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Marcus Buschmüller ist gestorben.

Forever linksextrem

Ein queerfeindlicher Pfarrer wird freigesprochen, Psychotherapeut*innen treten für trans Rechte ein und Marcus Buschmüller ist gestorben. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW20

Montag, 16. Mai

Nachdem der letzte Wochenrückblick krankheitsbedingt ausfallen musste, nutze ich den Montag, um die Femizide aus der vorangegangenen Woche nachzuliefern. Am Donnerstag (12. Mai) hat in Eberdingen bei Ludwigsburg offenbar ein 35-jähriger Mann seine 33-jährige Ehefrau und die sechs Jahre alte Tochter getötet und den vierjährigen Sohn lebensgefährlich verletzt, bevor er sich selbst das Leben nahm. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Heilbronn sprach davon, dass sich die Frau möglicherweise von dem Mann hatte trennen wollen. Am Tag darauf gab es einen weiteren Femizid in Lage (Kreis Lippe, NRW). Dort wurde am Freitag (13. Mai) eine 26-jährige Frau tot in ihrer Wohnung gefunden. Ersten Ermittlungen zufolge wurde die Frau mit einem unbekannten Gegenstand stranguliert. Tatverdächtig ist der Ex-Freund der Getöteten, der sich inzwischen in U-Haft befindet. Am frühen Samstagmorgen (14. Mai) wurde in einem Wald bei Hamburg die Leiche einer 35-Jährigen gefunden. Die Frau war Sexarbeiterin und wurde mutmaßlich von einem 31 Jahre alten Mann ermordet, der die Tat, Polizeiangaben zufolge seiner Lebensgefährtin gestanden haben soll.

Dienstag, 17. Mai

Nachdem am Samstag ein weißer 18-Jähriger zehn überwiegend Schwarze Menschen in der US-Stadt Buffalo erschossen hatte, nannte Joe Biden die Tat „rassistischen Terrorismus“. Der Täter hatte ein rechtsextremes Manifest ins Internet gestellt. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass der US-Präsident das Attentat so deutlich einordnet. Hierzulande sind Politiker*innen und Medien überwiegend beschwichtigend unterwegs und scheuen sich rassistische Gewalt auch so zu benennen. Nachdem vergangene Woche ein geplanter Bombenanschlag eines 16-jährigen Neonazis auf eine Schule in Essen vereitelt werden konnte, sprach NRW-Innenminister Herbert Reul von einem Hilferuf eines „verzweifelten jungen Mannes“. Für die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl sind die jüngsten rechtsterroristischen Anschläge „keine beliebig aneinander gereihten Ereignisse, sondern Ausdruck einer global erstarkenden und transnational vernetzten Szene“. Der Mythos des psychisch kranken Einzeltäters sorgt dabei nicht nur für die Verharmlosung einer gut vernetzten Szene mit geschlossen rassistischem und antisemitischen Weltbild, sondern trägt zusätzlich noch zur weiteren Stigmatisierung psychisch kranker Menschen bei. So wird das Narrativ genährt, Menschen mit psychischen Erkrankungen seien „gefährlich“, dabei sind sie in erster Linie gefährdet und sehr viel häufiger Betroffene von Gewalt als Ausübende.

Auch am Dienstag

Der 17. Mai ist Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT). Der Aktionstag geht zurück auf die Initiative des Schwarzen Autors Louis-Georges Tin (geboren 1974 auf Martinique) und wurde erstmals 2005 begangen. Das Datum wurde wegen des 17. Mai 1990 gewählt, der Tag an dem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) entschied, Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel für Krankheiten zu streichen. (Die sogenannte „Transsexualität“ ist erst seit 2018 von der Liste der Krankheiten gestrichen.)

Mittwoch, 18. Mai

Der 18. Mai ist der Gedenktag des Genozids an den Eelam-Tamil*innen. Der 18. Mai 2009 markiert den Höhepunkt der singhalesischen Militäroffensive gegen den tamilischen Norden Sri Lankas. Der Präsident Sri Lankas hatte an diesem Tag die „Liberation Tiger of Tamil Eelam“ (LTTE) für „vollständig besiegt“ erklärt, nachdem bis zu 70.000 Eelam-Tamil*innen getötet wurden. 146.000 Menschen gelten bis heute als vermisst. Der 18. Mai 2009 bedeutete aber auch den Beginn der Gefangenschaft hunderttausender Überlebender des Krieges und des Genozids. Nahezu jede tamilische Familie in Deutschland hat Angehörige, die im Krieg getötet wurden, in Gefangenschaft sind oder als verschollen gelten. Nach mehreren Jahrzehnten Bürgerkrieg zwischen der LTTE und dem sri-lankischen Regime, war es gelungen einen dauerhaften Waffenstillstand auszuhandeln. Die Tamil*innen im Norden der Insel hatten begonnen einen eigenen, sozialistischen Staat „Tamil Eelam“ zu gründen, bauten ein Gesundheits- und Bildungssystem auf, bekämpften die Armut und das Kastenwesen und setzten sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Alphabetisierung der Bevölkerung ein. Doch dann kam der 18. Mai 2009. Vor den Augen der Welt schlug die sri-lankische Regierung die Befreiungsbewegung der Eelam-Tamil*innen nieder. Die seit Jahrzehnten andauernde Unterdrückung und Auslöschung des Volkes erreichte ihren Höhepunkt. „Die ganze Welt sah zu, wie in einer kleinen weit entfernten Insel ein ganzes Volk sang- und klanglos ausgelöscht wurde”, sagte eine Aktivistin beim Gedenken in Berlin-Neukölln. Die in der Diaspora lebenden Eelam-Tamil*innen fordern die Anerkennung des Genozids und eine unabhängige internationale Untersuchungskommission, die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen und das Recht auf Selbstbestimmung der eelam-tamilischen Bevölkerung.

