In Würzburg hat ein Attentäter offenbar gezielt Frauen getötet, in Tschechien starb ein Rom nach Polizeigewalt und Britney Spears wehrt sich gegen die Vormundschaft. Gute Nachrichten gab es von Kumi Yokoyama und vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW25
Montag, 21. Juni
Die Woche fing gut an, mit einer freudigen Meldung aus Japan. Der japanische Fußball-Star Kumi Yokoyama, der an der Fußball-WM der Frauen 2019 teilnahm und beim 1. FFC Frankfurt spielte, hatte sein Coming-out als trans Mann. Der 27-Jährige, der sich bereits vor sieben Jahren die Brüste entfernen ließ, erklärte, das Leben in den USA habe es einfacher gemacht, offen mit seinem Geschlecht umzugehen. In Japan sei der Druck, sich den Geschlechternormen anzupassen größer. Auf dem Youtube-Channel seiner ehemaligen Mitspielerin, Yuki Nagasato, erklärte er: „In letzter Zeit ist der Begriff LGBTQ in Japan bekannt geworden, und man sieht ihn heutzutage in den Medien. Aber die Dinge werden sich nicht weiterentwickeln, wenn Leute in meiner Position nicht ihre Meinung sagen“. Ich freue mich für Kumi Yokoyama, dass er sein wahres Selbst leben kann und bin mir sicher, dass er mit seinem Coming-out vielen trans Menschen weltweit ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat.
Auch am Montag
Tsitsi Dangarembga wird mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt. „Die Schriftstellerin und Filmemacherin aus Simbabwe verbindet in ihrem künstlerischen Werk ein einzigartiges Erzählen mit einem universellen Blick und ist deshalb nicht nur eine der wichtigsten Künstlerinnen ihres Landes, sondern auch eine weithin hörbare Stimme Afrikas in der Gegenwartsliteratur“, begründete der Stiftungsrat die Entscheidung, die am Montag bekanntgegeben wurde. Ihre Romantriologie von der das erste Buch 1988 erschien, handelt vom Aufwachsen und Leben einer nach Selbstbestimmung strebenden Frau in Simbabwe und thematisiert die intersektionale Unterdrückung von Sexismus, Rassismus und Kolonialismus. „Dabei zeigt sie soziale und moralische Konflikte auf, die weit über den regionalen Bezug hinausgehen und Resonanzräume für globale Gerechtigkeitsfragen eröffnen“, schreibt die Jury. Tsitsi Dangarembga ist die erste Schwarze Frau, die den Preis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels erhält, der seit 1950 verliehen wird. Unter den über 70 Preisträger*innen sind neben ihr nur zwei Schwarze Autoren ausgezeichnet worden: Chinua Achebe (2002) und Léopold Sédar Senghor (1968).
Dienstag, 22. Juni
Die UEFA verkündete am Dienstag, der Stadt München keine Genehmigung für die Beleuchtung der Allianzarena in Regenbogenfarben zu erteilen. Bevor Deutschland im letzten Gruppenspiel der Fußball-EM der Herren gegen Ungarn spielte, schien sich ganz Deutschland für die Rechte queerer Menschen zu interessieren. Das war natürlich nicht so, denn weder wurde thematisiert, dass nicht-cis-heterosexuelle Eltern immer noch benachteiligt werden (Stichwort Abstammungsrecht), noch wurde über die transfeindliche Gesetzgebung des TSG gesprochen oder über die gleichbleibend hohe homo- und transfeindlicher Hasskriminalität. Das war alles kein Thema, sondern es ging um Ungarn. Wenn die Deutschen mit dem Finger auf andere zeigen können und nicht vor der eigenen Türe kehren müssen, zeigen sie sich gerne auch in Regenbogenfarben, so wie Markus Söder oder der Großschlachtbetrieb und Menschenhändler Tönnies. Die Regenbogenflagge hat spätestens in diesem Sommer jegliches politisches Statement verloren. Das ist enttäuschend, allerdings auch nicht wirklich überraschend. Der Kapitalismus frisst einfach alles auf, was sich irgendwie zu Geld machen lässt.
