Georgina Beyer ist gestorben, in Hamburg lief ein christlicher Fanatiker Amok und nicht nur in den USA fantasieren Konservative von der Ausrottung von trans Menschen. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW10
Montag, 6. März
Georgina Beyer ist tot. Wie Queer.de in Berufung auf Freund*innen der Verstorbenen berichtet, ist die neuseeländische Politikerin am Montag im Alter von 65 Jahren in einem Hospiz friedlich eingeschlafen. „Georgie war die letzte Woche über Tag und Nacht umgeben von ihren Freund*innen. Sie akzeptierte, was geschah und machte Witze und hat bis zu ihrem letzten Moment ein Funkeln im Auge“, zitiert Queer.de aus einem Statement.
Georgina Beyer, die ihre Geschlechtsanpassung 1984 durchführte, wurde 1995 Bürgermeisterin der Kleinstadt Carterton, als erste offen trans Person der Welt. 1999 zog sie für die Labour Party ins Unterhaus ein, ebenfalls als erste weltweit. 22 Jahre bevor in Deutschland die ersten trans Personen in den Bundestag gewählt wurden.
Georgina Beyer war den Großteil ihres Lebens engagierte Kämpferin für die Rechte der LGBTQIA-Community. Bevor sie in die Politik ging, war sie Drag-Performerin und Sexarbeiterin und moderierte eine Morningshow einer lokalen Radiostation in Carterton.
Dienstag, 7. März
Das Onlineportal Belltower-News der Amadeu Antonio Stiftung hat eine lesenswerte Recherche zu Felix F. veröffentlicht, einem rechten Content Creator, der auf YouTube misogyne Männerrechtler-Videos veröffentlicht. Felix F., der sich während der Corona-Pandemie weiter radikalisierte, studiert nach eigenen Angaben Mathematik und Schulpsychologie. Nach dem Bekanntwerden seines Internetauftritts wird nun hoffentlich für alle Zeit verhindert, dass der Mann, der öffentlich Gewalt gegen Frauen proklamiert, Verantwortung für Schüler*innen übertragen bekommt.
Auch am Dienstag
Die 50-jährige Frau, die am vorangegangenen Mittwoch in Mülheim von ihrem 56-jährigen Ehemann mit einem „Schlagwerkzeug“ angegriffen wurde, ist verstorben. Das teilte die Polizei am Dienstag mit. Einsatzkräfte waren am 1. März zum Wohnhaus im Stadtteil Styrum gerufen worden, wo der Täter sich mit seinem Opfer eingeschlossen hatte. Nachdem die Sanitäter*innen „schlagähnliche Geräusche“ hörten, traten sie die Tür ein und fanden die Frau schwerverletzt vor. Der Mann wurde festgenommen.
Ein weiterer Femizid ereignete sich Ende der Woche: In Lichtenfels (Bayern) wurde am Freitag eine 50 Jahre alte Frau in einem Blumenladen erschossen. Es gibt noch keine Hinweise auf einen Tatverdächtigen oder ein Motiv.
Mittwoch, 8. März
Der 8. März ist feministischer Kampftag oder auch „Frauentag“, je nachdem, wen man fragt. Ich habe mich anlässlich dieses Datums mit der Frage auseinandergesetzt, wie er denn nun heißt, dieser Tag, und darüber einen Text veröffentlich. Ihr könnt ihn hier lesen.
Wenn ihr Englisch versteht, solltet ihr unbedingt auch die große Recherche im Mother Jones Magazine lesen, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Die Journalistin Madison Pauly gewährt darin bestürzende Einblick in eine geheime Arbeitsgruppe, die maßgeblich die Anti-Trans-Gesetze in den Vereinigten Staaten vorantreibt. Es ist erschreckend, wie ein vergleichsweise kleines Netzwerk der religiösen Rechten die Gesundheitsversorgung für trans Personen im ganzen Land massiv gefährdet.
Auch am Mittwoch
Das Denkmal für den 2012 erschossenen Burak Bektaş in Berlin-Buckow wurde mit einem Hakenkreuz beschmiert. Ein Fußgänger entdeckte das Symbol und rief die Polizei. Das Mahnmal wurde 2018 von der „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş“ unweit des Tatorts errichtet und wurde bereits mehrfach beschädigt. Die Initiative ist sich sicher, dass Burak aus rassistischen Gründen getötet wurde. Er wurde nur 22 Jahre alt. Wenn ihr nicht wisst, was am 5. April 2012, nur wenige Monate nach der Selbstenttarnung des NSU, in Neukölln passiert ist, empfehle ich euch den mehrteiligen Podcast „Wer hat Burak erschossen?“ von Philip Meinhold.
Donnerstag, 9. März
Nach einer Beschwerde bei der Berliner Ombudsstelle für das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) gilt nun für alle städtischen Schwimm- und Freibäder, dass alle Geschlechter oben ohne baden dürfen. Das war laut Badeordnung auch vorher nicht verboten, aber die Auslegung führte bislang zu Diskriminierung. Damit soll von nun an Schluss sein, erklärten die Bäderbetriebe. Jede Person soll sich beim Schwimmen so anziehen wie sie möchte, vorausgesetzt ist nur „handelsübliche Badebekleidung“, dazu zählen Badehose, Badeanzug, Bikini und Burkini – ganz unabhängig vom Aussehen der badenden Person.
