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Eine Woche namens Uff

Krieg in der Ukraine, Rassismus überall, Gewalt gegen behinderte Menschen in Herne und Diskriminierung von trans Frauen und Mädchen in Iowa. Nur die „Antischocke“ bringt ein bisschen Licht in den Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW9

Montag, 28. Februar

Am Montag stellte der Weltklimarat seinen Bericht zu den „Folgen des Klimawandels für Mensch und Natur“ vor. Hauptrisiken in Folge des Klimawandels sind dem Bericht zufolge Hitze, Dürren und Überschwemmungen. „Fast die Hälfte der Weltbevölkerung (3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen) sind potentielle Opfer dieser Krise“, schreibt die Tagesschau. Entscheidend ist vor allem der Wohlstand eines Landes. „In den ärmeren Staaten haben die Menschen ein 15 Mal höheres Risiko, durch eine Flut, eine Dürre oder einen Sturm zu sterben als in Gebieten mit hohem Wohlstand“, heißt es im Bericht der ARD.

Dienstag, 1. März

In Berlin lagern noch heute mindestens 5.958 menschliche Gebeine, die von Kolonialverbrechern nach Deutschland geschafft wurden. Zu diesem Ergebnis kommt das wissenschaftliche „Gutachten zum Bestand menschlicher Überreste/Human Remains aus kolonialen Kontexten in Berlin“. Die Forscher*innen haben eine Bestandsaufnahme durchgeführt, aber längst nicht alle angefragten Einrichtungen haben geantwortet. „Die Verbrechen der Kolonialzeit und ihre Folgen sind überall in Europa, der Bundesrepublik und Berlin sichtbar – insbesondere in öffentlichen Institutionen wie Museen und Hochschulen. Dort befinden sich verstorbene Menschen: ohne Grab, ohne Gedenken“, heißt es im Vorwort des Berichts. Die Autor*innen fordern die Nachfolgestaaten der ehemaligen Kolonialmächte auf, gemeinsam mit den Betroffenen eine zügige Rückführung der Toten in ihre Herkunftsländer zu gewährleisten, „mit den Nachfahren und Ahnen im Zentrum des Prozesses“.

„Die Zahl derjenigen, deren Menschenwürde bewusst verletzt und deren Totenruhe gestört wurde, ist erschreckend hoch, zum Teil nicht wirklich bekannt. Mit der Verschleppung durch die Kolonialmächte wurden sie zu »Sammelobjekten« und »menschlichen Überresten« herabgewürdigt. Der Verbleib der menschlichen Gebeine in den heutigen Nachfolgestaaten der ehemaligen Kolonialmächte ist Ausdruck einer weiter bestehenden brutalen Kolonialität. Er ist ein Beweis für die entmenschlichende koloniale Systemlogik und rassistische Forschung, die damals stattfand, aber auch dafür, dass Rassismus als Machtsystem bis heute unsere Gesellschaft, die (globalen) Beziehungen und die (toten) Menschen prägt.“

Aus „We want them back. – Wissenschaftliches Gutachten zum Bestand menschlicher Überreste/Human Remains aus kolonialen Kontexten in Berlin

Mittwoch, 2. März

Am Mittwoch wurde bekannt, dass in einer Einrichtung für psychisch kranke und behinderte Menschen in Herne (NRW) Bewohner*innen misshandelt wurden. Dem WDR zufolge soll ein Bewohner mit Klebeband an einem Stuhl gefesselt und Bewohner*innen der Zugang zum eigenen Zimmer oder zum Abendessen verwehrt worden sein. Der Einrichtungsbetreiber hat die Vorfälle, die sich über einen längeren Zeitraum ereigneten, inzwischen bestätigt und fünf Mitarbeiter*innen entlassen. In der Einrichtung „Haus Kaisereiche“ im Herner Stadtteil Wanne-Eickel leben 24 Menschen mit psychischen Erkrankungen. Die Misshandlungen wurden von zwei anderen Beschäftigten gemeldet. Immer wieder kommt es in Heimen für behinderte Menschen zu Gewalt gegen Bewohner*innen. Besondere Aufmerksamkeit erhielt zuletzt der Vierfachmord in einer Potsdamer Einrichtung der „Lebenshilfe“, wo eine Mitarbeiterin mehrere der Bewohner*innen mit einem Messer angriff, schwer verletzte oder tötete. Mediale Aufmerksamkeit erhalte aber die wenigsten Vorfälle. Studien zeigen: Menschen mit Behinderung sind deutlich häufiger von Gewalt betroffen als Menschen ohne Beeinträchtigung. Für Heimbewohner*innen ist es dabei besonders schwierig, Gewaltsituationen zu entkommen. „Ja, es gibt ein Gewaltproblem, das ist nachgewiesen. Es gibt Studien dazu, beispielsweise aus Bielefeld, die sagen, dass Frauen mit Behinderungen, insbesondere Frauen, die gehörlos, die taub sind, Frauen mit kognitiven Einschränkungen ein zwei- bis dreimal höheres Risiko haben, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden. Das gilt auch für Männer, dass Männer mit Behinderungen etwa ein doppelt so hohes Risiko haben, Opfer von körperlicher Gewalt zu werden“, sagte Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen 2021 im Podcast „SWR2 Wissen“. Ein Teil des Problems sind Einrichtungen der Behindertenhilfe: „das sind ja oft geschlossene Systeme“, sagt Monika Schröttle von der Universität Bielefeld. In den Wohnheimen geht ein Großteil der Gewalt von Mitbewohner*innen aus, aber auch durch das Pflegepersonal passieren Übergriffe. Das liegt u.a. am Machtungleichgewicht und den mangelnden Rückzugsorten für die behinderten Menschen. Zudem mangelt es an Aufklärung, auch, weil es die Einrichtungsleitungen nicht immer gerne sehen, wenn die Bewohner*innen ihre Rechte kennen. Der SWR hat im Rahmen der Recherche zum Podcast die größten deutschen Träger der Behindertenhilfe angeschrieben: „Keiner der angefragten Bundesverbände führt Statistiken zu Gewaltfällen in den eigenen Einrichtungen. Alle betonen lediglich, wie wichtig das Thema sei.“

