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Ansgar Lahmann hat am Donnerstag eine Kundgebung für das Selbstbestimmungsgesetz vor dem Reichstagsgebäude organisiert. (Illustration von mir.)

Endlich, aber…

Das Selbstbestimmungsgesetz kommt, Deutschland hat seine erste Schwarze Ministerin und der CSD in Köln ist ein Symbol für den Ausverkauf der Szene. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW26

Montag, 27. Juni

Brittney Griner wird weiterhin in Russland gefangen gehalten. Am Montag entschied ein russisches Gericht, die Untersuchungshaft bis zum 20. Dezember zu verlängern. Die US-Basketballerin wurde am 17. Februar wegen des Vorwurfs von Drogenbesitz an einem Moskauer Flughafen festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Bei den „Drogen“ handelt es sich übrigens um ein kleines Fläschchen CBD-Öl, was in vielen Ländern legal ist. Die 31-Jährige spielt seit 2014 in den Saisonpausen der WNBA für den russischen Verein UGMK Jekaterinburg. So halten es viele US-Basketballerinnen, da sie in der Frauen-NBA in ihrem Heimatland nicht sehr viel verdienen. Dass die USA nicht alles tun, um Brittney Griner freizubekommen, könnte daran liegen, dass Griner Schwarz ist und mit einer Frau verheiratet. Der Aufschrei wäre jedenfalls um einiges größer, wenn es sich um eine weiße Amerikanerin handeln würde oder um einen Mann, da bin ich mir sicher. Auch Feminist*innen sind in diesem Skandalfall kaum zu hören. Griner drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Dienstag, 28. Juni

In Bessenbach in Bayern hat ein 73-jähriger Mann eine 61 Jahre alte Frau brutal getötet. Die Frau hatte um Hilfe gerufen und es geschafft aus der Wohnung zu entkommen. Zeug*innen und die herbeigerufene Polizei leisteten vor der Wohnung noch Erste Hilfe, doch die Frau verstarb wenig später im Krankenhaus. Der mutmaßliche Täter wurde am Tatort widerstandslos festgenommen. In einem Bericht des Bayerischen Rundfunks heißt es, Täter und Opfer seien in einer Beziehung gewesen. Es sei in der Wohnung des Mannes zu einer „Auseinandersetzung“ gekommen und der Frau seien „durch massive Gewalteinwirkung schwere Verletzungen zugefügt“ worden. Doch anstatt die Tat als Femizid zu bezeichnen, entschied sich der BR für die denkbar verharmlosenste Überschrift:

Mittwoch, 29. Juni

Aminata Touré ist die erste Schwarze Ministerin in Deutschland. Die 29-jährige Grünen-Politikerin wurde am Mittwoch zur Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung im Kabinett des CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther ernannt. Aminata Touré wurde ein Jahr nach der Flucht ihrer Eltern aus Mali in einer Unterkunft für Geflüchtete in Neumünster geboren. Sie durfte aus „aufenthaltsrechtlichen Gründen“ nicht in den Kindergarten und bekam die deutsche Staatsbürgerschaft erst mit zwölf. Über ihr Aufwachsen und ihren politischen Werdegang hat sie ein Buch geschrieben. In „Wir können mehr sein“ will sie andere BIPoC dazu ermutigen, politisch aktiv zu werden. Es ist schön und richtig, dass endlich eine Schwarze Deutsche Ministerin ist, denn Repräsentation ist notwendig. Für Schwarze Kinder in Deutschland ist es wichtig, dass sie Vorbilder wie Aminata Touré haben. Aber natürlich ist Repräsentation nicht alles. Denn weder repräsentiert Aminata Touré alle Schwarzen Menschen in Deutschland, noch bedeutet die Leitung eines Landesministeriums eine Systemveränderung. Die Ernennung von Aminata Touré darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass struktureller und institutioneller Rassismus real ist. Das bedeutet, dass Rassismus nicht nur individuelles Verhalten bedeutet, sondern in gesellschaftlichen Strukturen (re-)produziert wird, durch Phänomene der „Ausgrenzung, Dehumanisierung, systematischen Benachteiligung und Gewalt sowie der ungleichen Ressourcenverteilung“, wie es die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) definiert. Institutioneller Rassismus zeigt sich u.a. im Bildungs-, Justiz und Gesundheitssystem, auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie bei Polizei und Sicherheitsbehörden.