Donnerstag, 19. Mai

Der Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) hat eine Resolution unter dem Titel „Abbau von struktureller Diskriminierung gegenüber trans Menschen“ veröffentlicht, in der das geplante Selbstbestimmungsgesetz begrüßt wird. Der DPT spricht sich in der Erklärung dafür aus, „dass künftig auch die Änderung des Geschlechtseintrags bei Transidentität über eine Erklärung gegenüber dem Standesamt und nicht länger über ein Gerichtsverfahren mit zwei Gutachten geregelt wird.“ In der Resolution wird auf das „Recht auf Selbstbestimmung der individuellen Identität und auf deren äußere Darstellung“ verwiesen und gefordert, „den Geschlechtseintrag im Wesentlichen nur vom Geschlechtsempfinden der antragstellenden Person abhängig zu machen“. Dieses klare Bekenntnis der Bundes Psychotherapeuten Kammer und deren Mitglieder ist ein wichtiges Signal in einer Zeit, in der massiv Stimmung gegen die Rechte von trans Personen gemacht wird. Leider wurde die Resolution von den Leitmedien komplett ignoriert. Lediglich das Portal queer.de berichtete am Donnerstag darüber.

Auch am Donnerstag

Marcus Buschmüller ist gestorben. Er war einer der stabilsten Antifaschist*innen aus Bayern und baute Anfang der 1990er Jahre die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e. V. (a.i.d.a.) auf. Das Archiv ist eines der am besten recherchierten zu den Themenbereichen Nationalismus, Rassismus, extrem rechte Gruppierungen und Antifaschismus, laut Süddeutsche Zeitung „die zivilgesellschaftliche Institution im Kampf gegen Rechts“. Marcus Buschmüller, den die Bayerische Staatsregierung zeitweise als „Linksextremist“ vom Verfassungsschutz beobachten ließ, war als 17-Jähriger beim rechtsextremen Oktoberfest-Attentat vor Ort, kam nur wenige Minuten nach dem Anschlag am Tatort an. Das prägte und politisierte ihn. Er widmete sein Leben dem Kampf gegen Rechtsextremismus. Am Donnerstag verstarb Marcus Buschmüller nach schwerer Krankheit im Alter von 58 Jahren. Mach‘s gut, Marcus, wir machen hier weiter.

Freitag, 20. Mai

In Bremen ist ein queerfeindlicher Pfarrer vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen worden. Das Bremer Amtsgericht hatte den evangelischen Pastor Olaf Latzel wegen homofeindlicher Aussagen wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, umgewandelt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Euro, verurteilt. Das Bremer Landgericht kippte das Urteil nun nach drei Verhandlungstagen. Der Richter Hendrik Göhner sah die Aussagen des Pfarrers als von der Religionsfreiheit gedeckt. Der 54-Jährige Latzel hatte in einem auf Youtube veröffentlichten Video u.a. Homosexualität als „Degenerationsform von Gesellschaft“ und „todeswürdig“ bezeichnet, die „Homo-Lobby“ „teuflisch“ genannt und erklärt: „Überall laufen diese Verbrecher rum, von diesem Christopher Street Day“. Die Anerkennung von trans Rechten würde „unsere gesamte Zivilisation und Kultur“ zerstören und Schuld daran sei die „zunehmende Gottlosigkeit“. „Der ganze Genderdreck“ sei „teuflisch und satanisch“. Richter Hendrik Göhner findet das „mit der Bibel vereinbar“ und urteilte, der Pfarrer habe „nicht vorsätzlich gehandelt“ und „mit seinen Worten gesellschaftliche Konzepte angegriffen, nicht konkrete Menschen“. Wehe jemand behauptet nochmal, in Deutschland sei Homophobie ja längst kein Thema mehr.

Samstag, 21. Mai

Das 9-Euro-Ticket kommt und auch der Tankrabatt. Während das eine bitte dauerhaft bleiben darf (plus mehr Züge, mehr Personal, dichtere Fahrpläne!), ist das andere einfach nur ein Geschenk an die Öl-Konzerne. Es will nicht in meinen Kopf, wie wir in einem Land, dass sich mit Händen und Füßen gegen ein Tempolimit wehrt und die Auto-Industrie regelmäßig mit Milliardengeschenken belohnt, nicht komplett auf die Barrikaden gehen angesichts der Klimakatastrophe, in der wir längst knietief stecken. Andere Länder stecken schon sehr viel tiefer drin (siehe beispielsweise hier, hier und hier – nur diese Woche), aber Hauptsache der Sprit wird subventioniert. Es ist zum Haare raufen.

Sonntag, 22. Mai

Das war es für diese Woche. Passt auf euch auf und bleibt antifaschistisch.

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