski geht damit auf die aktuelle Debatte ein, die u.a. von Radikalfeminist*innen befeuert wird, die behaupten, die „Trans-Lobby“ arbeite an der Auslöschung der Frau. Margarete Stokowski stellt sich im Text die Frage, auf die auch ich keine Antwort finde: „Es ist mir unverständlich, warum Leute manche Entwicklungen oder Forderungen so sehr als bedrohliche Einschränkung ihrer Freiheiten oder demokratischer Grundwerte sehen, obwohl man ihnen eigentlich nichts wegnehmen will.“
Mittwoch, 14. Juli
Keine Woche ohne Femizid. Auf der Reichenau (Kreis Konstanz) wurde am Mittwoch eine 49-jährige Frau vor ihrem Wohnhaus getötet. Tatverdächtig ist der 46-jährige Ex-Partner. Der Polizei zufolge fuhr der mutmaßliche Täter mit der Leiche auf dem Rücksitz über die Autobahn 81.
Donnerstag, 15. Juli
In der Nacht zu Donnerstag sind in Sinzig zwölf Menschen in einer Einrichtung der Lebenshilfe ertrunken. Die behinderten Bewohner*innen wurden nicht rechtzeitig aus dem Erdgeschoss evakuiert und ertranken in den hereinbrechenden Fluten. Die einzige Nachtwache war offenbar im Nachbarhaus und kam zu spät, um alle Menschen zu retten. Es macht mich fassungslos und wütend, dass die Menschen nicht rechtzeitig evakuiert wurden. Was hier passiert ist, ist kein „tragischer Einzelfall“, sondern ein Beleg der strukturellen Missstände. Warum war nur ein einziger Mitarbeiter vor Ort? Wieso wurden die Menschen nicht früher in Sicherheit gebracht? Inwieweit werden behinderte Menschen im Katastrophenschutz und in Evakuierungsplänen mitgedacht? Welche Konsequenzen werden nun gezogen? Feststeht: Behinderte Menschen haben häufig nicht die gleichen Chancen, sich selbst in Sicherheit zu bringen wie Menschen ohne körperliche oder geistige Behinderung. Hier liegt eine strukturelle Benachteiligung vor, auf die entsprechend reagiert werden muss, um behinderte Menschen zu schützen. Die verheerenden Überschwemmungen in Rheinland-Pfalz und Nordrheinwestfalen werden keine Ausnahmen bleiben. Extremwetterlagen werden sich, der Klimakrise sei Dank, häufen. Katastrophenschutz darf kein Privileg für wenige sein.
Freitag, 16. Juli
Nachdem der Europäische Gerichtshof am Donnerstag die Rechte der Arbeitgebenden gestärkt hat, die muslimischen Mitarbeiterinnen das Tragen eines Kopftuchs verbieten, erklärte die Islamwissenschaftlerin Yasemin El-Menouar in einem Interview mit der ZEIT, was das Urteil für die Teilnahme muslimischer Frauen am Arbeitsmarkt bedeutet. Sie sagt: „Muslimas werden schon heute auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Studien zeigen, dass Frauen mit Kopftuch sich viermal so häufig auf Jobs bewerben müssen als Frauen bei gleicher Qualifikation ohne Kopftuch – und das nur, um überhaupt zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Mit Kopftuch ist es also deutlich schwerer, überhaupt einen Arbeitsplatz zu finden.“ Sie glaubt nicht, dass das Urteil, in dem zwei konkrete Fälle verhandelt wurden, unmittelbare Auswirkung auf die Beschäftigung von Frauen mit Kopftuch haben wird, aber sie sieht darin „kein gutes Signal“, denn es könne „Anerkennung und Akzeptanz“ schwächen.
Samstag, 17. Juli
Armin Laschet wird, allen Prognosen nach, in weniger als drei Monaten deutscher Bundeskanzler sein. Egal was er tut oder sagt, es scheint eine unverrückbare Tatsache zu sein, dass die Deutschen ihn zum Nachfolger Angela Merkels wählen werden. Die CDU steht unangefochten an der Spitze der Umfragewerte. Armin Laschet scheint sich seiner Wahl so sicher zu sein, dass es nicht für nötig hielt, wenigstens eine betroffene Miene (oder eine Maske!) aufzusetzen, während Bundespräsident Steinmeier zu den Opfern der Überflutungen in Erftstadt (NRW) sprach.
Man mag sich gar nicht ausmalen, was los wäre, wenn die feixende Person im Hintergrund nicht Laschet, sondern Annalena Baerbock wäre. Während der grünen Kandidatin buchstäblich jede noch so kleine Fußnote vorgeworfen wird, kommt Laschet offenbar mit allem durch. Wenn er nicht gerade wie ein alberner Viertklässler wirkt, erscheint er meistens wie so ein trotteliger Onkel. Aber auch wenn seine Außendarstellung die eines harmlosen Tollpatsches ist, Laschet ist gefährlich. Er ist stramm konservativ, sein engster Berater ist ein fundamentaler Katholik, Abtreibungsgegner und queerfeindlich. Richtig niederschmetternd finde ich aber den Gedanken daran, dass die Grünen sich zwar über Laschets Verhalten empören, nach der Wahl aber doch bereit sein werden, eine Koalition mit der CDU einzugehen.
Sonntag, 18. Juli
Angela Merkel hat während einer Pressekonferenz mit Malu Dreyer eine Journalistin der BILD zurechtgewiesen and I think that’s beautiful: