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Brittney Griner wird in Russland festgehalten und niemanden scheint es so richtig zu jucken. (Illustration von mir.)

Habeck backpfeifen

Brittney Griner sitzt noch immer in Russland in Haft, Franziska Giffey ist mal wieder rassistisch und auf Twitter ergießt sich mal wieder der Hass über eine junge Frau. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW11

Montag, 14. März

Am Montag wurde in Neuss ein 47-jähriger Mann festgenommen, der unter dringendem Tatverdacht steht, seine Ex-Partnerin getötet zu haben. Am Sonntagvormittag fanden Verwandte die Leiche der 48-jährigen Frau. Die hinzugerufene Ärztin konnte nur noch den Tod der Frau feststellen sowie Verletzungen, die auf ein Gewaltdelikt schließen lassen. Noch ist nichts Näheres über die Tatumstände bekannt, aber wenn ich raten müsste, würde ich auf das Wahrscheinlichste tippen: Sie trennt sich von ihm, er sieht seinen Besitzanspruch verletzt und tötet sie mit Gewalt. Jeden Tag findet in Deutschland so ein Tötungsversuch statt, jeden dritten Tag erfolgreich. „Ich glaube, ein wichtiger Faktor ist immer dieses Besitzdenken: Ich darf bestimmen, was meine Partnerin macht“, sagt Christina Clemm, Berliner Fachanwältin für Familien- und Strafrecht. Und Monika Schröttle Koordinatorin des „European Observatory on Femicide“ erklärt: „In dem Augenblick, wo die Frau sich aus der Kontrolle löst und es sicher ist, dass dem Mann die Felle wegschwimmen, dann wird die Entscheidung gefällt zu töten. Es sind extrem selten Spontanhandlungen und extrem häufig geplante Taten.“ Trotzdem sind in Deutschland Femizide immer noch Privatsache. „Beziehungstaten“ wirken sich sogar häufig strafmildernd aus, dem Opfer wird eine Mitschuld an den Taten gegeben.

Dienstag, 15. März

Anfang der Woche ging der Auftritt einer Frau um die Welt, die während einer Livesendung im russischen Fernsehen ein Plakat mit der Aufschrift „No War“und auf Russisch „Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen“ sprengte. Zudem rief sie mehrmals „Nein zum Krieg!“ bevor die Sendung unterbrochen wurde. Die Frau heißt offiziellen Angaben zufolge Marina Owsjannikowa und soll Mitarbeiterin des Senders sein. Die Tochter einer russischen Mutter und eines ukrainischen Vaters hatte kurz zuvor ein Video hochgeladen, in dem sie sagt:

„Was gerade in der Ukraine passiert, ist ein Verbrechen. Russland ist ein Aggressorland. Die Verantwortung für diese Aggression liegt bei einem einzigen Menschen. Dieser Mensch ist Wladimir Putin. (…) Leider habe ich in den letzten Jahren beim ersten Kanal gearbeitet und war mit der Kreml-Propaganda beschäftigt. Ich schäme mich, dass ich es zugelassen habe, dass die Lügen aus dem Bildschirm kommen. (…) Wir sind intelligente russische Menschen. Es liegt in unseren Kräften, diesen Wahnsinn zu stoppen. Kommt zu den Demos, fürchtet euch vor nichts. Sie können uns nicht alle in den Knast stecken.“

Medienberichten zufolge wurde Marina Owsjannikowa am Tag darauf zu einer Geldstrafe von 30.000 Rubel, rund 226 Euro, verurteilt. Wie die FAZ schreibt, droht der Redakteurin, die einen 17-jährigen Sohn und eine 11 Jahre alte Tochter hat, aber möglicherweise noch eine weitere Strafe: „wegen der angeblichen Verbreitung von Lügen über Russlands Streitkräfte“ seien Ermittlungen aufgenommen worden, Nach dem neuen Mediengesetz in Russland könnten bis zu 15 Jahre Haft verhängt werden.

