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In Gedenken an Jina Mahsa Amini.

Weidel, Wegner, WTF

Die AfD ist auf dem Vormarsch, Berlins Regierender verbreitete Fake News, radikale Christ*innen demonstrieren gegen Abtreibung und eine transfeindliche Broschüre landet auf dem Index. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW37

Montag, 11. September

Alice Weidel hat das Sommerinterview der AfD, äh ARD, viel Raum für ihre rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Positionen bekommen. U.a. machte sie klar, dass der 8. Mai für sie kein Tag der Befreiung ist, im Gegenteil. Sie erklärte, sie habe sich „entschieden (…) aus politischen Gründen daran nicht teilzunehmen“. Gemeint ist eine Gedenkfeier zum Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland. Weidel führt aus: „Also hier die Niederlage des eigenen Landes zu befeiern, mit einer ehemaligen Besatzungsmacht, das ist etwas, wo ich für mich persönlich entschieden habe (…) daran nicht teilzunehmen.“ Ein weiterer viel diskutierter Ausspruch Weidels war ihre Erklärung zu ihrer Sexualität. Im zum ARD-Sommerinterview gehörenden Format „Frag Selbst“ sagte sie: „Ich bin nicht queer, sondern ich bin mit einer Frau verheiratet, die ich seit 20 Jahren kenne.“ Die Aussage ging viral und zahlreiche Menschen überzogen sie mit Spott. Dabei ist daran nichts falsch. Natürlich ist Alice Weidel nicht queer. Nicht alle Menschen, die nicht hetero sind, sind deshalb queer. Leider wurde der Begriff in der öffentlichen Debatte so stark verwässert, dass er inzwischen häufig als Gegenteil von „straight“ (hetero) verwendet wird. Dabei bedeutet er so viel mehr. Queer ist in erster Linie eine Selbstbezeichnung. Ursprünglich war es eine Beleidigung und wurde sich von queeren Menschen angeeignet. Aber Queerness geht über die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität hinaus. Queer sein bedeutet, die herrschende cis- und heteronormative Ordnung aktiv herauszufordern. Queerness ist politisch und progressiv. Queerness bedeutet, die „heterosexuelle Matrix“ (hier sehr gut, kurz und knapp erklärt), wie Judith Butler sie definierte, in Frage zu stellen. Deutlicher wird das, wenn wir die Queer Studies (bzw. auch Queer Theory) betrachten. Queer Studies kamen in den 1980ern in den USA als eigenes Forschungsfeld auf und beschäftigten sich mit der kritischen Untersuchung von Gender, geschlechtlicher Identität, Sexualität und Begehren. Zentral war zudem immer der intersektionale Blick auf gesellschaftliche Machtverhältnisse, Rassismus, Klassismus, Ableismus usw. Also nein, natürlich ist Alice Weidel nicht queer. Auch transfeindliche Magazine wie „Schwulissimo“ sind nicht queer, genauso wenig Jens Spahn oder die „LBG Alliance“, die aktiv trans und queere Personen ausschließt und diskriminiert.

Dienstag, 12. September

Kai Wegner ist nichts anderes als ein rassistischer Rechtspopulist. Das ist natürlich nichts neues und wer hier schon ein bisschen länger mitliest, kennt meine Position zu Berlins Regierendem Bürgermeister, der in einem früheren Wahlkampf Plakate mit dem Slogan „Kai Wegner – Dynamisch. Demokratisch. Deutsch“ nutzte, anlässlich der „Silvesterdebatte“ forderte, die Vornamen der Tatverdächtigen offenzulegen, um zu schauen, ob diese denn deutsch genug seien. Der Mann, der als Vorsitzender der Jungen Union eine Veranstaltung mit Österreichischen Nazi Jörg Haider besuchte, die Seenotrettung Geflüchteter als „Schlepperhelfer“ und „Taxidienste“ bezeichnete und bis kurz vor seinem Amtsantritt noch Admin einer rechtsradikalen Facebookgruppe war. In einem Interview mit dem Tagesspiegel hat Wegner jetzt gesagt, er wolle „nicht länger ertragen“, dass im Görlitzer Park „14-jährige Mädchen von Drogendealern abhängig gemacht und in die Prostitution getrieben werden“. WTF? Auch Polizei und Staatsanwaltschaft waren überrascht (hust) von Wegners Behauptungen. Wie der Tagesspiegel am Dienstag klarstellte, können die Aussagen nicht nur nicht bestätigt werden, eine Polizeisprecherin widersprach sogar explizit: „Es liegen beim zuständigen Fachkommissariat des Landeskriminalamtes Berlin keine entsprechenden Erkenntnisse vor“. Eindeutig Fake News, die der Regierende Bürgermeister verbreitet und wie wir leider wissen, spielt es im Bewusstsein vieler Menschen kaum eine Rolle, wenn diese später widerlegt werden. Der Schaden ist entstanden, die rassistisch motivierte Lüge ist in der Welt.