Donnerstag, 3. März

Im US-Bundesstaat Iowa hat die Gouverneurin Kim Reynolds ein Gesetz unterzeichnet, das es trans Frauen und Mädchen ab sofort verbietet, in Schul-, College- und Universitätssportteams mitzuspielen. Das Gesetz schreibt vor, dass Athletinnen, die an Frauensportarten teilnehmen möchten, in ihrer Geburtsurkunde als Geschlecht „weiblich“ eingetragen haben müssen. Ein Mitglied der Schulbehörde von Cedar Falls, Nate Gruber, nannte das Gesetz einen „ekelhaften Machtmissbrauch durch die Gouverneurin“ und forderte: „Wir sollten alles tun, was wir können, um trans Schüler zu schützen, und sie nicht weiter ausgrenzen.“

Freitag, 4. März

In Pakistan verübte mutmaßlich der Islamische Staat am Freitag einen Bombenanschlag auf eine Moschee in Peshawar. 60 Menschen wurden getötet und über 200 verletzt. Ein örtlicher Polizeichef sagte gegenüber der DPA, zwei bewaffnete Selbstmordattentäter hätten sich den Weg in die Moschee freigeschossen, wo sie ihre Bomben zündeten. Bei der Moschee soll es sich um eine schiitische handeln, die in einem mehrheitlich sunnitischen Viertel steht. Nur etwa 150km entfernt, im Nachbarland Afghanistan kam es zu einem ähnlichen Anschlag auf eine Moschee, bei dem nach Behördenangaben zwei Menschen getötet und mindestens 20 weitere verletzt wurden. Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan haben Anschläge erneut zugenommen.

Auch am Freitag

Diese Woche hat es in Deutschland wieder mindestens zwei Femizide gegeben. Bereits am Dienstag wurde in Potsdam-Waldstadt eine Frau mit mehreren Messerstichen getötet, eine zweite schwer verletzt. Tatverdächtig ist ein 41-Jähriger, der sich in Untersuchungshaft befindet. Am Freitag wurde in Haan (NRW) eine 67-jährige Frau mutmaßlich von ihrem 68 Jahre alten Ehemann getötet.

Und dann doch noch was Schönes:

In Leipzig haben Aktivist*innen ein Haus besetzt. Das Eckhaus in der Mierendorffstraße 53 stand jahrelang leer und wurde jetzt von einer autonomen queer-feministischen Gruppe besetzt und „Antischocke“ genannt. Die Besetzer*innen erklären: „Mit der Antischocke soll einen Schutzraum geschaffen werden, in dem es keinen Platz für patriarchale und/oder sexuelle Gewalt und Übergriffe gibt und der außerhalb der kapitalistischen Abhängigkeit von Mietverhältnissen existieren kann.“

Samstag, 5. März

Natürlich kommt auch dieser Wochenrückblick nicht ohne die schreckliche Situation in der Ukraine aus. Das Vorrücken der russischen Truppen wird nicht gestoppt, die Zahl der Flüchtenden hat die 1-Millionen-Marke überschritten. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR spricht von einem „Exodus“.

