In der letzten Woche des Jahres gab es nochmal vier Femizide, in München wird ein rechtsextremer Soldat als ungefährlich eingestuft und ich werde Claus Kleber vermissen. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW52
Montag, 27. Dezember
Am Montag trendete #Schutzschild auf Twitter, nachdem am Sonntagabend in Schweinfurt rund 2.500 Menschen gegen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung demonstriert hatten. Der „Spaziergang“ war nicht angemeldet und die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Dabei wurde ein vierjähriges Kind verletzt. Die Tagesschau berichtet, das Kind sei in die „Pfefferspray-Nebelwolke“ geraten, als die Mutter versuchte, eine Absperrung zu durchbrechen. Die Einsatzkräfte hätten „unverzüglich“ medizinische Hilfe geleistet und das Kind sei „nach wenigen Minuten und einer Augenspülung (…) wieder beschwerdefrei gewesen“. Die Polizei twitterte: „Anzeige gegen die Mutter ist erstattet und selbstverständlich wird auch das Jugendamt informiert“.
Ich will an dieser Stelle keinesfalls die unerträgliche Selbstgerechtigkeit der (vermutlich) Ungeimpften rechtfertigen oder verharmlosen. Diese „Spaziergänge“ sind eine Verhöhnung aller, die Angehörige durch Covid-19 verloren haben oder die an Long Covid leiden und ein Schlag ins Gesicht aller Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen. Solche Demos sind wissenschaftsleugnend und mindestens fahrlässig. Dennoch habe ich kein Verständnis für die, die sich jetzt auf die Seite der Cops stellen, die mit Pfefferspray auf Kinder losgehen. Natürlich war ich in Schweinfurt nicht dabei, aber ich werde niemals unkritisch Polizeimeldungen glauben. Woher wissen wir, dass die Mutter nicht versuchte, mit ihrem Kind aus der Gefahrenzone zu verschwinden? Weil die Polizei das sagt?! Okay, zugegeben, ich kann mir durchaus vorstellen, dass Menschen ihre Kinder bewusst zu solchen Aktionen mitschleppen, als Impfgegner*innen bringen sie ihre Brut ja auch anderweitig in Gefahr, aber selbst wenn: Es ist niemals gerechtfertigt, dass die Polizei Gewalt gegen Kinder einsetzt. Ich werde Polizeigewalt niemals feiern, wie halb Twitter es tut, sobald sich die Gewalt gegen Querdenker*innen richtet.
Dienstag, 28. Dezember
Am Dienstag gab es gleich drei Femizide. In Leipzig wurde die Leiche einer 43-jährigen Frau gefunden. Ein 40-jähriger Mann, der ein Bekannter der Frau sein soll, wurde festgenommen und es wurde Haftbefehl wegen Mordverdachts erlassen. In Fischerhude (Niedersachsen) wurden eine 73-jährige Frau und ein 56-jähriger Mann in einem Fachwerkhaus getötet. Eine 53-jährige Frau wurde schwer verletzt. Ein 64-jähriger Mann sitzt unter Mordverdacht in Untersuchungshaft. Nachbar*innen hatten die Polizei gerufen, „nachdem sich die 53-jährige Frau blutüberströmt zu ihnen retten konnte. ‚Helft mir! Drüben wird geschossen‘, habe sie gesagt“, berichtet ZEIT Online. Und in Wermelskirchen (Nordrhein-Westfalen) wurde eine 58-Jährige mutmaßlich von ihrem Ehemann in der Badewanne ertränkt. Der 59-Jährige hatte selbst die Rettungskräfte alarmiert. Im Rahmen der Obduktion wurden Anhaltspunkte für ein Tötungsdelikt gefunden.
Auch am Dienstag
Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass Menschen mit Behinderung in der Corona-Pandemie besser geschützt werden müssen. Die Karlsruher Richter*innen haben festgestellt, dass es verfassungswidrig ist, dass der Ablauf einer Triage bisher nicht gesetzlich geregelt ist. Die Kriterien für eine Triage müssten den Diskriminierungsschutz von Menschen mit Behinderung sicherstellen. „Gerade in einer Situation wie der Corona-Pandemie, in der Intensivbetten und Beatmungsgeräten knapp sind, müsse der Gesetzgeber für rechtliche Sicherheit sorgen, damit Menschen mit Behinderung bei der Entscheidung, ob sie versorgt werden, nicht benachteiligt werden“, schreibt die Tagesschau.
Mittwoch, 29. Dezember
Am Mittwoch hat in Grünberg bei Gießen (Hessen) offenbar ein 64-Jähriger seine von ihm getrennt lebende Frau getötet. Die Polizei fand die Leiche der Frau mit Schussverletzungen. Am Tatort seien zudem eine Handfeuerwaffe und eine Langwaffe gefunden worden.