Mittwoch, 13. September

Eva Engelken ist so eine Art Star in der deutschen TERF-Szene. Die Grünenpolitikerin hat das Buch „Trans*innen Nein Danke“ geschrieben, in dem nicht nur haufenweise transfeindlicher Hass verbreitet wird, sondern auch „zwei Studien, wo die Zahlen komplett falsch zitiert sind“ (rbb Kontraste) instrumentalisiert werden, um diesen Hass zu schüren. Eva Engelken ist Grünen-Mitglied und am Mittwoch in den Stadtrat von Mönchengladbach nachgerückt. Etwa 50 Menschen protestierten vor Ort dagegen. Weil sich ihre Partei von Engelken distanziert hat und die Zusammenarbeit ausschließt, ist sie im Rat und in der Bezirksvertretung fraktionslos. Eva Engelken macht aber nicht nur Lokalpolitik. Als Vorsitzende des Vereins „Frauenheldinnen“ lobbyiert sie auch auf Bundesebene gegen die geschlechtliche Selbstbestimmung. In der kommenden Woche findet im Haus der Bundespressekonferenz ein von „Frauenheldinnen“ organisierter „Fachtag“ statt, zu dem unter der Überschrift „Braucht Deutschland ein Selbstbestimmungsgesetz? Hintergrund und Folgenabschätzung zum SBGG“ ausschließlich Bundestagsabgeordnete geladen sind. Moderiert wird die Veranstaltung von EMMA-Autorin Chantal Louis, die gemeinsam mit Alice Schwarzer das transfeindliche Buch „Transsexualität – Was ist eine Frau? Was ist ein Mann?“ herausgegeben hat und in verschiedenen Artikeln Verschwörungsnarrative über eine angeblich mächtige „Trans-Lobby“ verbreitet. Als Expert*innen sind u.a. Alexander Korte, der als Kinderarzt seit Jahren aktiv Lobbyarbeit gegen die geschlechtliche Selbstbestimmung macht, trans Kindern und Jugendlichen Pubertätsblocker verwehrt und gemeinsam mit anderen Schwurbler*innen einen Gastartikel in der „Welt“ veröffentlichte, in dem davor gewarnt wird, dass die Sendung mit der Maus Kinder trans machen wolle. Referent ist außerdem David Allison, der vor knapp zwei Jahren in die Schlagzeilen kam, als er im Kreisverband der Grünen in Reutlingen für einen Listenplatz der Frauen kandidierte. David Allison, ein damals 60 Jahre alter cis Mann, erklärte er „definiere“ sich „als Frau“. Mit dieser transfeindlichen Aktion schaffte er es in die Medien von „Bild“ bis „Junge Freiheit“. Den Artikel in der „EMMA“, die diese Aktion natürlich feierte, schrieb übrigens Chantal Louis. Der Übersetzer Allison spricht beim Fachtag auf dem Panel im Bereich „Medizinische Fragen rund um das SBGG“. Als Expertin im Bereich „Frauenrechte und das SBGG“ wird die Professorin im Ruhestand Monika Bartz geführt. Die evangelische Lesben-Aktivistin, die Kampagnen gegen Sexarbeit initiierte hat bereits eine (in der „EMMA“ veröffentlichte) Stellungnahme gegen das Selbstbestimmungsgesetz verfasst. Darin behauptet sie „Das Geschlecht eines Menschen ist ein biologisches Faktum. Es gibt Männer und Frauen, ein Geschlechtswechsel ist nicht möglich“ sowie „Das SBGG missachtet das Recht von Frauen, insbesondere Lesben, sich unter Ausschluss von Männern politisch zu versammeln und zu organisieren“. Neben Monika Bartz sind weitere Aktivistinnen der der deutschen TERF- und SWERF-Szene geladen.  Manuela Schon, die für den radikalfeministischen Blog „Die Störenfriedas“ schreibt und das „Netzwerk Abolition – Für eine Welt ohne Prostitution“ mitgegründet hat, sowie Stephanie Adam, eine Physiotherapeutin, die nicht nur im Kernteam von „Frauenheldinnen“ ist, sondern auch auf Veranstaltungen der TERF-Initiative „Lasst Frauen Sprechen“ transfeindliche Reden hält und in der verschwörungsideologischen „Dokumentation“ mit dem Titel „Trans ist Trend“ des rechtspopulistischen Senders „NIUS“ auftrat. Schließlich wird noch die Tischlerin Monne Kühn als Referentin auftreten. Die gut vernetzte TERF war Mitorganisatorin der „Fachtagung Frauenrechte“ im November 2022 und unterzeichnete stellvertretend für deren Teilnehmende den Offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten (Achtung Link geht zu TERF-Seite), in dem sie fordern, das geplante Selbstbestimmungsgesetz abzulehnen. Sie sind sich über ihre eigene Intoleranz und Respektlosigkeit voll bewusst und schreiben dazu: „Kein Parlament der Welt kann das biologische Geschlecht mit einer Abstimmung abschaffen. Toleranz lässt sich nicht mit einem Bußgeld erzwingen. Verständnis und Respekt können Sie nicht staatlich anordnen.“ Weitere Unterzeichnerinnen sind u.a.: Monika Bartz, Manuela Schon, Rona Duwe, Luise F. Pusch und Eva Engelken.