Donnerstag, 30. Juni

Das Selbstbestimmungsgesetz wird kommen. Endlich! Ich wage noch gar nicht zu glauben, dass es Mitte 2023 tatsächlich so weit sein könnte und Menschen ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern lassen können, ohne ein aufwendiges, teures und erniedrigendes Verfahren zu durchlaufen. Das sogenannte „Transsexuellengesetz“ wird dann tatsächlich Geschichte sein. Dass es mit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetz nun doch länger dauern wird als angekündigt – geschenkt. Wir haben so lange gewartet, da kommt es auf ein paar Monate nicht an. Positiv hervorzuheben ist außerdem, dass das neue Gesetz auch für nicht-binäre Personen gelten soll. Das ist insofern bemerkenswert, als dass die vorherige Bundesregierung noch darauf beharrte, dass die sogenannte „dritte Option“ (also der Geschlechtseintrag „divers“) ausschließlich für Menschen mit „Varianten der Geschlechtsentwicklung“, also inter Personen galt. Die Ampelkoalition will nun die Verfahren vereinheitlichen und jeder Person die Möglichkeit geben, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern zu lassen, egal ob sie trans, inter oder nicht-binär ist.

Doch ihr ahnt es schon, es gibt ein „Aber“, oder vielmehr zwei. Denn während die Gesetzesentwürfe von Grünen und FDP im vergangenen Jahr noch die medizinischen Leistungsansprüche von trans und inter Personen im Sozialgesetzbuch verankern wollten, ist im vorgestellten Eckpunktepapier davon jetzt keine Rede mehr. Es sei Sache des Gesundheitsministers, hier tätig zu werden, erklärte Justizminister Marco Buschmann. Eine weitere Kritik am Eckpunktepapier kam vom Verein Trans-Kinder-Netz, der in einer Pressemitteilung erklärte: „Wir bedauern es, dass das Recht zur geschlechtlichen Selbstbestimmung Jugendlichen ab 14 Jahren darin nur dann zugebilligt wird, wenn alle Sorgeberechtigten zustimmen. Die Änderung von Vornamen und Personenstand ist auch für Jugendliche ein wichtiger Schritt, um ihre Identität diskriminierungsfrei und in Würde leben zu können.“ Jugendliche, deren Sorgeberechtigte nicht zustimmen, müssen zukünftig vor einem Familiengericht um ihre geschlechtliche Selbstbestimmung kämpfen, laut Trans-Kinder-Netz ein „unnötiges Hindernis“. Der Verein befürchtet „ein erneutes Einfordern von entwürdigenden Gutachten Dritter über die Selbstauskunft der Jugendlichen“, auch durch solche Gerichte, die nicht ausreichend für Fragen geschlechtlicher Vielfalt sensibilisiert sind.

In weiser Voraussicht enthält das Eckpunktepapier auch den Satz: „Das Gesetz wird ein bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot enthalten.“ Das heißt übersetzt: Wer eine trans Person gegen ihren Willen outet oder ihren Deadname nennt, muss mit einem Bußgeld rechnen. Das gilt für Behörden, aber auch für Einzelpersonen. Letzteres ist neu und eine direkte Reaktion auf transfeindliche Initiativen und Personen, die schon jetzt alles daransetzen, trans Personen das Leben zur Hölle zu machen. Personen, die mit ihrem alten Namen in der Öffentlichkeit bekannt waren, werden aber auch mit dem neuen Gesetz nicht vor Deadnaming geschützt. Das Eckpunktepapier greift außerdem die gängigste „Befürchtung“ von Transfeind*innen auf: „Es wird weiterhin darauf geachtet werden, dass Schutzbereiche für vulnerable und von Gewalt betroffene Personen nicht missbräuchlich in Anspruch genommen werden. Gewalttätige Personen gleich welchen Geschlechts haben z.B. wie bisher keinen Zugang zu Frauenhäusern.“ Natürlich kocht die Wut reaktionärer Konservativer und menschenfeindlicher TERFs seit Donnerstag wieder auf höchster Flamme. Unter dem #FrauenSagenNein verbreiten sie Hass und Verschwörungsgeschwurbel gegen trans Frauen und die BILD-Zeitung titelte „Ein Mal pro Jahr darf jeder sein Geschlecht wechseln“. Die Kompetenz zum Thema lässt aber nicht nur bei Springer deutlich zu wünschen übrig. Regelmäßig sind es Medien, die transfeindliche Berichterstattung als „ausgewogen“ präsentieren, Ängste schüren durch falsche Darstellungen und hasserfüllten „Expert*innen“ Raum geben. Deshalb ist am Montag die Kampagne TransMedienWatch gestartet. Die Petition „Gegen trans*feindliche Berichterstattung, für einen respektvollen und sachlichen Umgang!“ hat Stand jetzt (3. Juli, 15:50 Uhr) 3.683 Unterschriften. Ihr könnt sie hier mitzeichnen.

