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Ein "Protestonaut" auf der Mietendemo in Berlin. Foto: Jana Kreisl

Die Miete ist zu hoch

12.000 Menschen demonstrieren in Berlin gegen die Mietpreise, in Dresden versuchen Nazis den CSD zu stören, in Mönchengladbach greifen sie ein Wohnheim für Behinderte an und in Mannheim bleibt tödliche Polizeigewalt mal wieder straffrei. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW22

Montag, 27. Mai

In der Nacht zu Montag wurde ein Wohnheim der „Lebenshilfe“ für Menschen mit Behinderung in Mönchengladbach angegriffen. Mit einem Stein wurde die Tür der Einrichtung eingeschlagen oder eingeworfen. Auf dem Ziegelstein stand „Euthanasie ist die Lösung“, was wenig Zweifel am Motiv für die Tat lässt. „Die Aufschrift legt nahe, dass Rechtsradikale für den Angriff auf die Lebenshilfe-Einrichtung verantwortlich sein könnten“, berichtet der wdr. Bereits an Pfingsten gab es einen Angriff auf die Lebenshilfe Mönchengladbach. Das Büro, das nur wenige Kilometer vom Wohnheim entfernt liegt, wurde ebenfalls mit Ziegelsteinen angegriffen. Der Geschäftsführer, Özgür Kalkan, sagt: „Die Lebenshilfe Mönchengladbach setzt sich unermüdlich für die Unterstützung und Integration von Menschen mit Behinderungen ein. (…) Die jüngsten Vorfälle sind ein feiger Versuch, diese wertvolle Arbeit zu untergraben und Angst sowie Zwietracht zu säen.“ Die Polizei und der Staatsschutz ermitteln u.a. auch ob es einen Zusammenhang mit der versuchten Brandstiftung an einem SPD-Parteibüro geben könnte.

Dienstag, 28. Mai

Das Parlament in Georgien verabschiedete am Dienstag das umstrittene Gesetz „über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“, mit dessen Hilfe die staatliche Kontrolle zivilgesellschaftlicher Organisationen massiv ausgeweitet wird. Die Opposition spricht vom „russischen Gesetz“, da es Parallelen zum Gesetz gegen „ausländische Agenten“ in Russland aufweist. Georgische NGOs, die mehr als 20 % ihrer Spenden- und Fördergelder aus dem Ausland erhalten, müssen sich als „ausländische Agent*innen“ registrieren lassen. Das betrifft insbesondere auch LGBTQIA+ Initiativen, die häufig keine staatlichen Mittel erhalten und auf internationale Unterstützung angewiesen sind. Queere Menschen und ihre Interessenvertretungen stehen in Georgien unter massivem Druck. Die Regierungspartei, „Georgischer Traum“, verkündete im März ein „Gesetz zum Schutz traditioneller Familienwerte und von Minderjährigen“ verabschieden zu wollen, das – ebenfalls nach russischem Vorbild – u.a. geschlechtliche Transitionen und queeren Paaren die Adoption verbieten soll. „Sie wollen, dass aus Filmen mit Queer-Szenen diese Sequenzen herausgeschnitten werden“, erklärt Beka Gabadadze, Sozialarbeiter und Leiter der LGBTQ-Orgabisation „Temida„. Außerdem würden mit dem Gesetz Versammlungen mit queerem Bezug, wie z.B. Beispiel Pride-Paraden, und die Berichterstattung darüber verboten werden.

Mittwoch, 29. Mai

Am Mittwoch verkündete die Staatsanwaltschaft, dass sie das Verfahren gegen den Mannheimer Polizisten eingestellt hat, der am Tag vor Heiligabend letztes Jahr Ertekin Ö. erschossen hat. Der 49-jährige Ertekin Ö. hatte sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden und selbst die Polizei angerufen. Er hatte den Notruf gewählt und behauptet, er habe ein Verbrechen begangen. Er lief mit nacktem Oberkörper und mit einem Messer in der Hand minutenlang auf der Straße herum, heißt es. Mehrere Polizeikräfte näherten sich mit gezogenen Waffen dem Mann, der sich auf die Polizei „zubewegt“ haben soll. Einer der Cops schoss viermal auf Ertekin Ö. Seine Mutter und eine seiner drei Töchter sollen Augenzeuginnen der Tat gewesen sein. „Einsatz war rechtmäßig! Wir haben kein anderes Ergebnis erwartet!“, schrieb der Vorsitzender der Mannheimer Gewerkschaft der Polizei (GdP) Thomas Mohr, zur Verfahrenseinstellung auf Facebook ohne Mitgefühl mit den Hinterbliebenen zu zeigen. Die Schwester des Getöteten erklärte: „Wir als Familie Özkan können zum jetzigen Stand nur sagen, dass wir zutiefst erschüttert und schockiert sind. Wir werden bis zum Schluss für die Gerechtigkeit kämpfen“. Und Emrah Durkal von der Initiative 2. Mai sagte: „Diese Verfahrenseinstellung ist ein Skandal, und die Begründung der Staatsanwaltschaft ist lächerlich. In Mannheim zeigt sich ganz klar: Polizist*innen dürfen konsequenzlos töten. Für uns als Initiative 2. Mai steht fest, dass wir weiterhin an der Seite der Familie von Ertekin für Gerechtigkeit kämpfen.“