Donnerstag, 14. September

Apropos SWERF. Diese hatten am Donnerstag einen Grund zu Feiern. Ausgerechnet am International Sexworker Pride Day stimmte das Europarlament für die Einführung des sogenannten „Nordischen Modells“ und damit dem defacto Verbot von Sexarbeit. Zwar betonen die Befürworter*innen des „Sexkauf-Verbots“, es würden ja lediglich die Kund*innen und nicht die Sexarbeiter*innen bestraft, in der Praxis ist das aber schlicht falsch. In der Realität führt das Modell dazu, dass der Arbeit nicht mehr oder weniger sicher nachgegangen werden kann. Prekarisierung und der Rückzug in die Illegalität sind die Folge – alles andere als eine Verbesserung der Situation. Auch wird nicht nur der Kauf sexueller Dienstleistungen verboten, auch das Vermieten von Räumen für Sexarbeit wird unter Strafe gestellt. Im Bericht des Europarats heißt es ganz richtig, dass Sexarbeiter*innen marginalisiert und kriminalisiert werden und deshalb häufig keinen Zugang zum Rechts-, Gesundheits- und Sozialversicherungssystem haben. Doch die Schlussfolgerung, die daraus gezogen wird, nämlich Sexarbeit zu kriminalisieren führt nicht dazu, dass diese Zugänge gewährt werden, im Gegenteil. Monika Vana von den österreichischen Grünen erklärte nach der Abstimmung: „Das Europaparlament hat erneut – wie 2014 – die Chance verpasst, sich für die vollständige Entkriminalisierung von Sexarbeit auszusprechen (…) Zur Beendigung von Armut und Abhängigkeit braucht es eine Sozialunion, wie ein europaweites Mindesteinkommen, guten Zugang zu kommunalen Dienstleistungen und Wohnen sowie existenzsichernde Arbeitsplätze“. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte positioniert sich klar gegen das „Nordische Modell“. In einer Stellungnahme von 2019 heißt es: „Gewalt und Ausbeutung in der Prostitution ist auch ein Ausdruck von ungleichen Machtverhältnissen aufgrund von Geschlecht und Ethnizität in der Gesellschaft. Auch ist Prostitution in der Form, wie sie praktiziert wird, allein aufgrund der Stigmatisierung der Menschen, die in dem Bereich tätig sind, kein Beruf wie jeder andere. Und es ist es schwer, nicht an ein Verbot zu denken, wenn sich Frauen aus Armutsgründen oder Alternativlosigkeit prostituieren, wenn junge Mädchen unter Vorspiegelung einer Liebesbeziehung auf den Strich geschickt werden. Trotzdem, ein wie auch immer gestaltetes Verbot kann zwar das Zeichen setzen, dass eine Gesellschaft dies missbilligt. Es wird aber symbolisch bleiben und die Bedingungen, die Frauen vulnerabel machen für Ausbeutung und Gewalt in der Prostitution (Diskriminierung, Armut, Krankheit, Abhängigkeiten, Drogengebrauch etc.), nicht ändern.“