Donnerstag, 30. Dezember
Der Bundeswehrsoldat Andreas Oberauer nimmt ein Drohvideo gegen den Staat auf und stellt es online. Er stellt dem Staat ein Ultimatum, die „Impfpflicht“ zurückzunehmen, er sagt: „Ich habe alle Politiker in der gesamten Regierung klar ihr Schicksal angedroht“ und „dies ist eine Warnung. Wir haben es klar bereits benannt (…) wir werden’s uns nicht wiederholen. Ihr hoabt’s bis morgen Zeit“. In einem zweiten Video beklagt er dann, dass die „Frist ignoriert worden ist“. An seiner Tag-X-Fantasie hält er aber fest. Er tritt in einem Facebook-Video mit Oberst a.D. Max Eder auf. Eder, der 1999 als Kommandeur eines Panzergrenadierbataillon im Kosovo „diente“ und im Juli einen „Stab“ aus Reservisten im Hochwassergebiet befehligte, sagte bei einer Querdenker-Demo: „Man müsste das KSK mal nach Berlin schicken und hier ordentlich aufräumen, dann könnt ihr mal sehen, was die können“. In dem Video ruft Oberauer dazu auf, um 19 Uhr auf dem Odeonsplatz nach München zu kommen. Dann faselt er was über die Maskenpflicht in der Bundeswehrkantine und von seinem Major, der als „gottloser Kommunist“ bezeichnet wird. Max Eder, sagt, nach einem freundschaftlichen Schulterklopfer bei Oberauer: „Der Bursch doa, der hat sei Herz auf dem richtige Fleck“ und spricht ihm Respekt aus. Er behauptet: „Das ist grundgesetzwidrig, was hier passiert. Und nicht Corona schränkt unsere Grund- und Freiheitsrechte ein, sondern die handelnden Regierungen (…) und hier geht es darum (…) dass wir unsere Bürger schützen“. Am Abend auf dem Odeonsplatz wurde „der liebe Andi“ Oberauer dann verhaftet. Kurz darauf wird er allerdings wieder freigelassen: „Man gehe nicht davon aus, dass von dem Mann eine akute Gefahr ausgehe“, sagt die Tagesschau mit Bezug auf einen Polizeisprecher. Klar, ein Rechtsextremist mit Zugang zu Waffen, der dazu aufruft den Staat zu stürzen – was soll da schon schiefgehen?
Auch am Donnerstag
Claus Kleber hat sich am Donnerstag nach 20 Jahren Heute-Nachrichten von den Zuschauer*innen verabschiedet. Für mich war er einfach DER Anchorman und ich werde ihn ein bisschen vermissen. Vor allem nach seinen Aussagen im Spiegel-Interview zum Thema zum „Gendern“:
Freitag, 31. Dezember
Das Jahr ist vorbei und ich habe zwei Jahresrückblicke für euch zusammengestellt. In einem findet ihr die guten Nachrichten des Jahres, denn die geraten leider viel zu schnell in Vergessenheit, angesichts der ganzen Misere, die wir täglich in den Nachrichten präsentiert bekommen. Leider ist der Beitrag über die „Good News 2021“ nicht besonders lang. Im Unterschied zum zweiten Jahresrückblick. In diesem habe ich alle Femizide und Familizide zusammengefasst, die ich aus der medialen Berichterstattung recherchieren konnte. Ich habe 128 Fälle gefunden, in denen Männer Frauen töteten (bzw. 129, bei einem Fall ist unklar, ob es ein Femizid oder Suizid war), 24 Fälle, in denen Väter ihre Kinder töteten und 5 Morde an Männern, die im Zusammenhang mit einem Femizid verübt wurden. Ihr könnt die Recherche hier nachlesen.
Auch am Freitag
In der Silvesternacht wurden auf einem Friedhof in Iserlohn mehrere muslimische Grabstätten geschändet. Auf dem muslimischen Teil des Hauptfriedhofs wurden, einer dpa-Meldung zufolge, rund 30 Grabsteine umgeworfen, Dekorationen und Pflanzen beschädigt.
Samstag, 1. Januar
Der Papst hat in seiner Neujahrsansprache was über Frauen gesagt. Nicht, dass sie selbstbestimmt sein sollten und die Freiheit verdienen zu verhüten und abzutreiben, nein, natürlich nicht. Franziskus sagte, wer eine Frau verletze, würde Gott beleidigen und er forderte, dass Mütter mehr gefördert werden. Danke für Nichts, alter Mann. Deine patriarchale Institution schadet den Frauen weltweit so viel mehr, als das uns deine warmen Worte irgendwas nützten.
Sonntag, 2. Januar
Unser Finanzminister solidarisierte sich heute öffentlich mit Alexej Nawalny.
Ich frage mich, ob Linder weiß dass der hier so beliebte „Kreml-Kritiker“ Migrant*innen als „Kakerlaken“ bezeichnete, und die „präzise, aber bestimmte Deportierung von dem, was uns stört“ forderte. Kennt Lindner die Zitate Nawalnys aus dem Bürgermeisterwahlkampf 2013, in denen dieser behauptete, Gastarbeiter aus Zentralasien seien eine Gefahr für russische Frauen?! Weiß Lindner, dass Nawalny ein Rassist und Nationalist ist, der sagte: „Wir Nationalisten wollen nicht, dass man aus Russland die Wurzel russisch entfernt.“ Vielleicht weiß er es nicht, vielleicht ist es ihm aber auch einfach egal. Schließlich wurde Nawalny von der EU erst kürzlich den Sacharow-Preis für Menschenrechte verliehen. Aber gut, was soll man von der Friedensnobelpreisträgerin erwarten, die seit 2014 mehr als 21.500 Menschen im Mittelmeer ertrinken ließ?!
Frohes neues Jahr, liebe Leser*innen. Spendet für die Seenotrettung und passt auf euch auf!