Auch am Mittwoch

In Aken (Sachsen-Anhalt) wurden am Mittwoch drei Jugendliche dabei beobachtet, wie sie ein Exemplar des Buches „Das Tagebuch der Anne Frank“ beschädigt und verbrannt haben. Die Beschuldigten im Alter von 15 und 16 Jahren wurden von der Polizei zu ihren Eltern gebracht, es wird wegen Volksverhetzung ermittelt. „Die größte antisemitische Bedrohung in Deutschland ist dem Bundesamt für Verfassungsschutz zufolge die Verschränkung von Rechtsextremismus und Antisemitismus“, schrieb die FAZ diese Woche im Hinblick auf das am Montag veröffentlichte „Lagebild Antisemitismus“. Für das vergangene Jahr listet das Bundeskriminalamt 1.927 politisch motivierte Straftaten mit antisemitischem Hintergrund, die allermeisten Fälle wurden nach dem 7. Oktober gezählt. „Im Bereich der sogenannten Hasskriminalität verdoppelte sich die Zahl der Fälle mit antisemitischem Hintergrund auf mehr als 5.100“, heißt es bei der Tagesschau.

Donnerstag, 30. Mai

In einer Potsdamer Unterkunft für geflüchtete Menschen wurde am Donnerstag ein syrischer Wachmann getötet. Tatverdächtig ist eine trans Frau aus Südafrika, die in der Berichterstattung als „Mann“ misgendert wurde und teilweise noch wird. Die BILD-Zeitung berichtete als erste, dass es sich um eine trans Frau handeln soll, schreibt im Text jedoch trotzdem von „der Tatverdächtige“ und „der mutmaßliche Killer“. Auch in der Berliner Zeitung wird die mutmaßliche Täterin misgendert und als „groß und stattlich“ beschrieben. Das extrem rechte Newsportal „NIUS“ schreibt: „Der Täter? Eine ‚Transfrau‘, also ein Mann in Frauenkleidern“, und benutzt die schreckliche Tat als Vorlage für transfeindliche Hetze: „Durch das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz könnte der männliche Täter in einem Frauengefängnis untergebracht werden.“ Während Angehörige, Freund*innen und Kolleg*innen des Getöteten um einen geliebten Menschen trauern, sehen rechte Hetzer*innen eine willkommene Gelegenheit, um pauschal Stimmung gegen trans Personen zu machen. Potsdams Oberbürgermeister, Mike Schubert, beteiligte sich zum Glück nicht am Hass, er sagte: „Heute ist ein trauriger Tag für unsere Stadt. Ein Mensch, der im Auftrag unserer Stadt Schutzsuchende beschützt hat, ist Opfer eines Gewaltverbrechens geworden“.

Auch am Donnerstag

Im Schweigegeldprozess gegen Donald Trump wurde der ehemalige US-Präsident am Donnerstag in allen 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen. Ihm wurde vorgeworfen, die Zahlung von 130.000 Dollar an die Sexarbeiterin Stormy Daniels verschleiert zu haben. Das Bezahlen von „Schweigegeld“ selbst ist nicht verboten, im Prozess ging es um Trumps illegalen Versuch, die Zahlung als „Anwaltshonorar“ zu deklarieren. Der Multimilliardär ist damit der erste Präsident, der strafrechtlich verurteilt wurde. Die US-Amerikaner*innen könnten ihn dennoch im November erneut ins Weiße Haus wählen. Seine Anhänger*innen lassen sich von der Verurteilung jedenfalls nicht abschrecken. Am Freitag gab Trumps Wahlkampfteam bekannt, dass nach der Jury-Verkündung 53 Millionen Dollar Spenden eingegangen seien, mehr als zwei Millionen Dollar pro Stunde.

