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Viktor Orbán hasst queere Menschen, Ursula von der Leyen ignoriert das und Olaf Scholz hat kein Herz für die Armen. (Illustrationen von mir, Foto von Steve Johnson via pexels.)

Eisige Herzen

In Deutschland wird Hartz IV-Empfänger*innen auch die kleinste Mildtätigkeit versagt, in Ungarn ändern Rechtsextreme die Verfassung und eine Sportsendung lässt mich von Cancel Culture träumen. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW51

Da der Wochenrückblick Nr. 50 krankheitsbedingt ausfallen musste, möchte ich euch hier zumindest noch die wichtigsten Themen nachliefern. Am Dienstag wurden die aktuellen Zahlen zum Gender Pay Gap bekannt gegeben. Dieser beträgt im Bundesdurchschnitt 19 Prozent (7 Prozent in den neuen, 20 Prozent in den alten Bundesländern.) Der Gender Pay Gap gibt Auskunft darüber, wie groß die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in einem Land ist. Rechnet man alle unterscheidenden Faktoren, wie die Tatsache, dass Frauen häufiger Teilzeit und meist in schlechter bezahlten Branchen arbeiten, heraus, bleibt der bereinigte Gender Pay Gap. Dieser liegt in Deutschland immer noch bei 6 Prozent. Am Donnerstag eröffnete in Berlin die Buchhandlung „She Said“ am Kottbusser Damm 79. Bei „She Said“ gibt es ausschließlich Bücher von weiblichen und queeren Autor*innen. Außerdem ein Café und einen Online-Shop. Am Freitag nahm ein Gesetzesentwurf zur Liberalisierung der strengen Abtreibungsgesetze in Argentinien die erste Hürde im Parlament. In dem südamerikanischen Land sind Schwangerschaftsabbrüche bislang (mit wenigen Ausnahmen) verboten und werden mit bis zu vier Jahren Gefängnis bestraft. Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht eine Fristenlösung vor, die es Schwangeren ermöglichen würde, innerhalb der ersten 14 Schwangerschaftswochen eine Abtreibung vorzunehmen. Das wäre ein Meilenstein in Lateinamerika, wo es bislang nur in Uruguay, Kuba und Guyana und in Mexiko-Stadt Fristenlösungen gibt.

Kommen wir zu dieser Woche.

Montag, 14. Dezember  
In Kaiserslautern wurde eine Frau tot aufgefunden. Ihre Identität ist noch unklar, es steht aber fest, dass sie getötet wurde. Weitere Femizide ereigneten sich diese Woche in Hollfeld (Bayern), wo ein 50-Jähriger seine 48-jährige Ehefrau umgebracht haben soll und in Düsseldorf, wo ein 35-Jähriger tatverdächtig ist, seine ebenfalls 35 Jahre alte Frau erstochen zu haben.

Dienstag, 15. Dezember
Die LGBT-Feindlichkeit in Ungarn erreichte in dieser Woche einen erneuten Höhepunkt. Das Parlament stimmte einer Verfassungsänderung zu, nach der künftig festgeschrieben ist, dass ein Vater immer ein Mann und eine Mutter immer eine Frau sei. Wollen Alleinerziehende zukünftig ein Kind adoptieren, brauchen sie die Zustimmung der oder des amtierende*n Familienminister*in. Laut Gesetz gilt das Geschlecht, das einem Menschen bei der Geburt zugewiesen wird, ein Leben lang.

Ungarn ist ein gespaltenes Land. Wie so oft verläuft der Graben zwischen dem ländlichen und dem urbanen Raum. Auf dem Land hat die rechte Fidesz-Partei hohe Zustimmungswerte, in Budapest regiert ein Bürgermeister der Opposition. Aktivist*innen der LGBTQ-Community wünschen sich mehr Unterstützung seitens der EU, doch die beweist ja immer wieder, dass Menschenrechte nicht auf ihrer Agenda stehen.

Hier noch ein unfriendly Reminder, dass rechtsextreme Mörder keine Einzeltäter sind:

Mittwoch, 16. Dezember

Der DFB hat eine Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt eingerichtet. „Der Sport und sicher auch der Fußball sind leider immer noch Parallelwelten, wenn es um einen unverkrampften Umgang mit geschlechtlicher und sexueller Vielfalt geht. Andere Bereiche der Gesellschaft, etwa die Kultur oder die Wirtschaft, sind da weiter als der Fußball“, sagte DFB-Vizepräsident Günter Distelrath. Ich habe mich über diese Meldung sehr gefreut, vor allem auch deshalb, weil mein Freund Christian „Rudi“ Rudolph diese Anlaufstelle leiten wird. Auf Facebook erklärte Rudi: „Für mich persönlich ist es wie ein Traum, wie lange haben wir von einer solchen Möglichkeit geträumt. Nun haben wir diese Möglichkeit und der Ball liegt bei uns. Die Verantwortung und Erwartungen die mit dieser Stelle verbunden sind, ist riesig und ich habe übelsten Respekt davor. (…) Bei all dem Lob und die Freude über das Erreichte, ist es mir wichtig das wir weiter kritisch im Dialog bleiben, es ist nicht immer leicht auch die eigenen Fehler einzugestehen, aber nur wenn wir das schaffen und uns wirklich für mehr Teilhabe, Mitsprache, Mitbestimmung und Gleichberechtigung einsetzen, können wir das Klima im Fußball ändern. Es darf kein Privileg von und für wenige sein.“

