Ein Appell gegen Aufrüstung, ein PR-Coup auf Kosten Schwarzer Menschen und eine Kundgebung von Transfeind*innen in Berlin. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW12
Montag, 21. März
Und wieder beginnt der Wochenrückblick mit einem Femizid. In Flöha, bei Chemnitz (Sachsen) wurde am Montagmorgen die Leiche einer 67-jährigen Frau in deren Wohnung gefunden. Tatverdächtig ist der 62 Jahre alte Ehemann, der noch am Tatort festgenommen wurde.
Bereits am Wochenende wurde in Lindlar (Oberbergischer Kreis, NRW) eine 63-jährige Frau mutmaßlich von ihrem Ehemann getötet. Ersten Ermittlungen der Polizei zufolge habe es am Sonntagnachmittag einen Streit zwischen dem Paar gegeben, der Mann sei daraufhin mit einem Auto gegen einen Baum gefahren und wurde schwer verletzt. Die Frau wurde mit „schwersten Kopfverletzungen“ in der gemeinsamen Wohnung entdeckt und mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik gebracht, wo sie verstarb.
Dienstag, 22. März
Seit dem Überfall Russlands auf die gesamte Ukraine, der am 24. Februar begann, sind tausende Menschen gestorben, Millionen Menschen sind auf der Flucht. Die Bundesregierung hat keine erkennbare Strategie, aber schon nach wenigen Kriegstagen beschlossen, die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro Sondervermögen hochzurüsten, „die größte Aufrüstung Deutschlands seit Ende des Zweiten Weltkriegs“. Im Bundeshaushalt für dieses Jahr sind ohnehin schon 49 Milliarden für das Militär vorgesehen, die 100 Milliarden kommen on top. Zum Vergleich: Für Bildung und Forschung werden 19,36 Mrd. ausgegeben, für Umwelt 2,7 Mrd. und für Gesundheit 16,03 Mrd. Inwieweit das den Menschen in der Ukraine, den Geflüchteten oder überhaupt jemandem in der Welt (mit Ausnahme der Rüstungskonzerne) helfen soll, ist mir vollkommen unklar. Und damit bin ich nicht allein. Stand jetzt (Sonntag, 15.35 Uhr) haben 34.295 Menschen eine Petition unterzeichnet, die es als „Der Appell“ bis in die Meldungen der Tagesschau geschafft hat. Zu den prominenten Erstunterzeichner*innen gehören Christoph Butterwegge, Hans-Christian Ströbele, Frank Deppe, Şeyda Kurt, Sarah Lee Heinrich, Gregor Gysi, Sasha Marianna Salzmann und Max Czollek. Die Forderung: eine „breite demokratische Diskussion über ein umfassendes Sicherheitskonzept, das die Sicherheit vor militärischen Angriffen genauso einschließt wie pandemische und ökologische Aspekte und dem das Konzept der Einheit von Sicherheit und gemeinsamer Entwicklung zugrunde liegt“, statt „auf Jahrzehnte geplante Hochrüstung“. Ihr könnt den Appell hier mitzeichnen.
Mittwoch, 23. März
Madeleine Albright ist gestorben. Die ehemalige Außenministerin wurde 84 Jahre alt. Vielen gilt die in Prag geborene Politikerin als feministische Ikone und daran wird das ganze Dilemma des sogenannten „white Feminism“ deutlich. Denn ja: Madeleine Albright war tough. Sie war die erste Frau an der Spitze des US-Außenministeriums. Sie wusste sich durchzusetzen in einer Welt von Männern für Männer. Sie hat andere Frauen unterstützt, wie Hillary Clinton bei deren Präsidentschaftskandidaturen 2008 und 2016. Sie nannte Donald Trump „den ersten antidemokratischen Präsidenten in der modernen Geschichte der USA“. Für all das wird Madeleine Albright von weißen Feminist*innen gefeiert und verehrt und das ~obwohl~ Albright eine knallharte Kapitalistin war, die maßgeblich für die UN-Sanktionen gegen den Irak in den 1990er Jahren verantwortlich war. „Die Zahl der Toten, die indirekt durch die Sanktionen ums Leben kamen, wird bis heute kontrovers diskutiert“, schreibt das ND. In einem Bericht der UN wir die Zahl der irakische Kinder, die zwischen 1991 und 1995 aufgrund der Wirtschaftssanktionen gestorben waren, auf 576 000 beziffert. Über eine halbe Million tote Kinder also. Als Madeleine Albright 1996 in einem CBS-Interview darauf angesprochen wurde, ob es das „wert gewesen“ sei, sagte sie: „Ich denke, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber der Preis ist es wert.“ Kill children, but make it feminist.