Auch am Donnerstag

Eine Koalition von CDU und AfD ist seit Donnerstag wieder ein Stückchen wahrscheinlicher geworden. Im Thüringer Landtag brachte die CDU die Senkung der Grunderwerbssteuer mit den Stimmen der „vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestufte[n] AfD“ durch. Alice Weidel twitterte „Merz‘ Brandmauer ist Geschichte – und Thüringen erst der Anfang“ und auch Tino Chrupalla triumphierte: „CDU und AfD haben in Thüringen die Brandmauer eingerissen“. Und leider gebe ich beiden recht. Nur glaube ich nicht, dass das der Anfang ist. Wir sind schon mittendrin in der Normalisierung einer faschistischen Partei, die in Brandenburg knapp jede*r Dritte wählen will. Auch in Mecklenburg-Vorpommern (29%) und Thüringen (32%) ist die AfD derzeit stärkste Kraft bei den Wähler*innen, genauso in Sachsen (hier erreichte sie vor zwei Wochen 33,4% der Stimmen). In den ostdeutschen Ländern ist die AfD einzig in Sachsen-Anhalt derzeit noch auf Platz 2. Hier liegt sie mit 29% der Stimmen knapp hinter der CDU (31%), aber mich würde es nicht wundern, wenn es sich inzwischen gedreht hätte, die Umfrage in Sachsen-Anhalt ist nämlich schon fast drei Monate alt. Auf Bundesebene liegt die AfD mit 21,6% noch hinter der CDU (26,9%). Der Autor und Publizist Max Czollek kommentierte das auf Twitter so: „Hat ja echt super geklappt mit der Normalisierung von Heimat & Nationalismus, der Ideologie bürgerlicher Mitte, dem Stolz auf die Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Richtig gut gemacht, Deutschland!“ Und während Bürgi-Journalist*innen noch rätseln, warum so viele Menschen ihre Stimme dem Faschismus geben wollen, bin ich längst sicher, dass die Leute die AfD weder aus Frust noch aus Protest, sondern schlicht aus Überzeugung wählen. Sie finden die AfD nicht trotz deren Rassismus, Antifeminismus, Queerfeindlichkeit, Klassismus, Antisemitismus und Autoritarismus gut, sondern genau deswegen. Die jämmerlichen Versuche, den „besorgten“ Bürger*innen mit immer menschenfeindlicheren Positionen entgegenzukommen, um diese „abzuholen“, waren grundfalsch und ein Versagen von Politik und Medien. Ein klipp und klares Abgrenzen, ein „bis hierhin und nicht weiter“, ein entschiedenes Entgegentreten bei faschistischen Vorstößen und rassistischen Ideen – das ist das Einzige, was eine Gesellschaft vor einem Kippen nach rechts beschützen kann. Doch die deutsche Gesellschaft fährt seit Jahren einen grundlegend anderen Kurs. „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“ hat Menschenfeindlichkeit als „Meinung“ salonfähig gemacht, Gesprächsrunden mit Nazis haben diese normalisiert und die Verharmlosung rassistischer (z.B. Hanau), antisemitischer (z.B. Halle) und transfeindlicher (z.B. Münster) Gewalt haben die Bedrohung durch rechtes und antifeministisches Gedankengut kleingeredet, während medial eine vermeintliche „Gefahr von links“ heraufbeschworen wurde (z.B. beim Prozess gegen Lina E. und im Falle der angeblichen „Klima-RAF). Gleichzeitig werden der Bundeszentrale für politische Bildung massiv die Gelder gekürzt, während Rechtsextremist*innen (ganz legal) Waffen horten. Max Czollek dazu auf Twitter: „Wisst ihr noch, als viele 2017 nach dem Einzug einer völkischen Partei in den Bundestag meinten: das ist ja krass, jetzt wird bestimmt was passieren! Well, ich habe diesen Glauben verloren. Da passiert gar nichts. Das wird seitdem einfach immer schlimmer.“