Donnerstag zum zweiten
In Honduras hat die linke Präsidentin Xiomara Castro das Verbot der „Pille danach“ nach 13 Jahren aufgehoben. Seit Oktober 2009 war der Verkauf und die Verwendung der Pille strafbar gewesen. Die Entscheidung das Medikament wieder zu legalisieren ist ein enorm wichtiger Schritt für die reproduktiven Rechte in Honduras. In dem streng katholischen Land sind Schwangerschaftsabbrüche gänzlich verboten, auch nach Vergewaltigung oder wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist. Die Präsidentin berief sich in einem Statement auf die Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), nach der die Pille danach „kein Abtreibungsmittel“ sei.
Donnerstag zum dritten
Die rechte österreichische Partei FPÖ hat in Wien einen Antrag gestellt, Auftritte von Dragqueens vor Kindern zu verbieten. Der Wiener Parteichef Dominik Nepp sagte „Dieser Transgender-Irrsinn schwappt immer mehr aus den USA nach Europa“ und forderte „massiven Widerstand gegen diese Sexualisierungspropaganda für kleine Kinder“. Seine Wut richtet sich gegen die „Dragqueen Story Hour“, eine Veranstaltung bei der Dragqueens Kindern Geschichten vorlesen – eine vollkommen harmlose und in keiner Weise sexuelle Angelegenheit. Der Aufschrei von Rechten und Konservativen gegen queere Sichtbarkeit bedroht schon jetzt die Freiheit und Selbstbestimmung vieler Menschen – auch in Deutschland. Unter dem Deckmantel des „Kinderschutzes“ wird versucht, trans Personen und alle Menschen, die gegen die binäre Logik konservativer Queerfeind*innen verstoßen, zur Gefahr zu stilisieren. Allen, die jetzt denken, das ginge sie nichts an oder wäre nur ein „Randphänomen“ sei an dieser Stelle gesagt, dass diese Kräfte nicht bei trans Personen und Dragqueens stehen bleiben werden. Es trifft nur die als erstes, die ohnehin den gesellschaftlich schwächsten Einfluss haben: trans Personen, Sexarbeiter*innen, sichtbar queere Menschen.
Und noch einmal Donnerstag
In Hamburg hat ein 35-Jähriger sieben Menschen, darunter eine Schwangere, in einem kirchlichen Gemeindezentrum erschossen und weitere verletzt. Die Opfer des Amoklaufs waren Mitglieder der Zeugen Jehovas, die Religionsgemeinschaft, der auch der Täter bis vor ca. eineinhalb Jahren angehörte. Ein religiöser Fanatist war Philipp F. aber offenbar auch ohne Zugehörigkeit zu einer Kirchengemeinde. Er schrieb ein fast 300 Seiten starkes Manifest, das er „Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan: eine neue, reflektierte Sicht epochaler Dimensionen“ nannte. Darin: Misogynie, Antisemitismus, Hitlerverehrung, Homophobie und allerlei religiöses Geschwurbel. Alles öffentlich zugänglich – dennoch war Philipp F. seit dem Dezember 2022 Inhaber einer Waffenbesitzkarte und einer halb automatischen Pistole. Auch eine anonyme Warnung an die Polizei Hamburg im Januar und eine anschließende Überprüfung des Waffenbesitzers und „Hobby-Cops“, inklusive persönlicher Ansprache, brachte bei den Behörden niemanden auf die Idee, dass der christliche Fundamentalist vielleicht besser keine Waffe tragen sollte. Jetzt ist es zu spät, die Menschen sind tot, die Überlebenden und Hinterbliebenen für immer traumatisiert und der Attentäter hat sich suizidiert. Bis zum nächsten „tragischen Einzelfall“.
Freitag, 10. März
Anfang der Woche machte eine Meldung aus den USA Schlagzeilen: Republikanische Konferenz: „Transgenderismus muss ausgerottet werden“. Bei der CPAC-Konferenz, an der u.a. auch Donald Trump teilnahm, erklärte der konservative Aktivist Michael Knowles: „Es kann keinen Mittelweg in unserem Umgang mit Transgenderismus geben. Es ist alles oder nichts.“ Trans sein sei „falsch“ sagte er und forderte „zum Wohle der Gesellschaft und speziell der armen Menschen, die Opfer dieser Verwirrung geworden sind“, dass „Transgenderismus (…) vollständig ausgerottet werden“ müsse, „die ganze absurde Ideologie.“ Das Entsetzen, dass diese Vernichtungsfantasien nicht nur offen ausgesprochen werden, sondern auch noch viel Applaus erhalten, war noch nicht abgeklungen, als am Ende der Woche die wortgleiche Forderung auch in Deutschland öffentlich verkündet wurde. Der katholische Künstler und Autor Julian Adrat kündigte die aktuelle Folge seines Podcasts „KONSERVATIV“ auf Twitter mit den Worten an: „Der Transgenderismus gehört ausgerottet. Wie der Kommunismus. Wie der Nationalsozialismus. Mit Haut und Haar“. Während ich das hier tippe (Sonntag, 20:29 Uhr) ist die Podcastfolge noch immer bei Spotify abrufbar.
Das wars für heute mit dem Wochenrückblick. Ich schaffe das Wochenende heute nicht mehr. Ich habe ohnehin nichts mitbekommen und nur gearbeitet. Schreibt gern in die Kommentare, wenn es was wichtiges gab.
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Ich kann nur hoffen, dass wir uns nicht noch mehr von den rechts-konservativen Amerikanern abschauen und unsere queeren Geschwister unterstützen und schützen!
Danke für diesen Wochenrückblick.