Donnerstag, 24. März
Letzte Woche kannte so gut wie niemand in Deutschland den Namen Ronja Maltzahn. Doch dann wurde die Musikerin von der „Fridays for Future“ Ortsgruppe Hannover ausgeladen. Eigentlich hätte Maltzahn mit ihrer Band beim Klimastreik am Freitag auftreten sollen, doch die Veranstalter*innen entschieden sich, das wieder abzusagen, da Ronja Maltzahn weiß ist und Dreadlocks trägt. Kulturelle Aneignung also und respektlos der Black Hair Bewegung bzw. dem Befreiungskampf Schwarzer Menschen gegenüber. Die FFF-Gruppe aus Hannover teilte Ronja Maltzahn die Absage per Direktnachricht auf Instagram mit, was manchen Menschen vielleicht unsensibel erscheinen mag, in der heutigen Kommunikation aber nicht besonders ungewöhnlich ist. Ronja Maltzahn veröffentlichte die Nachricht allerdings und löste damit eine Welle der Empörung aus. Geschickter Schachzug, würde ich sagen. Die Musikerin bekam jede Menge Zuspruch (unter anderem von sehr weit rechts, was sicher nicht erhofft war, allerdings auch nicht überraschen sollte). Ronja Maltzahn gab ein Interview nach dem anderen und postete auch selbst ein Statement auf Instagram, indem sie sich als missverstandenes Opfer inszenierte: „Wir hatten uns darauf gefreut ein Zeichen für Frieden und gegen Diskriminierung mit unserer Musik setzen zu dürfen. Schade, dass wir aufgrund von äußerlichen Merkmalen davon ausgeschlossen werden.“ Dem eigentlich Kritikpunkt begegnet sie mit Ignoranz und liefert eine Paradenummer des weißen Klischee-Hippies, der nur Liebe und Frieden für alle hat. Fehlte eigentlich nur noch der Satz „Ich sehe keine Hautfarben“. Ronja Maltzahn hat ihre Followerzahl verdoppelt und der rechte Mob auf Twitter eskaliert. Nur über das Problem der Kulturellen Aneignung redet irgendwie niemand. Schade.
Freitag, 25. März
Ich habe den Journalisten Jan Feddersen immer bei der taz verortet und mich geärgert, dass ihm die Redaktion Raum für seine Transfeindlichkeit gibt. Jetzt schreibt er offenbar für die Welt, wo er ideologisch definitiv besser passt. Am Freitag erschien dort ein Artikel hinter der Paywall, bei dem schon die Überschrift keinen Zweifel mehr daran lässt, in welche Richtung es gehen wird: „Der Tod des Frauen-Leistungssports, wie wir ihn kennen“ lautet der Titel und der erste Absatz reicht, um nicht weiterlesen zu wollen: „Dass mit Lia Thomas eine Schwimmerin, die früher als Mann startete, heute Damenwettkämpfe dominiert, ist unfair. Sie hat einfach andere Voraussetzungen als ihre Rivalinnen. Es mag traurig sein, aber: Trans-Sportlerinnen können nicht am Frauensport teilhaben, in keiner Disziplin.“
Endlich haben Transfeind*innen von links bis ultrarechts den scheinbar idealen Kampfplatz gefunden, um ihre Agenda anschlussfähig für den Mainstream zu machen. Die transfeindliche Erzählung, dass Frauen sich durch die Transition im Sport Vorteile erschleichen würden, ist so perfide wie berechnend. Auf den ersten Blick mag es schlüssig erscheinen, dass eine Person, der bei der Geburt das Geschlecht „männlich“ zugewiesen wurde, einen unfairen Vorteil gegenüber einer cis Frau habe. Doch schon auf den zweiten Blick wird deutlich, welche Schwächen diese Argumentation hat. Dem Argument liegt die Annahme zugrunde, dass jeder Körper, der von der Dominanzgesellschaft als männlich gelesen wird, jedem Körper, der als weiblich gilt, überlegen sei. Das ist natürlich Quatsch. Vielmehr