Freitag, 31. Mai

Ein Fitnessstudio in Erlangen verweigerte einer Frau die Mitgliedschaft, weil sie trans ist. Die 28-Jährige ist rechtlich als Frau anerkannt, wurde aber trotzdem von dem Studio abgewiesen, obwohl sie sogar anbot, auf das Benutzen von Dusche und Umkleide zu verzichten. Die Betroffene wandte sich daraufhin an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADB), die Unterstützung und Beratung für trans Personen und andere, von Diskriminierung betroffene Menschen, anbietet. Dazu zählt z.B. „eine kostenlose juristische Erstberatung“ und die Information „über mögliche rechtliche Schritte bei Diskriminierung“. Außerdem heißt es explizit: „Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat zudem die Möglichkeit, vermittelnd tätig zu werden“. Genau das ist geschehen. Die ADB wandte sich mit einem Schreiben an das Fitnessstudio und wies daraufhin, dass die Betroffene zivilrechtliche Schritte in Erwägung ziehe. „In diesem Sinne würden wir Sie bitten zu erwägen, welche Möglichkeiten und Ansatzpunkte für eine einvernehmliche Lösung (…) von Ihrer Seite bestehen“, heißt es in dem Brief. Die ADB schlägt vor, dass die Studiobetreiber*innen der abgewiesenen Kundin „eine angemessene Entschädigung in Höhe von 1.000 Euro für die erlittene Persönlichkeitsverletzung zahlen“. Den Vorschlag wies das Studio zurück, stattdessen sprach die Betreiberin lieber mit dem Rechtsaußen-Portal „NIUS“. Dort sagte sie, es solle nicht der Anschein erweckt werden, „als würde ich da einen Mann trainieren lassen“. Wie so häufig wird auch hier versucht eine marginalisierte Gruppe gegen eine andere auszuspielen. Die Studiobetreiberin sagt: (…) wir haben nur einen großen Trainingsraum, nur eine Umkleide, nur eine Dusche. 20 Prozent unserer Mitglieder sind Musliminnen. Die Frauen kommen ja extra zu uns ins Studio, um in einer für sie sicheren Umgebung zu trainieren.“ Nun will die Betroffene klagen. Der Ausschluss ist ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das u.a. vor Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts schützt. „Der Schutzgrund ‚Geschlecht‘ umfasst nicht nur Frauen und Männer, sondern auch trans* und intergeschlechtliche Personen„, heißt es bei der ADB.

Samstag, 1. Juni

In Berlin gingen am Samstag rund 12.000 Menschen (Angabe der Veranstalter*innen) auf die Straße, um gegen die zu hohen Mieten, für Enteignung und gegen Zwangsräumungen zu demonstrieren. Organisiert hatte die Demo ein Bündnis aus u.a. Mieter*innen-Initiativen, dem Berliner Mieterverein, verschiedenen Gewerkschaften und der Initiative „Deutsche Wohnen & Co Enteignen„. „Wir können uns nicht auf die Politik verlassen, sondern wir müssen die Dinge selbst in die Hand nehmen“, sagte Anmelderin Sanna Raab einige Tage vor der Großdemo zum Tagesspiegel: „Mit der Demo wollen wir darauf hinweisen, dass es sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene ein kalkuliertes politisches Totalversagen gibt. Es ist kein Naturgesetz, dass Mieten steigen, sondern das ist ganz klar politisch gewollt.“ So könnten beispielsweise ein bundesweiter Mietendeckel, oder das Verbot von Eigenbedarfskündigungen und Zwangsräumungen direkt helfen, die Situation der Mieter*innen zu entspannen. Doch das Gegenteil ist der Fall: „Jede soziale Entlastung für Mieter:innen wird zurückgenommen und blockiert, während Investitionen für Wohnungsbau eher vereinfacht werden“, erklärt Sanna Raab: „Die Mieten steigen nicht, sie werden erhöht.“

Auch am Samstag

Beim CSD in Dresden versuchten rund 90 Neonazis die Parade zu stören. Aufgerufen hatte die rechtsextreme Gruppe „Elblandrevolte“, die zuletzt im Zusammenhang mit Angriffen auf Politiker*innen und Wahlkampfhelfende aufgefallen ist. Die Polizei eskortierte die Gruppe, die zum Teil Reichsfahnen dabeihatte, zu deren angemeldeter „Gegendemo“. Queerfeindlich sind in Sachsen jedoch nicht nur die Neonazis. 30% der Bevölkerung finden laut Sachsen-Monitor „Eine sexuelle Beziehung zwischen Personen desselben Geschlechts (…) unnatürlich“.

Sonntag, 2. Juni

Der 2. Juni ist der Internationale Hurentag und geht zurück auf den Streik von über 100 Lyoner Huren, die am 2. Juni 1975 die Kirche Saint-Nizier besetzten, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Nach acht Tagen wurde die Kirche durch die Polizei geräumt und die Hurenbewegung war geboren. Die Deutsche Aidshilfe veröffentlichte angesichts des Gedenk- und Aktionstages auf Instagram vier Forderungen, um die gesundheitliche Versorgung von Sexarbeiter*innen zu verbessern:

  1. Unterstützen statt bestrafen!
    Statt Sexarbeit zu kriminalisieren, müssen Sozialarbeit und Prävention für Sexarbeiter*innen stärker gefördert und ausgebaut werden.
  2. Präventionsmaßnahmen für Kunden
    Kunden müssen gezielte Informationen und HIV-/STI-Testangebote erhalten und zu mehr Respekt für Sexarbeiter*innen aufgefordert werden.
  3. Aufklärung zu PrEP und PEP
    Die HIV-Prophylaxe PrEP und das Notfallmedikament PEP sind wichtige Mittel zur Verhinderung von HIV-Übertragungen. Informationen dazu müssen alle Sexarbeiter*innen erreichen.
  4. Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle – auch für Sexarbeiter*innen ohne Papiere
    Gesundheit ist ein Menschenrecht. Es gilt auch für Menschen ohne geregelten Aufenthalt oder Krankenversicherung. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung, inklusive HIV-Therapie und PrEP, muss für alle gesichert sein.

Die Forderungen stammen aus der kürzlich veröffentlichten Studie „Was brauchen Sexarbeiter*innen für ihre Gesundheit?“, die ihr hier lesen könnt.

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