Faschismus ist auch weiblich, die Polizei Hessen hat einen neuen Einzelfall und in Uelzen ist ein Kind vermutlich wegen Rassismus gestorben. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW14
Montag, 4. April
Wieder beginnt der Wochenrückblick mit einem Femizid. In Wipperfürth (NRW) hat die Kölner Polizei Köln am Montagmittag einen 63-Jährigen festgenommen, der verdächtigt wird, seine 61 Jahre alte Ehefrau mit einem Messer in der gemeinsamen Wohnung erstochen zu haben. Eine Angehörige, die zum Tatzeitpunkt ebenfalls in der Wohnung war, erlitt leichte Verletzungen, als sie versuchte, dem Opfer zu helfen.
Auch am Montag
Die Gleichstellungsbehörde der britischen Regierung erklärte am Montag, dass es rechtens sein kann, trans Frauen den Zugang zu Frauenräumen zu verwehren, sofern „vertretbare und angemessene“ Gründe vorliegen. In den Leitlinien der Gleichstellungs- und Menschenrechtskommission, die am Montag veröffentlicht wurden, kann der Ausschluss von trans Personen aus „single-sex services“ aus „Gründen der Privatsphäre und des Anstands“, zur „Vermeidung von Traumata oder zur Gewährleistung von Gesundheit und Sicherheit“ gerechtfertigt werden. Die LGBTQ-Organisation Stonewall kritisiert das Papier, da es den Equality Act von 2010 untergrabe und anstatt, dass es die Inklusion zum Ausgangspunkt mache, richtet es den Fokus auf die Gründe, warum insbesondere trans Frauen ausgeschlossen werden könnten.
Dienstag, 5. April
In Hamburg wurde eine 22-jährige Frau vermutlich von einem 23 Jahre alten Mann erschossen. Der mutmaßliche Täter soll die junge Frau gestalked haben. Die Mutter der Getöteten erzählte dem Schweizer Boulevardblatt „Blick“, dass der Mann ihre Tochter seit rund neun Monaten verfolgt haben. „Er hat sich in meine Tochter verliebt, doch sie wollte keine Beziehung. Das konnte er nie akzeptieren“, sagte sie. Die 22-Jährige stammt aus der Schweiz, wohnte seit zwei Jahren in Hamburg. Der mutmaßliche Täter, der sich nach der Tat selbst das Leben nahm, soll der Bildzeitung zufolge Politiker der Christlichdemokratischen Volkspartei der Schweiz (CVP) gewesen sein.
Mittwoch, 6. April
Am Mittwoch in den frühen Morgenstunden wurden bundesweite Razzien bei polizeibekannten Neonazis durchgeführt. Der Tagesschau zufolge wurden 61 Objekte n elf Bundesländern durchsucht. In Eisenach wurden drei Personen festgenommen, eine weitere in Rotenburg an der Fulda (Hessen). Die Beschuldigten Leon R., Maximilian A., Eric K. und Bastian A. sollen die rechtsextreme Kampfsport-Gruppe „Knockout 51“ angeführt haben. Der MDR hat seine Recherchen zu der Nazigruppe hier und hier veröffentlicht.