Mittwoch, 23. Juni
Am Mittwoch fand vor dem Superior Court in Los Angeles eine Verhandlung statt, in der es um die Selbstbestimmung einer 40-jährigen Frau geht, die seit 13 Jahren unter gesetzlicher Vormundschaft steht. Diese Frau ist niemand geringeres als Britney Spears. Die Sängerin wehrt sich gegen die Vormundschaft durch ihren Vater Jamey Spears, der (gemeinsam mit anderen Vormündern) seit 2008 über ihre Leben und ihr Vermögen bestimmt. In ihrem Statement vor Gericht erklärte Britney, sie wolle ihr Leben zurück. Sie gab an, eingesperrt und zu Konzerten gezwungen zu werden, sie dürfe ihre Freund*innen nicht treffen oder zur Maniküre gehen. Es sei ihr nicht erlaubt, ihren langjährigen Freund zu heiraten oder die Spirale entfernen zu lassen, um schwanger werden zu können. Britney spricht über Missbrauch und Ausbeutung und wirft in erster Linie ihrem Vater Bereicherung auf ihre Kosten vor. Auf Instagram schrieb sie:
„I don’t want people to think my life is perfect because IT’S DEFINITELY NOT AT ALL … and if you have read anything about me in the news this week … you obviously really know now it’s not !!!! I apologize for pretending like I’ve been ok the past two years … I did it because of my pride and I was embarrassed to share what happened to me …“
Britney Spears auf Instagram
Britney Spears ist das vermutlich prominenteste Beispiel von Entmündigung einer erwachsenen Person. Aber ein Einzelfall ist sie nicht. In Deutschland gibt es die Vormundschaft nur für Minderjährige, bei Erwachsenen nennt sich die Fremdbestimmung „Betreuung“, die grundsätzlich eine wichtige Hilfe für Betreute sein kann, in der Realität aber leider häufig auch entwürdigende Entrechtung bedeuten kann. So können zahlreiche Erwachsene mit Behinderung über viele Dinge des täglichen Lebens nicht selbst entscheiden. Menschen, die in Wohnheimen untergebracht sind, haben häufig noch weniger Freiheiten. Wenn wir #FreeBritney fordern sollten wir uns immer bewusst machen, dass es auch hierzulande unzählige Fälle von Entmündigung psychisch kranker und behinderter Menschen gibt.
Donnerstag, 24. Juni
Das erste deutschlandweite Meldeportal für antimuslimischen Rassismus ist online. Auf der Internetseite www.i-report.eu können Angriffe gegen Muslim*innen und muslimische Einrichtungen gemeldet werden. Das Portal ging pünktlich zum Beginn der Aktionswoche gegen antimuslimischen Rassismus (24. Juni bis 1. Juli) an den Start. Neben der Dokumentation von Vorfällen will das Projekt Bildungsarbeit leisten und Beratung und Unterstützung für Betroffene bieten. „Der Anstieg antimuslimischer Übergriffe im Jahr 2020 ist vor allem vor dem Hintergrund besorgniserregend, dass diese offizielle Statistik nur einen Teil des antimuslimischen Rassismus abbildet. Um Ursachen zu bekämpfen und Betroffene schützen zu können, benötigen wir Klarheit über das tatsächliche Ausmaß“, sagt Projektleiterin Rima Hanano. Im vergangenen Jahr wurden offiziell 1.129 islamfeindliche Straftaten in Deutschland erfasst. Von einer hohen Dunkelziffer ist auszugehen.
Freitag, 25. Juni
Bereits am 19. Juni ist im tschechischen Teplice ein Mann nach einer Festnahme auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Der 46-jährige Rom Stanislav Tomáš starb, nachdem ein Polizist sechs Minuten lang auf seinem Hals gekniet hat. Die tschechischen Behörden behaupten, die Polizei habe keine Schuld am Tod des Mannes, vielmehr „seien krankhafte Veränderungen der Herzkranzgefässe festgestellt worden“. Vieles erinnert an den Mord an George Floyd in Minneapolis 2020. Doch die kollektive Bestürzung bleibt im Fall von Stanislav Tomáš aus. Romafeindlichkeit ist in Europa allgegenwärtig. In Berlin fanden am Freitag zwei Demonstrationen in Erinnerung an Stanislav Tomáš und gegen rassistische Polizeigewalt statt. In Minneapolis wurde ebenfalls am Freitag der Mörder von George Floyd zu 22,5 Jahren Haft verurteilt.
Auch am Freitag
In Frankreich fiel das Urteil gegen Valérie Bacot. Die 40-jährige Französin stand in Chalon-sur-Saône vor Gericht, weil sie ihren Stiefvater, Ehemann und Vater ihrer vier Kinder getötet hat, der sie 24 Jahre lang sexuell misshandelt, gequält und zur Prostitution gezwungen hatte. Die grausamen Details erspare ich euch. Wer es aushält kann es z.B. in der FAZ nachlesen. Nachdem Valérie Bacot nun ein Jahr lang in U-Haft saß, wurde sie am Freitag zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Dadurch, dass drei Jahre davon zur Bewährung ausgesetzt wurden, durfte Bacot das Gericht auf freiem Fuß verlassen. Jetzt bleibt nur die Frage, warum Polizei und Sozialbehörden Valérie Bacot und ihre Kinder nicht schützte. Die Kinder sollen mehrfach versucht haben, Anzeige gegen ihren Vater zu erstatten, seien jedoch jedes Mal abgewiesen worden.