Freitag, 1. Juli

Der 1. Juli ist Tag gegen antimuslimischen Rassismus. Das Datum ist nicht zufällig gewählt, es ist der Todestag von Marwa El-Sherbini. Sie wurde 2009 in einem Dresdner Gerichtssaal von einem Rassisten ermordet. Die taz erinnert an die Tat und an das Opfer:

„Sie war im dritten Monat schwanger und gerade mal 31 Jahre alt, als sie ermordet wurde. Die Gerichtsmedizin zählte sechzehn Messerstiche, davon elf in den Brustkorb, der Herzbeutel war durchstochen, auch beide Lungenflügel. Das Grauen geschah am helllichten Tag mitten in einem deutschen Gerichtssaal – ihr dreijähriger Sohn musste zusehen. Marwa El-Sherbini verstarb noch vor Ort. Das Motiv: Hass auf muslimisch wahrgenommene Menschen.“

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Samstag, 2. Juli

CSD in Köln – ja, uff, was soll ich sagen. Im Vergleich zum zeitgleich in Hamburg stattfindenden „Schlager Move“ ist es sicher eine schöne Veranstaltung. Und in einer Gesellschaft, in der queere Menschen permanenter Herabwürdigung, Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind, ist jeder Anlass zum Feiern der Community zu begrüßen. Ich will niemandem den Spaß nehmen und werde voraussichtlich selbst beim CSD in Berlin in drei Wochen mitfeiern. Und doch: Es fühlt sich falsch an, dass das, was mit Protesten von trans Frauen of Color gegen Unterdrückung und Polizeigewalt begann, nun eine fast völlig entpolitisierte Spaßparade geworden ist, zu der selbst die Junge Union „Happy Pride“ twittert und der CDU-Ministerpräsident kommt, um ein paar warme Worte zu sagen. Was ist übrig von einer politischen Bewegung, die radikale Veränderungen fordert, wenn sie heute eine bunte Parade mit Banken, Energieversorgern, Mobilfunkunternehmen, Autokonzernen und Axel Springer feiert? Der CSD ist ein Symbol für den Ausverkauf queerer Werte, für die Kommerzialisierung einer Szene, bei der LG und B weitgehend anerkannt, TQI und A jedoch nach wie vor mit Hass und Ausgrenzung konfrontiert sind. Es ist – wie so oft im Leben – nicht so einfach, hier eine klare Position einzunehmen. Denn natürlich ist es für die Sichtbarkeit queerer Menschen toll, einen CSD mit 1,2 Millionen Menschen zu feiern und die Solidarität innerhalb der Community zu stärken. Denn was wäre, wenn alle Queers, die die kapitalistische Ausrichtung der Veranstaltung kritisieren, der Parade fernbleiben? Bringt uns das insgesamt voran? Ich weiß es nicht, ganz ehrlich. Falls ihr eure Gedanken dazu mit mir teilen wollt, schreibt gerne einen Kommentar oder eine E-Mail an ulla@feminismuss.de.

Sonntag, 3. Juli

Ich wollte erst was über die transfeindliche Meeresbiologin schreiben, deren Vortrag mit dem Titel „Warum es in der Biologie nur zwei Geschlechter gibt“ von der Humboldt Universität kurzfristig abgesagt wurde, aber dann hatte ich keine Lust. Immer wieder bekommen Menschen, die aus ihrem Hass auf trans Menschen keinerlei Geheimnis machen, eine Bühne und wenn sich Veranstaltende dann doch entscheiden, diese Bühne (vorübergehend) zu entziehen, schreien Journalist*innen von FAZ bis taz „Cancel Culture“ und verhelfen den Menschenfeind*innen so zu noch mehr Raum, um ihren Hass zu verbreiten. Ich bin es so leid. Danke an die stabilen Genoss*innen vom „arbeitskreis kritischer jurist*innen an der humboldt uni berlin“, die die Hetze der Meeresbiologin nicht unwidersprochen ließen.

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