Auch am Mittwoch
Dass von der Zeitschrift EMMA nicht mehr viel anderes kommt als Transfeindlichkeit, ist längst keine Neuigkeit mehr. Dass die selbsternannten Radikalfeministinnen am liebsten aber nicht nur „T“ und „Q“ aus LGBTQ entfernen würden, sondern sich zunehmend auch homophob positionieren, ist neu. Am Mittwoch veröffentlichte EMMA den „offenen Brief“ von „Stefanie Moers, Mutter einer 18-Jährigen“ an den Queerbeauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann. Nachdem Frau Moers ihre Bewunderung für Alice Schwarzer ausgedrückt hat und betont, dass ihr „Diversität, Toleranz und die Akzeptanz für alle Arten von Anderssein“ am Herzen lägen, zeigt sie sich besorgt darüber, dass die „unsicheren und pubertierenden Kinder“ von diesen „ganzen Buchstaben LGBTQIA+ und nächstes Jahr vielleicht noch ein paar Buchstaben mehr“ durcheinandergebracht würden. Das langjährige SPD-Mitglied, wie sie betont, findet, dass es immer noch Sache der Eltern sein sollte, mit Jugendlichen über deren Sexualität zu sprechen, denn Eltern seien „immer noch in 90 Prozent aller Fälle die Lösung“. Wie sie auf diese Zahl kommt, ist unklar. Sie bittet den Queer(!)beauftragten, an die heterosexuelle Mehrheit zu denken und zu verhindern, „dass schon 14-Jährige in ihrer völlig unsicheren Lebenssituation, die noch dazu medial fehlgeleitet werden, solch tiefgreifende Entscheidungen ohne die Eltern treffen können“. Was sie meint, ohne es zu benennen, ist das geplante Selbstbestimmungsgesetz, dass trans Personen ermöglichen soll, ihren Geschlechtseintrag ohne teures und erniedrigendes Verfahren ändern zu lassen. Die besorgte Mutter aus Pulheim hält sich wahrscheinlich für fortschrittlich, wenn sie gnädig feststellt: „Wer sich […] in seiner Haut unwohl fühlt, soll alle Unterstützung erhalten können, die er oder sie braucht“, findet aber, dass das ja nur eine „extrem kleine Gruppe“ beträfe. Also lieber doch keine Unterstützung für die, die es brauchen. Sie fordert stattdessen Sven Lehmann auf „an die psychische und körperliche Gesundheit der durchschnittlichen Mehrheit“ zu denken. Aus jeder Zeile dieses Briefs strotzt so viel Queer- und Transfeindlichkeit, Homophobie, Adultismus und elterliches Machtgehabe, dass Stefanie Moers noch so oft sagen kann, dass sie „politisch klar links“ stünde, wie sie will. Der Text könnte so auch von evangelikalen Christ*innen und bürgerlichen Faschos stammen.
Donnerstag, 7. April
Bereits am 21. März starb die siebenjährige Valerié in Uelzen an einem Blinddarmdurchbruch. Ihre Mutter wirft der Kinderärztin vor, ihre Tochter nicht richtig untersucht und mit dem Hinweis, das Kind solle Wasser trinken und Bananen essen, nach Hause geschickt zu haben. Valerié und ihre Mutter sind erst 2019 nach Deutschland gekommen, die Mutter spricht nicht gut Deutsch, also schilderte das Kind der Ärztin ihre Schmerzen. Nach dem Besuch in der Praxis gingen Mutter und Kind nach Hause, wo sich der Zustand des Mädchens weiter verschlechterte. Die Mutter rief einen Krankenwagen, doch die Sanitäter*innen und das Klinikpersonal konnten nichts mr tun, Valerié starb. Bei rechtzeitiger Behandlung liegt die Wahrscheinlichkeit an einer Blinddarmentzündung zu sterben bei 0,001 Prozent. Aktivist*innen der antirassistischen Gruppe „Black Community Coalition For Justice & Self-Defence“ führen die unterlassene Hilfe auf rassistische Strukturen im Gesundheitswesen zurück. „Für Schwarze sind das oft normale Umstände: Von Ärzten nicht ernst genommen werden oder nicht die gleiche Qualität von Behandlungen zu bekommen“, sagte Sista Oloruntoyin zu t-online. Wie das Nachrichtenportal berichtet, laufen inzwischen Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft. „Die Ermittlungen, die eine umfassende Überprüfung des Verhaltens aller an der Behandlung des Mädchens beteiligten Personen umfassen, stehen erst am Anfang“, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft Lüneburg.
Jörn Dieterich, Geschäftsführer der gGmbH, zu der das Medizinische Versorgungszentrum gehört, in der Valerié vermutlich mangelhaft untersucht wurde, will von Rassismus nichts wissen und inszeniert sich selbst als Opfer: „Wir haben Beschäftigte aus Italien, Polen, Russland oder Albanien, haben eine Familie aus Litauen übergesiedelt. Ich wehre mich dagegen, dass wir hier in ein völlig falsches Licht gestellt werden. Das kränkt mich persönlich. Was uns da vorgeworfen wird, ist schlichtweg absurd, wenn sie alleine schauen, wie viele Patienten wir auch mit Migrationshintergrund behandeln.“
Untersuchungen belegen, dass die Schmerzen Schwarzer Menschen weniger ernstgenommen werden. Eine Studie in den USA, die 2016 von den National Academies of Science veröffentlicht wurde, brachte u.a. ans Licht, dass 40 Prozent der Medizinstudent*innen im ersten und zweiten Jahr überzeugt waren, dass „die Haut von Schwarzen dicker ist als die von weißen Menschen“. Eine andere Studie aus dem Jahr 2012 belegte einen Zusammenhang zwischen den unbewussten rassistischen Vorurteilen von Kinderärzt*innen und der Art und Weise, wie sie Schmerzen bei einem simulierten afroamerikanischen oder weißen Teenager nach einer Operation behandelten: Je stärker die implizite Voreingenommenheit der behandelnden Person gegen Schwarze war, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass er dem Schwarzen Patienten ein angemessenes Schmerzmittel verschrieb.