Freitag, 15. September

Die Autorin und notorische Transfeindin Rona Duwe hatte im April zusammen mit der Psychotherapeutin und SWERF-Aktivistin Stefanie Bode die Broschüre „Wegweiser aus dem Transgenderkult“ herausgegeben, die in TERF-Kreisen weit verbreitet wurde. Jetzt wurde das Hass-Pamphlet von der Bundesprüfstelle als jugendgefährdend indiziert, wie queer.de am Freitag berichtete. Trotzdem war es am heutigen Sonntag noch über die Webseite der „Frauenheldinnen“ ohne Altersprüfung abrufbar. „Die Prüfstelle sieht in der Broschüre eine diskriminierende Wirkung zulasten minderjähriger trans* Personen. Die Tatsache, dass Transsexualität Bestandteil einer Persönlichkeit sein kann, wird nach Auffassung des Gremiums negiert. Die diskriminierenden Grundannahmen der Broschüre können geeignet sein, den sozialen Achtungsanspruch trans* Jugendlicher zu mindern und diskriminierendes Verhalten Dritter hervorzurufen“, zitiert queer.de Hanno Schäfer, Leiter des Pressereferats des Ministeriums. Duwe und Bode raten in der Broschüre Eltern von trans Kindern u.a. ihre Kinder zu misgendern, ihnen nicht zu glauben, ihnen den Zugang zum Internet zu verwehren und das Kind nicht „unbeaufsichtigt [zu lassen] mit Menschen, die dich unterminieren“. Dieser „Ratgeber“ ist ein 1×1 des Missbrauchs und der psychischen Gewalt gegen Kinder. Er ist voller Falschbehauptungen, Verschwörungserzählungen und transfeindlicher Schauermärchen. Die Indizierung als jugendgefährdendes Medium ist absolut folgerichtig. Doch wenig überraschend sehen Duwe, Bode und ihre Mitstreiter*innen das anders und „planen eine einstweilige Verfügung sowie eine Hauptklage beim Verwaltungsgericht“ (aus der Pressemitteilung von Rona Duwe und Stefanie Bode, die über Duwes Substack abrufbar ist). Dafür sammelt der Verein „Frauenheldinnen“ nun Spenden. Vertreten werden die Herausgeberinnen von Jonas Jacob, dem katholischen Anwalt, der u.a. auch den Verein Sisters und die Zeitschrift EMMA rechtlich vertritt. Jacob ist übrigens auch einer der Redner bei dem, von den „Frauenheldinnen“ organisierten, „Fachtag“ zum Selbstbestimmungsgesetz.