sind bestimmte körperliche Eigenschaften für bestimmte Sportarten förderlich. Die Körpergröße ist häufig so ein Faktor oder auch der Testosteronwert oder das Muskel-/Fett-Verhältnis. Michael Phelps hat bspw. ungewöhnlich niedrige Laktatwerte, seine Füße, die er selbst „Flossen“ nennt, lassen sich um etwa 15 Grad stärker beugen als bei den meisten Schwimmer*innen. Weil es eben nicht per se die Geschlechtszuschreibung ist, die über sportlichen Erfolg entscheidet, braucht es andere Maßstäbe, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Das wird im Sport allerdings nur selten angewandt. Im Boxen kennen wir Gewichtsklassen, in anderen Sportarten, wie z.B. im Schwimmen wird im Erwachsenenbereich lediglich nach Geschlecht unterschieden, bzw. nach dem Vorliegen einer Körperbehinderung. Diese Entscheidung bringt einem Michael Phelps Vorteile gegenüber anderen Sportlern ein. Das ist akzeptiert. Wir haben uns daran gewöhnt. Frauen, die nicht dem Bild der zarten Elfe entsprechen, stehen seit jeher im Sport unter Beobachtung. Der Fall der südafrikanischen 800-Meter-Läuferin Caster Semenya ist Beweis dafür, dass Frauen, deren Äußeres als „zu männlich“ oder deren Testosteronwerte als „zu hoch“ eingestuft werden, bei Wettkämpfen diskriminiert oder gar davon ausgeschlossen werden. Sie sind verpflichtet, ihre Hormone medikamentös so zu beeinflussen, dass die Testosteronwerte unter die erlaubte Höchstgrenze fallen. Doch diese misogyne Regelungen sind den Transfeind*innen noch nicht genug. Denn Laurel Hubbard, Lia Thomas und Co, erfüllen längst die Vorgaben: ihr Testosteron ist nicht zu hoch für den Wettkampf. Deshalb werden andere Maßstäbe herangezogen, die einen Ausschluss begründen sollen. Das Motiv dahinter ist schlicht Transfeindlichkeit und nicht – wie behauptet – Fairness. Dass es eine Athletin wie Lia Thomas trotz des massiven Hasses, den sie erlebt (teilweise sogar im eigenen Team), trotzdem schafft, heraus-ragende Leistungen abzurufen, verdient Anerkennung. Überhaupt scheinen die, die einen Ausschluss von trans Frauen fordern, nie über die psychischen Voraussetzungen sprechen zu wollen. Denn es ist eine massive Belastung für eine Athletin, wenn sie für ihre sportlichen Leistungen nicht gefeiert, sondern gehasst wird. Inzwischen werden in vielen Verbänden bereits trans Mädchen aus den sportlichen Wettkämpfen ausgeschlossen. Unter dem Deckmantel der „Fairness“ werden Menschen diskriminiert. Lia Thomas kämpft nicht nur für sich selbst. Sie erträgt den Hass, die Anfeindungen. Sie sagt: „Ich möchte trans Kindern und jüngeren Athlet*innen zeigen, dass sie nicht allein sind. Dass sie nicht wählen müssen zwischen dem, was sie sind, und dem Sport, den sie lieben.“
Wer den Fehler macht, trans Frauen aus dem Sport zu verbannen, gibt denen recht, die sagen, trans Frauen seien eben doch keine Frauen. Wer behauptet, Männer würden sich als falsche trans Frau in den Frauensport schleichen, hat keine Ahnung davon, wie wenig lukrativ es ist, als Frau professionell Sport zu betreiben. Die Debatte um trans Frauen im Sport ist nichts als eine Schein-debatte darüber, wer in unserer Gesellschaft als Frau anerkannt wird und wer nicht. Transfeind*innen werden nicht aufhören. wenn sie trans Frauen aus dem Sport verbannt haben. Sie werden weitermachen mit ihrem Hass, mit ihrem Bestreben danach, trans Frauen auszugrenzen, zu demütigen, zu verletzen.