Am Donnerstag wurde Valerié in Uelzen beerdigt.
Auch am Donnerstag
Erstmals in der Geschichte der USA wurde eine Schwarze Frau für den Supreme Court nominiert. Der Senat bestätigte Ketanji Brown Jackson mit 53 von 100 Stimmen für das Amt. Joe Biden, der die 51-Jährige als eine der „klügsten Juristinnen unseres Landes“. Jackson ist seit 2013 Richterin und hat in Harvard studiert. Sie selbst sagte: „Ich stehe hier auf den Schultern von Generationen von Amerikanern, die nie auch nur annähernd eine solche Chance hatten. Ich hoffe, dass das Vertrauen schafft und die Menschen dazu inspiriert zu verstehen, dass unsere Gerichte so sind wie sie.“
Freitag, 8. April
Jede Woche ein neuer Einzelfall: Wie die Frankfurter Rundschau am Freitag exklusiv berichtete ist bei der hessischen Polizei in Darmstadt erneut eine Chatgruppe mit rechtsextremen Inhalten aufgeflogen. Wie die FR schreibt, habe darin ein Beamter seine Privatadresse als „Wolfsschanze“ bezeichnet (so nannte man das Hauptquartier von Adolf Hitler) und sich mit angeklebtem Hitler-Bart gezeigt. Gegen die Polizist*innen in der Chatgruppe werden weitere Vorwürfe erhoben, u.a. „unsachgemäßer Umgang mit Waffen und Munition sowie Mobbing und Körperverletzung“. Ein Mann soll zudem einen Kollegen beim Training absichtlich verletzt haben.
Samstag, 9. April
In Brandenburg hat die AfD eine neue Landesvorsitzende gewählt: Birgit Bessin. Die 44-Jährige ist ein lebendiges Beispiel dafür, dass Rassismus und Hass nichts exklusiv Männliches ist. Bessin, die in Worms geboren wurde, gilt als Vertraute des Neonazis Andreas Kalbitz, der wegen seiner Mitgliedschaft in der inzwischen verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) aus der Partei ausgeschlossen wurde. Die Taktik, durch Frauen in Führungspositionen rechtsextremistische Inhalte sanfter erscheinen zu lassen, ist auch der AfD nicht fremd. In Frankreich könnte diese Strategie sogar zur Präsidentschaft führen.
Sonntag, 10. April
In Frankreich wird gewählt. Während ich diesen Wochenrückblick schreibe, ist noch völlig offen, wer die Präsidentschaft des Landes in den kommenden fünf Jahren innehaben wird. Es zeichnet sich ab, dass es zu einer Stichwahl zwischen dem unbeliebten Amtsinhaber Emmanuel Macron und der Faschistin Marine Le Pen kommen wird. Le Pen, Führerin der rechtsextremen Partei „Rassemblement National“ (RN), hat in den letzten Jahren viel dafür getan, das Image der früher als „Front National“ bekannten Partei weichzuspülen. Die Tochter des früheren Parteichefs und Holocaustleugners Jean-Marie Le Pen versprach den Wähler*innen als Präsidentin etwas gegen „Einwanderungs-Überflutung“ zu unternehmen. Ihr populistischer Kurs, der von offenem Antisemitismus absieht und mehr auf die konservative Mitte setzt, lässt Le Pen inzwischen für viele Französ*innen gemäßigt erscheinen.
Danke, dass Du den Wochenrückblick gelesen hast! Wenn Du meine Arbeit unterstützen magst, kannst Du mir gerne ein Trinkgeld via PayPal geben, oder eine Fördermitgliedschaft auf Steady abschließen. Das geht schon ab 3€ pro Monat.