Samstag, 16. September

Zeitgleich in Berlin und Köln gingen am Samstag radikale Christ*innen und Rechtsextremist*innen gegen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung auf die Straße. Beim „Marsch für das Leben“, organisiert vom „Bundesverband Lebensrecht“, unterstützt u.a. von der Deutschen Bischofskonferenz und beworben von der CDU, demonstrieren ultrakonservative Fundamentalist*innen wie jedes Jahr in der Hauptstadt und erstmals auch in Köln. Doch zum Glück kommen auch immer zahlreiche Gegendemonstrant*innen zusammen. In Köln gelang es den Protestierenden, den Marsch zu stoppen und die Straßen zu blockieren. Die Polizei ging dagegen mit roher Gewalt vor. Das ZDF berichtet von Schlägen und Tritten gegen die Demonstrant*innen. Die Polizist*innen versuchten ein Banner zu entreißen und schlugen den Protestierenden mit Schlagstöcken auf die Hände. In Berlin marschierten rund 1.900 Personen „für das Leben“, darunter Berlins Erzbischof Heiner Koch, einige AfD-Prominenz wie Martin Kohler (Vorsitzender der Jungen Alternative Berlin), Martin Hohmann (früher CDU, seit 2016 AfD) und Robert Eschricht (AfD Berlin). Außerdem dabei: Hedwig von Beverfoerde, Mitorganisatorin der extrem queerfeindlichen „Demo für alle“, die als eine der einflussreichsten neurechten Antifeminist*innen gilt. Den lauten Gegenprotest hatte auch dieses Jahr wieder das What-the-fuck-Bündnis organisiert. Dessen Pressesprecher*in zog folgendes Fazit: „Unter dem Banner des Lebensschutzes versammelte sich auch dieses Jahr wieder die ganze Bandbreite des rechten queer- und feminismusfeindlichen Milieus. Die Bedeutung des MfdL nimmt dabei stetig ab, wie an dem erneut geschrumpften Zulauf abzulesen ist. Aufgefallen sind indes wieder die vielen extrem-rechten Inhalte. Unser Fazit ist: Weniger Beteiligung, mehr Rechte. Der Versuch sich einen bürgerliches Image zu geben kann als gescheitert betrachtet werden. Unsere Proteste waren laut und bunt! Wir haben mal wieder gezeigt, dass wir mehr sind und für unsere Rechte und eine queere und feministische Gesellschaft kämpfen!“

Auch am Samstag

Der 16. September ist der Todestag von Jina Mahsa Amini. Die Kurdin wurde vor einem Jahr von Polizisten im Iran totgeschlagen, weil sie angeblichen gegen das staatliche Hidschāb-Gesetz verstoßen hatte. „Und so begann der Protest am 17. September auf Jina Mahsa Aminis Beerdigung im kurdischen Saqqez, ihrer Heimatstadt. Im Trauerzug nahmen die Frauen alle ihre Kopftücher ab, schwenkten sie in der Luft und riefen: ‚Jin, Jiyan, Azadî!‘ – ‚Frau, Leben, Freiheit!‘ Ein kurdischer Schlachtruf, mit dem Kurd*innen in den Kampf gegen den Islamischen Staat zogen. Feminismus als Waffe gegen Extremismus. Der feministische Protest im Iran war geboren“, schreibt Gilda Sahebi anlässlich des ersten Todestags in der taz. Den ganzen, sehr lesenswerten Artikel findet ihr hier.

Sonntag, 17. September

Zum Abschluss habe ich noch die Femizide der Woche für euch: Im Landkreis Stade tötete am Mittwoch ein 43-Jähriger mutmaßlich ein seine 47 Jahre alte Ehefrau. Laut Polizei wies ihr Körper „mehrere Stichwunden auf“. Die Frau soll von dem Mann getrennt gelebt haben und sei in die Wohnung gekommen, um ihre Sachen zu holen. Daraufhin habe der stark alkoholisierte Mann sie angegriffen und getötet. Bereits am vergangenen Sonntagabend tötete ein 43-Jähriger in Dortmund seine 39-jährige Ehefrau mit einem Messer. Als die 20 Jahre alte Tochter die Leiche der Mutter entdeckte, ging der Täter auch auf sie los. Die Frau konnte sich zu Nachbar*innen retten. Ebenfalls am letzten Sonntag erstach ein 42-Jähriger eine 17-Jährige im niedersächsischen Barenburg. Die Schülerin soll mit Inlineskates unterwegs gewesen sein, als der Täter sie angriff. Der Mann wurde am Mittwoch festgenommen, nachdem er am Dienstag vor einem Fast-Food-Restaurant in Sulingen eine 30-Jährige mit einem Messer schwer verletzt hatte.

Das wars für heute, ich danke euch wie immer fürs Lesen. Wer kann und will: via PayPal gibt es die Möglichkeit, ein Trinkgeld dazulassen. Oder du wirst heute Fördermitglied auf Steady und hilfst mir dabei, meine Arbeit dauerhaft zu finanzieren.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Frieda

    Danke, danke, danke, liebe Ulla für all die Arbeit, die Du immer in Newsletter und Wochenrückblick fließen lässt! Auch wenn‘s fast nur furchtbare News sind, man muss dem ja ins Auge schauen und sich auflehnen. Manchmal könnte ich nur noch schreien.

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