Mittwoch, 16. März

Am Mittwoch vor einem Jahr hat ein weißer 21-Jähriger in Atlanta acht Menschen aus rassistischen und misogynen Gründen erschossen. Sechs der acht Opfer waren Frauen asiatischer Herkunft. Der Täter suchte nacheinander drei Massagestudios auf, wo er die insgesamt acht Menschen tötete. Kurze Zeit später wurde er festgenommen. Die Polizei sprach zunächst davon, der Täter habe „einen schlechten Tag“ gehabt. Später hieß es zudem, der Mann habe angegeben, unter „Sexsucht“ zu leiden. Klar, wenn weiße Incel-Terroristen Massenmorde begehen, sind sie entweder psychisch krank oder haben halt einen schlechten Tag. Kein Grund vom Einzelfall auf ein strukturelles Problem zu schließen. Dabei verbinden die Taten von Atlanta nahezu lehrbuchartig die Verschränkung von antiasiatischem Rassismus, der seit der Coronapandemie stark zugenommen hat, Misogynie und Hass auf Sexarbeiter*innen. Der Täter, sei der „Typ von Mann“ gewesen, „der sich dafür hasst, wenn er masturbiert, der das für krankhaft hält“soll eine ehemalige Mitbewohnerin über ihn gesagt haben. Der Typ Mann, der allerdings nicht sich selbst, sondern andere dafür bestraft. Ich weiß nicht, ob der Täter von Atlanta ein Incel war, ich weiß nur, dass die Fetischisierung asiatischer Frauen, ihre entmenschlichte Darstellung als verführerisch, submissiv und gefügig, Teil des Problems ist. Genauso der entgrenzte rassistische Hass, dem asiatisch gelesene Menschen (nicht nur in den USA) seit Beginn der Corona-Pandemie ausgesetzt sind. Aber auch der Hass auf Sexarbeiter*innen spielt hier eine Rolle. Die Süddeutsche Zeitung zitiert wieder die ehemalige Mitbewohnerin des Täters, die sagte, dieser habe sich von der Sexindustrie „ausgenutzt gefühlt“. Doch alle Spekulationen über die individuellen Motive des Täters sorgen nur dafür, dass weniger über die Opfer gesprochen wird.

Im Deutschlandfunk Kultur sprach die Journalistin Nhi Le über den Anschlag und den Zusammenhang mit Rassismus und Sexismus. Einen wichtigen Aspekt hob sie dabei hervor: „Viele der Frauen sollen in den Massagesalons nicht nur gearbeitet, sondern auch gelebt haben. Es handelt sich da auch um extrem arme Frauen.“ Hier schließt sich der Kreis und macht die Trias von Rassismus, Sexismus und Klassismus sichtbar, die Hassverbrechen so häufig zugrunde liegt.

Im Juli letzten Jahres bekannte sich der Täter des Mordes an Paul Michels, Xiaojie Tan, Daoyou Feng und Delaina Yaun schuldig und wurde zu lebenslänglich ohne Bewährung verurteilt. Der heute 22-jährige ist allerdings weiterhin angeklagt wegen Mordes an Suncha Kim, Soon Chung Park, Hyun Jung Grant und Yong Ae Yue. Die Staatsanwaltschaft fordert die Todesstrafe. Die Staatsanwältin Fani Willis glaubt, dass Rassismus und Misogynie bei der Motivation für die Morde eine Rolle gespielt hätten, und sie beantragt eine Strafverschärfung nach dem staatlichen Gesetz über Hassverbrechen. Erst am Dienstag wurde ein Bericht des US-Geheimdienstes veröffentlicht, der eine zunehmende Bedrohung durch Incels beschreibt.

Donnerstag, 17. März

Seit Februar sitzt die 31-jährige US-Amerikanerin Brittney Griner in Russland in Haft. Die Profi-Basketballerin wurde am Flughafen festgenommen, weil sie eine Vape-Kartusche mit Haschisch-Öl mit sich führte. Am Donnerstag wurde ihr Arrest bis zu 19. Mai verlängert. Der zweifachen Olympiasiegerin drohen der Nachrichtenagentur Interfax zufolge fünf bis zehn Jahre Haft. Trotzdem bleibt es relativ ruhig auf US-Seite. Man stelle sich vor, Tom Brady oder auch LeBron James würden in Russland festgehalten, der Protest der USA wäre ohrenbetäubend. Brittney Griner ist im Hinblick auf ihre sportlichen Erfolge sehr wohl vergleichbar mit den männlichen Ikonen. Aber sie ist eine Schwarze Frau, noch dazu eine lesbische. Der Aufschrei bleibt aus. Brittney Griner ist mehr oder weniger sich selbst überlassen. Das hat auch damit zu tun, dass niemand so gerne darüber reden will, warum Brittney Griner überhaupt in Russland war. Denn auch wenn sie eine der absoluten Top-Athletinnen des Landes ist, verdient sie als Spielerin in der WNBA nur einen Bruchteil von dem, was in der Männerliga möglich ist. Viele Sportlerinnen gehen deshalb außerhalb der Saison ins Ausland. Liz Cambage, australische Profispielerin bei den Los Angeles Sparks, erklärt, dass Spielerinnen bei russischen Teams „fünf- bis achtmal mehr Geld“ verdienen können als in der WNBA. Das Durchschnittsgehalt in der WNBA lag letztes Jahr bei 120.648 US-Dollar. Bei den Herren liegt das Minimum(!) bei 925.258 US-Dollar. Durchschnittlich verdienen Spieler der NBA 8,32 Millionen USD.

