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Kristina Hänel ist bereits fürs Budnesverfassungsgericht. Foto im Hintergrund von Guido Radig (CC BY-SA 3.0)

Der Kampf geht weiter

Kristina Hänel muss vors Bundesverfassungsgericht, die bpb knickt vor Rechten ein und die USA bekommen das diverseste Regierungsteam aller Zeiten. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW3

Montag, 18. Januar  

Die Woche begann mit einem Femizid. In Lüneburg wurde eine 19-jährige Frau in ihrem Auto erstochen. Tatverdächtig ist ein ebenfalls 19-jähriger Mann. Es ist nicht bekannt, in welchem Verhältnis der mutmaßliche Täter und das Opfer zueinanderstanden, die Polizei geht allerdings von einer „Beziehungstat“ aus.

Dienstag, 19. Januar

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Revision von Kristina Hänel verworfen. Sie ist damit rechtskräftig nach Paragraf 219a verurteilt. Der „Kompromiss“ der Bundesregierung zum Paragrafen 219a, der das „Werben für Abtreibungen“ unter Strafe stellt, ist schlicht wertlos. Zwar dürfen Gynäkolog*innen jetzt auf ihrer Webseite angeben, ob sie Abtreibungen durchführen, auf welche Art die Schwangerschaft abgebrochen wird (medikamentös oder operativ) dürfen die Ärzt*innen aber nicht sagen. Darauf berief sich auch das Oberlandesgericht: „Mit der Ergänzung des § 219a StGB hat der Gesetzgeber jedenfalls im praktischen Ergebnis auch die bloß sachliche Information über das ›Ob‹ und ›Wie‹ unter Strafe gestellt“ heißt es in der Begründung. Für Kristina Hänel heißt das jetzt, dass sie die Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen nun von ihrer Webseite nehmen muss, weil sonst immer wieder Anzeigen möglich wären. „Letztlich würde mich das finanziell ruinieren“, sagte sie zur taz. Ihren Kampf für die Entkriminalisierung von Abtreibungen wird sie deshalb aber nicht aufgeben: „Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich mache. Auch über die Frage, ob ich ins Gefängnis gehen würde, um etwas zum Guten zu verändern. Aber ich will keine Märtyrerin sein. Ich glaube, dass der Weg zum Bundesverfassungsgericht nun erstmal der richtige ist. Der ist jetzt frei.“ Die Verfassungsbeschwerde ist bereits vorbereitet, der Kampf geht weiter.

Auch am Dienstag

https://twitter.com/HerrLuehmann/status/1351522587143241734?s=20

Die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) ist nach einem rechten Shitstorm eingeknickt und hat den Teasertext eines Dossiers über Linksextremismus geändert. Dort hieß es ursprünglich „Im Unterschied zum Rechtsextremismus teilen sozialistische und kommunistische Bewegungen die liberalen Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.“

Darüber hatten sich rechte und rechtsextreme Menschen u.a. auf Twitter echauffiert, darunter Frauke Petry und Martin Lichtmesz. Neben Publikationen aus dem rechtskonservativen Spektrum, wie die „Junge Freiheit“ und „Tichys ­Einblick“ ist auch die BILD-Zeitung auf die Empörung aufgesprungen und berichtete über das Dossier unter der Überschrift „Verharmlosung des Kommunismus: Sind Linke die besseren Extremisten?“ Dieser Druck von rechts bis ganz rechts sorgte nun dafür, dass die bpb den Teasertext neu formulierte. Laut BILD habe auch das Innenministerium eine Änderung gefordert. Jetzt heißt es dort, beim Linksextremismus handle es sich „um Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind und die von ihr vertretenden Werte wie Freiheit und Gleichheit abschaffen wollen“. Diese Formulierung ist so fast gleichlautend auf der Webseite des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu finden, eine Behörde, die seit ihrem Bestehen rechte Gewalt verharmlost, verschleiert und teilweise sogar fördert. Wer immer noch der Meinung ist, vermeintliche „Cancel Culture“ käme von links, hat in diesem Vorfall einen weiteren Beweis dafür, wie der Diskurs tatsächlich geprägt, beeinflusst und immer weiter nach rechts verschoben wird.