Und nochmal Freitag
Am Freitag hat ein 24-Jähriger in der Würzburger Innenstadt drei Frauen mit einem Messer getötet und drei weitere lebensgefährlich verletzt. Außerdem wurden ein Mädchen und ein Jugendlicher schwer verletzt sowie ein Mann und eine weitere Frau leicht. Meine Gedanken sind bei den Opfern, ihren Familien und Freund*innen. Weil der Täter aus Somalia stammt, angeblich „Allahu Akbar“ gerufen habe und in psychiatrischer Behandlung war, spekulieren die Medien darüber, ob die Tat eine islamistische Motivation hat oder ob es sich um die Tat eines psychisch kranken Einzeltäters handelt. Dass die Opfer des Attentäters fast ausschließlich Frauen waren, ist der Berichterstattung allenfalls eine Randnotiz wert. Dabei wäre es schon eine Untersuchung wert, ob die Getöteten Opfer eines Mehrfach-Femizids wurden. Die geschlechtsspezifische Motivation bei Gewalt gegen Frauen wird noch immer viel zu wenig beachtet. Es fehlen verlässliche Erhebungen. Dabei ist Hass auf Frauen ein strukturelles Problem, das wir endlich ernst nehmen müssen.
Zusätzlich zu den getöteten Frauen in Würzburg ereigneten sich in dieser Woche weitere Femizide in Deutschland. Am Dienstag soll in Dauchingen im Schwarzwald ein 31-jähriger seine 72-jährige Mutter ermordet haben. Anschließt soll er ein Feuer gelegt haben, um die Tat zu vertuschen. In München hat offenbar bereits am vergangenen Sonntag ein 37-jähriger Mann seine 31-jährige Ehefrau getötet. Die Leiche der Frau wurde in der gemeinsamen Wohnung mit einer „Vielzahl von Verletzungen“ gefunden.
Samstag, 26. Juni
Am Samstag wurden in vielen Städten Pride-Demonstrationen veranstaltet. So auch in Berlin, wo die „CSD-Sterndemo“ veranstaltet wurde, eine bewusste Alternative zum offiziellen Christoper Street Day (CSD) am 27. Juli. Die queere Szene ist keine geeinte Gruppe mit übereinstimmenden Zielen und Werten. Insbesondere intersektional-feministische, anti-kapitalistische Queers lehnen die offizielle Veranstaltung ab, da diese in den vergangenen Jahren zunehmend zu einem unpolitischen Karnevalsumzug verkam, den auch Unternehmen und Institutionen für Zielgruppenspezifisches Marketing nutzen („Rainbow-Washing“). Nicht nur in Deutschland gibt es darüber Diskussionen. In New York wurde die Polizei von der Teilnahme an der großen Parade ausgeschlossen. Die Forderung „No Cops at Pride“ ist eine wichtige Positionierung, denn bei der queeren Befreiung können Jahrzehnte der Polizeigewalt und Repression nicht einfach ignoriert werden. Der CSD geht zurück auf die Unruhen nach einer Razzia in der Gay-Bar „Stonewall Inn“ in der New Yorker Christopher Street. Es waren Proteste derer, die die Schikanen der Polizei nicht länger hinnehmen wollten: Schwule, Lesben und insbesondere auch trans Frauen wie Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera.
In Istanbul wurde der Pride March gestern brutal von der Polizei aufgelöst, es gab etliche Festnahmen. Der Fotojournalist Bülent Kilic von afp wurde von mehreren Zivilpolizisten auf den Boden gedrückt, bis er kaum noch Luft bekam. Nachdem er wieder freigelassen worden war, kündigte er an, gegen die Misshandlungen durch die Polizei zu klagen, „notfalls bis zum Menschenrechtsgerichthof in Straßburg“.
Sonntag, 27. Juni
Zum heutigen Sonntag noch eine Zahl: 272. Nach einer Anfrage der „Welt am Sonntag“ bei den Justiz- und Innenministern von Bund und Ländern wird derzeit gegen mindestens 272 Polizist*innen wegen Rechtsextremismus oder rechter Straftaten ermittelt. Alles in allem dürften deutlich mehr als 400 Verfahren gegen Beschäftigte der Polizei laufen, da die Zahlen von Bayern und NRW nicht richtig ausgewertet werden konnten.
Vielen Dank, liebe Pfefferhäsin, für Deine mir die Augen öffnenden Ausführungen zu Regenbogen und CSD. Ich lerne jede Woche von Dir