Freitag, 18. März

Franziska Giffey, die in der Vergangenheit schon mit Rassismus gegen romane Menschen und Berliner Großfamilien aufgefallen ist, hat diese Woche nochmal nachgelegt. Die Regierende Bürgermeisterin (bin immer noch sauer auf alle, die sie gewählt haben) erklärte, die Geflüchteten aus der Ukraine seien eine „Chance“ für Deutschland, da sie „nicht als erstes die Frage stellen: Wo kann ich Leistungen beantragen“, sondern „wo ich arbeiten kann“. Das alte Lied von „guten“ und „schlechten“ Flüchtlingen also, man kennt’s. Dass die meisten Menschen, die nach Deutschland kommen, erstmal gar keine Arbeitserlaubnis bekommen, verschweigt Giffey. Stattdessen rückt sie die Menschen, die ihr Recht(!) auf staatliche Unterstützung wahrnehmen möchten, in die Ecke von „Bittsteller*innen“ oder schlimmer noch „Schmarotzer*innen“. Es ist überhaupt nichts verwerfliches daran zu fragen, „wo kann ich Leistungen beantragen“, es ist vielmehr ein Menschenrecht.

Samstag, 19. März

Wenn auf Twitter #goere trendet, kann das nichts Gutes heißen. Gemeint war Emilia Fester, 23-jährige Abgeordnete der Grünen, die sich am Donnerstag im Rahmen der Bundestagsdebatte für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen hatte. Es dauerte nicht lange, schon wurde der stinkende Hass rechter Männer über Emilia Fester ausgekippt. In nur wenigen Stunden nach der Rede gab es bereits über 60.000 Tweets mit dem Hashtag #goere. Der Shitstorm zieht sich seitdem hin. Befeuert u.a. von der BILD, die eine Aussage von Fester als Lüge enttarnt haben will, sowie durch den Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, den ich einen Fascho nennen würde, wenn ich dürfte. Er nannte Emilia Fester neben „Göre“ auch „Rotzlöffel“, „lächerlich“ und „Kindchen“. Es ist das immer gleiche Spiel. Frauen, die es wagen eine eigene Meinung zu vertreten, werden bestraft. Sie sollen auf „ihren Platz“ verwiesen werden. Das Absprechen von Reife, das Bezeichnen als „Mädchen“ statt als Frau und das Herabwürdigen durch verkindlichende Beleidigungen, das alles hat System. Frauen soll die Kompetenz abgesprochen werden. Sie sollen als unreif, kindisch, lächerlich dargestellt werden, als nicht ernstzunehmend. Ich behaupte, alle Frauen, die das hier gerade lesen, haben so eine Erfahrung schon gemacht. Es beginnt beim „junge Dame“ im Büro und es endet leider nicht beim „Ey, Mädchen, hab dich nicht so“.

Sonntag, 20. März

Ich frage mich wirklich, ob die Menschen, die an einen Politikwechsel mit der Ampel geglaubt haben, immer noch der Meinung sind, es sei „mit den Grünen besser als ohne die Grünen“. Nun, ich denke das nicht. Also spätestens dann nicht mehr, wenn der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck uns seinen Deal mit Katar als eine gute Sache verkaufen will. Deutschland macht sich ein bisschen unabhängiger von russischem Gas, um nun Handel mit den Menschenrechtsverachtenden Scheichs aus Katar zu treiben. Jetzt, wo der Deal „großartigerweise“ (Habeck) gelungen ist, sollen sich die Kritiker*innen mal nicht so haben. Im Vergleich zu Russland, sei Katar ja nicht so schlimm, auch wenn es halt leider keine Demokratie sei. „Aber zwischen einem nicht demokratischen Staat, bei dem die Situation der Menschenrechte problematisch ist, und einem autoritären Staat, der einen aggressiven, völkerrechtswidrigen Krieg vor unserer Tür führt, gibt es noch mal einen Unterschied. Wir können nicht alle Länder von Lieferungen ausschließen“, sagte Robert Habeck und ich möchte ihm dafür mindestens eine Backpfeife geben. Alter, was??? In Katar werden muslimische Menschen ausgepeitscht(!), wenn sie nachweislich Alkohol getrunken haben, Homosexualität ist verboten und wird mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft, Frauen, die eine Vergewaltigung anzeigen, riskieren eine Verurteilung wegen „außerehelichen Geschlechtsverkehrs“. Die Liste ließe sich fortsetzen. Und apropos „aggressiver, völkerrechtswidriger Krieg“: Katar unterstützt Saudi-Arabien beim Krieg im Jemen. Für Robert Habeck wahrscheinlich nicht „Haustür“-nah genug. Und wen interessiert schon das Elend im Jemen, wenn man „Türöffner“ für die deutsche Wirtschaft sein kann. Klar, die mehr als 6.500 toten Gastarbeiter*innen, die seit der Vergabe der WM an Katar gezählt wurden, sind ein bisschen ärgerlich für einen grünen Minister, aber Habeck hat dem Wirtschaftsminister Katars erklärt, dass Arbeitsschutz „aus der ökonomischen Perspektive ein Mehrwert“ ist, also alles gut! Muss der deutsche Onkel den rückständigen Scheichs halt erst mal erklären, damit die es verstehen. Aber genug Sarkasmus: Können wir jetzt nochmal auf die Backpfeife zurückkommen?

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