Mittwoch, 20. Januar

Mit der Amtseinführung von Joe Biden und Kamala Harris als Präsident und Vizepräsidentin der USA ist nicht nur erstmals eine Frau im Vizepräsident*innen-Amt, das Kabinett des 45. US-Präsidenten wird außerdem das bislang diverseste in der Geschichte des Landes sein. Mit Rachel Levine wird die erste offen trans Frau das Amt einer Staatssekretärin bekleiden. Die Kinderärztin und Professorin für Kinderheilkunde und Psychiatrie unterstützt den neuen Gesundheitsminister Xavier Becerra, ein Latino. Auch das Bildungsministerium soll künftig ein Latino führen: Miguel Cardona. Der in Kuba geborene Alejandro Mayorkas soll Heimatschutzminister werden. Katherine Tai wird die erste Handelsbeauftragte mit asiatischen Wurzeln, sie spricht fließend Mandarin. Janet Yellen wird als erste Frau das Finanzministerium führen, als erster Schwarzer im Amt des Verteidigungsministers nominierte Biden Lloyd Austin und mit Deb Haaland wird die erste Native American Innenministerin werden. Michael Regan wird als zweiter Afroamerikaner an der Spitze der Umweltbehörde EPA stehen. Pete Buttigieg, der das Verkehrsministerium übernehmen soll, wäre der erste offen schwule Minister der USA. Buttigieg tritt für die Cannabis-Legalisierung und das Recht auf Abtreibung ein. So begrüßenswerten die Diversität im Kabinett auch ist: Repräsentation ist nicht alles. Letztlich wird die tatsächliche Politik der Biden-Regierung darüber entscheiden, ob es für marginalisierte Gruppen Verbesserungen geben wird, ob Armut, Rassismus und Polizeigewalt wirksam bekämpft werden, ob neue Gesetze den Waffenbesitz und -gebrauch verringern, ob der Klimawandel ernstgenommen und die Umweltzerstörung vermindert wird. Trump sind wir los, ein Glück. Aber die Erleichterung darüber wird nicht ewig anhalten und ich werde die Arbeit der neuen US-Regierung hier kritisch verfolgen.

Jill Biden ist übrigens die erste First Lady in der Geschichte der USA, die ihren Vollzeitjob behält.

Donnerstag, 21. Januar

Am Landgericht Erfurt begann am Donnerstag der Prozess gegen einen 49-Jährigen, der im vergangenen Jahr seine Ex-Frau mit dem Auto überfahren und getötet haben soll. Die 40-Jährige war auf dem Fahrrad unterwegs als der Mann sie mit seinem Geländewagen erfasste. Die Anklage lautet auf Mord: Der Mann soll aus Rache gehandelt haben, weil sich seine Frau zwei Jahre zuvor von ihm getrennt hatte. Auch hier war es das Besitzdenken, die fehlgeleitete Anspruchshaltung eines Mannes, die zum Tod einer Frau führte. Femizide geschehen besonders häufig in Folge einer Trennung und nicht selten geht ihnen eine lange Zeit der häuslichen Gewalt und des Stalkings voraus. So auch im Fall, der jetzt in Erfurt verhandelt wird. Die Mutter der Getöteten sagte am ersten Prozesstag aus, in den 17 Jahren Ehe habe es viel Streit gegeben und ihr Ex-Schwiegersohn sei wegen Kleinigkeiten ausgerastet. 2018 hatte die Mutter der Getöteten Anzeige gegen den Angeklagten erstattet, weil er sie aus seinem Auto heraus bespuckt und bedroht habe.