Donnerstag, 17. Dezember
Bereits zum vierten Mal veranstaltete die „Arbeitsgemeinschaft der Frauen- und Geschlechterforschungseinrichtungen Berliner Hochschulen“ den jährlichen Wissenschafts- und Aktionstag #4GenderStudies. In diesem Jahr lag der Fokus auf Intersektionalität, also der Zusammen- und Wechselwirkung verschiedener Diskriminierungsformen. Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht die Professorin für Diversity Studies, Maureen Maisha Auma, über die emanzipatorischen Kämpfe marginalisierter Gruppen, über den Feminismus weißer heterosexueller Mittelschichtsfrauen und über die mangelnde Vielfalt im universitären Kosmos. „Die Zusammensetzung des wissenschaftlichen Personals an Berliner Hochschulen kann die postmigrantische Realität der Stadt nicht im Mindesten abbilden“.

Freitag, 18. Dezember
In den USA wird es aller Voraussicht nach bald eine indigene Innenministerin geben. Joe Biden nominierte Deb Haaland für das Amt und damit die erste Native American überhaupt im Ministeramt. Die Washington Post nannte die Nominierung „historisch“. Die Entscheidung Bidens würde „einen Wendepunkt in der Beziehung der US-Regierung zu den indigenen Völkern der Nation“ markieren.

Auch am Freitag
Dass die Politiker*innen von SPD bis AFD ein eisiges Herz haben, wenn es um die Ärmsten im Land geht, zeigte eine Abstimmung im Bundestag am Freitag. Die Linksfraktion hatte einen Antrag eingebracht, indem ein Corona-Zuschlag für Hartz IV-Empfänger*innen in Höhe von 100 Euro gefordert wurde. AFD, CDU/CSU und SPD stimmten dagegen, den finanziell Schwächsten eine kleine Erleichterung zuzugestehen. Während Sozialverbände seit Monaten darauf aufmerksam machen, dass insbesondere arme Menschen unter den Folgen der Pandemie leiden, weil beispielsweise Tafeln geschlossen bleiben, versagt ihnen die Große Koalition auch diese kleinste milde Gabe.  

Samstag, 19. Dezember
Wer zu Weihnachten etwas Gutes tun möchte, dem kann ich den Verein ZUFF e.V. ans Herz legen. ZUFF bietet Schutzwohnungen für Frauen / nicht binäre Menschen und deren Kinder bei häuslicher Gewalt. Die meisten schutzsuchenden sind von Mehrfachdiskriminierung betroffen; sie erleben neben der häuslichen Gewalt auch Rassismus, Klassismus, Homo- und Transphobie und andere Diskriminierungsformen. Ich habe das Weihnachtsgeld von meiner Tante mit dem ZUFF e. V. geteilt.

Hier könnt ihr spenden.

https://twitter.com/frauasha/status/1340196273060782080?s=20

Nochmal Samstag
Die taz hat ein lesenswertes Interview mit der Fußballbundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg geführt. Die würde sich zwar „überhaupt nicht“ als Feministin bezeichnen und ist auch kein Fan von Frauenquoten, hat aber eine Menge interessanter Dinge über die Entwicklung des Frauenfußballs, sexuelle Orientierung und den Führungsstil von Frauen zu sagen.

„Ich glaube, Frauen gehen anders in Gespräche rein. Sie stellen mehr die Sache in den Vordergrund und nicht, wer am Ende recht behält. Frauen sind lösungsorientiert und oft klarer im Kopf. Und empathischer. Gäbe es mehr Frauen in der Weltpolitik, hätten wir vermutlich weniger Kriege.“

Martina Voss-Tecklenburg

Sonntag, 20. Dezember
Alte weiße Männer, die ihren geistigen Durchfall mit scheinbar gottgegebener Selbstsicherheit in die Welt posaunen sind leider keine Rarität. Selten sitzen sie aber so ungestört einig beieinander wie sonntags vormittags im „Doppelpass“ auf Sport 1. Ich sehe Ausschnitte wie diesen und frage mich nur: Wo ist die Cancel Culture wenn man sie braucht?

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