Ich habe schon in der letzten Woche über den Rassismus an den Grenzen, aber auch innerhalb der Ukraine geschrieben. Schwarze Menschen wurden daran gehindert, Züge und Busse zu besteigen und auch ein Sprecher von „Mission Lifeline“ erklärte, die Hilfsbereitschaft sei gegenüber Schwarzen Menschen geringer. Es ist unerträglich, aber leider auch nicht überraschend. Rassismus macht auch im Krieg keine Pause. Aber es wäre fatal, so zu tun, als sei der Rassismus ausschließlich unter Ukrainer*innen oder Pol*innen verbreitet. Diese Woche hielt viele Beispiele bereit, die beweisen, dass es „im Westen“ nicht weniger rassistisch zugeht. Da war zum Beispiel Charlie D’Agata vom US-Sender CBS News, der in einem Bericht aus Kiew sagte, man könne die Ukraine nicht mit dem Irak oder Afghanistan vergleichen, weil es sich um ein „zivilisiertes“ Land handele. Lucy Watson von ITV aus Großbritannien sagte, dass es sich bei der Ukraine „nicht um ein Dritte-Welt-Land handeln würde, sondern um Europa“. Und bei „Hart aber Fair“, der Talkshow mit Frank Plasberg, behauptete Gabor Steingart, die Ukraine gehöre zu „unserem Kulturkreis“ und weil es „Christen“ seien, glaube er, dass es „diesmal funktioniert“. (Im Unterschied zu den ankommenden Flüchtlingen aus anderen „Kulturkreisen“, oder was?!) Niemand widerspricht. Auch nicht, als der frühere NATO-General Hans-Lothar Domröse sagt: „Damals waren viele junge Männer dabei. Wehrfähige, starke Männer, wenn Sie so wollen, die eigentlich ihr Land verteidigen sollten. Das ist jetzt der Fall. Die Ukrainer bleiben zu Hause, um ihr Land zu verteidigen, so gut sie können. Mit Stinger und mit Panzerfäusten, was sie aus dem Keller herausschaffen, und die Frauen, die Mütter und die Kinder gehen, das ist eine ganz andere Situation.“ Ich will einfach nur brechen. Am liebsten die Nase von diesem rassistischen, kriegverherrlichenden Masku-Arschloch. Es ist furchtbar, dass Männer (und trans Frauen!) daran gehindert werden, das Land zu verlassen. Es ist nichts „männliches“, „ehrenhaftes“ dabei, sich einem Krieg auszusetzen, statt zu fliehen. Ich finde es in hohem Maße beängstigend, wie derzeit in Deutschland das Sterben für die Nation wieder als Heldentat konstruiert wird.

In Deutschland ist die Hilfsbereitschaft für Flüchtende aus der Ukraine groß. Zahlreiche Menschen bieten Unterkünfte an, spenden oder fahren selbst zur Grenze, um Hilfsgüter hin und Flüchtende rauszubringen. Es ist tröstlich zu sehen, wie viel Mitgefühl in den Menschen steckt, gleichzeitig tut es weh zu sehen, dass es für viele offenbar erst dann möglich ist, Flüchtende als Menschen zu sehen, wenn diese weiß sind und nicht muslimisch. Nichtsdestotrotz brauchen alle Fliehenden Hilfe. Wer die Möglichkeit hat zu spenden: bei Mission Lifeline sind die Spendengelder gut aufgehoben, da hier keine Unterscheidung zwischen dem Wert eines Menschenlebens gemacht wird.

In Deutschland ist aktuell nicht nur das Sterben fürs Vaterland hoch im Kurs, Deutsche denken auch, es sei ein Akt der Solidarität, russischstämmige Mitbürger*innen zu beleidigen, auszugrenzen oder sogar körperlich anzugreifen. Supermärkte nehmen russische Produkte aus den Regalen (tatsächlich stehen in „meinem“ EDEKA jetzt Tortilla-Chips da, wo es früher Kondensmilch, Kwas und Plombir gab). Russische Restaurants erhalten online reihenweise Negativ-Bewertungen und Universitäten setzen die Zusammenarbeit mit russischen Wissenschaftler*innen aus. Es macht mich fertig zu sehen, wie der Hass auf Russ*innen zunimmt, während Menschen in Russland unter Lebensgefahr gegen den Krieg demonstrieren oder versuchen, das Land zu verlassen. Statt Diskriminierung der hier lebenden Menschen russischer Herkunft braucht es dringend Unterstützung für die Kriegsgegner*innen vor Ort. Wir brauchen Asylzusagen für Dissident*innen und Deserteur*innen, wir brauchen internationale Solidarität.

Sonntag, 6. März

Es fällt schwer in diesen Tagen nicht den Mut zu verlieren. Was war das für eine Woche? Aber auch wenn es weltpolitisch gerade nichts Positives zu berichten gibt, gibt es bestimmt die ein oder andere gute Nachricht aus dem Privaten. Ich hoffe, ihr habt diese Woche auch mal Grund zur Freude gehabt und falls nicht, ist das auch okay, es kommen auch wieder bessere Tage. Ganz bestimmt! Passt auf euch und einander auf! Bis nächsten Sonntag.

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