Freitag, 22. Januar

Der Tagesspiegel hat sich „Leitlinien für geschlechtergerechte Sprache“ gegeben. Darin heißt es „Unsere Sprache sollte so genau und so leicht verständlich wie möglich sein, sie sollte zeitgemäß, inklusiv, fair und undogmatisch sein. Dazu gehört für uns auch, dass unsere Sprache alle anspricht und zum Ausdruck kommt, dass alle gemeint sind, unabhängig von ihrem Geschlecht.“ Nach einiger Diskussion in der Redaktion (so die Selbstauskunft) hat sich die Tageszeitung gegen eine einheitliche Form entschieden und möchte fortan lieber „experimentieren“. Dazu gehört es ausdrücklich auch, das generische Maskulinum weiter zu nutzen, bspw. in „Nachrichten, Blogposts, Teasern oder Überschriften“. Die „Leitlinien“ legen also nichts fest, jede*r macht wie er*sie will. Das ist okay, es gilt die Pressefreiheit. Warum die Redaktion das Ganze jetzt aber zu „Leitlinien geschlechtergerechter Sprache“ aufplustert, war mir zunächst schleierhaft. Ein Blick in die Kommentarspalte reicht aber, um eine Ahnung davon zu bekommen, worum es geht. Der Tagesspiegel verfasst diesen Text vermutlich, um der Leser*innenschaft zu verklickern, dass fortan nicht mehr ausschließlich das generische Maskulinum verwendet wird. Ein Großteil der Kommentierenden ist erbost. Ich habe nach dem sechsten Kommentar aufgehört zu lesen. „Es gibt einen Duden, es gibt Deutschunterricht in Schulen und es gibt deutsche Literatur. Dieser Zirkus kommt darin nicht vor“, ist noch eine der sachlicheren Aussagen.

Apropos Duden:

Und noch etwas:

https://twitter.com/RubenGerczi/status/1352526842889121795?s=20

Samstag, 23. Januar

Ich habe euch im Wochenrückblick #51 das Interview mit der Professorin für Diversity Studies, Maureen Maisha Auma, ans Herz gelegt. Sie spricht darin über die emanzipatorischen Kämpfe marginalisierter Gruppen, über den Feminismus weißer heterosexueller Mittelschichtsfrauen und über die mangelnde Vielfalt im universitären Kosmos. Wegen dieses Interviews steht Prof. Auma jetzt unter massivem Beschuss von rechts.

Studierende und Wissenschaftler*innen der Universität Bayreuth haben in einem offenen Brief Stellung bezogen und drücken ihre Solidarität mit der Professorin aus. Sie zollen ihr und ihrer wertvollen Arbeit „in der Etablierung der Intersektionalitätsstudien, Gender Studies, Childhood Studies und Critical Race Studies“ Respekt und stellen sich symbolisch hinter sie: „Wir wissen, dass Sie diese Forschungsfelder trotz heftigen Gegenwindes stark gemacht haben, der insbesondere von rassistischen Parteien und deren Vertreter*innen immer wieder entfacht wird. Wir beobachten, dass diese Rassist*innen und Sexist*innen einem wissenschaftlichen Dialog nicht standhalten und diesen deswegen durch populistische Interventionen meiden.“

Sonntag, 24. Januar

Heute vor einem Jahr hat die Polizei Maria B. in ihrem eigenen Zimmer in Berlin-Friedrichshain erschossen. Der Vorfall hat mich damals sehr erschüttert und tut es noch. Maria war – wie ich zu diesem Zeitpunkt – 33 Jahre alt, psychisch erkrankt und aktiv in der linken Szene. Es ist einfach furchtbar, dass sie sterben musste. Warum die Polizei die Zimmertür aufgebrochen hat und zu viert in den Raum stürmte, ohne eine psychologische Fachkraft zurate zu ziehen, ist mir unbegreiflich. Die Ermittlungen wurden bereits im Februar eingestellt. Die Polizist*innen hätten in Notwehr gehandelt.

…und zum Schluss mal wieder was Neues von Till „Rohypnol ins Glas“ Lindemann:

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