Samstag, 26. März
Selbsternannte „Radikalfeministinnen“ hatten in den Sozialen Medien zu einer Kundgebung für Samstag in Berlin aufgerufen. Offiziell war eine Veranstaltung angemeldet zum Thema „Für Frauenrechte und die Feministische Agenda“. In Wahrheit ging es aber in erster Linie darum, gegen das Selbstbestimmungsgesetz und die Rechte von trans Menschen zu demonstrieren. Das Manifest der Gruppe „Radfem Berlin“, das auch am Samstag verlesen wurde, ist ein Hasspamphlet gegen trans Personen und enthält verschwörungsideologische Elemente. Ich wollte diese Kundgebung nicht einfach unwidersprochen lassen und habe am Mittwochnachmittag spontan einen Gegenprotest angemeldet. Ca. 80 Personen sind gekommen und haben Lärm gemacht gegen die TERFs und SWERFs. Celestine Hassenfratz hat fotografiert und gefilmt, einen Zusammenschnitt könnt ihr hier sehen:
Die Radikalfeministinnen waren zufrieden mit ihrer Kundgebung. Eine der Organisatorinnen, die im Impressum der Gruppe als Verantwortliche genannt wird, sagte auf Instagram, es seien 60 – 70 Frauen gekommen, das sei „so gut wie 7000 in Spanien“. Sie ist sich sicher, dass nächstes Mal 200 kommen werden. Und ich halte das leider nicht für utopisch. Die Stimmungsmache gegen trans Personen ist in vollem Gange. TERFs mobilisieren massiv gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz und inszenieren sich als Kämpferinnen für Frauenrechte. Sie beschwören eine Bedrohung herauf, die faktisch nicht existiert, aber es wirkt. Es wird Zeit, dass wir aufhören, TERFs zu belächeln. Auch wenn deren Thesen absurd sind und wir sie gerne als abstruse Trolle abtun würden: Sie sind real und sie sind gefährlich. Große Medien (von FAZ bis ZEIT) geben ihnen eine Plattform. Das Buch von Chantal Louis und Alice Schwarzer, das als „Streitschrift“ geframet wird, erscheint bei Kiepenheuer & Witsch. Der renommierte Verlag lässt Menschen zu Wort kommen, die „humanitäre und politische Bedenken“ haben „zu dem aktuellen Trend“. Es wird allgemein so dargestellt, als handle es sich um ein „Debattenthema“ und nicht um Menschenrechte für trans Personen. Die Existenz und das Recht auf ein Leben in Würde dürfen nicht als Diskussionsgrundlage missbraucht werden. Das sollten Feminist*innen eigentlich am besten wissen.
Sonntag, 27. März
Twitter ist das ideale Medium für bedeutungslose Männer, die ab und an versuchen, ihrer Bedeutungslosigkeit zu entkommen. Der ehemalige BILD-Chefredakteur, dem u.a. sexualisierte Belästigungen vorgeworfen werden, startete heute so einen Versuch. Er twitterte: „Die Zwangsmaus ist ganz sicher nicht dafür da, die Früherziehung der anti-toleranten totalitären Woke-Bewegung zu betreiben. Genau wegen sowas fordern Eltern Gesetze wie in Florida, damit ihnen die Erziehung ihrer Kinder nicht von Ideologen entrissen wird.“
„Bitte was? Wer oder was ist eine Zwangsmaus?“, mag sich die geneigte Leser*innenschaft fragen und ich kläre gerne auf. Es geht um die „Sendung mit der Maus“. Die hatte heute nämlich trans Personen zum Thema. Zu viel für Julian „I’ll be back“ Reichelt, der wahrscheinlich die große Verschwulung der Jüngsten wittert. „Die Zwangsmaus und die Öffentlich-Rechtlichen wollen, dass wir uns nicht mehr trauen, Dinge zu sagen, von denen wir wissen, dass sie wahr sind. Sie wollen uns einschüchtern und erziehen, bis wir aus Furcht Fakten verleugnen: Jungs sind Jungs, Mädchen sind Mädchen.“
„Die Maus“ konterte bravourös: