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Die Beste Instanz - Mohamed Amjahid, Enissa Amani, Gianni Jovanovic, Nava Zarabian, Natasha A. Kelly, Max Czollek. Illustration von mir.

Was muss noch passieren?

Auf YouTube zeigt „Die Beste Instanz“, wie wir über Rassismus reden sollten, medialer Misogynie folgte ein Suizid und ein vierfacher Femizid wird als Familiendrama verharmlost. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW6

Montag, 8. Februar  

Dieser Tweet.

Dienstag, 9. Februar

Auf YouTube feierte am Dienstag „Die Beste Instanz“ Premiere. Enissa Amani hatte die Idee als Reaktion auf die WDR-Sendung „Die letzte Instanz“, bei der weiße Deutsche darüber debattierten, ob sie rassistisch sein dürfen oder nicht. Ich hatte im Wochenrückblick darüber berichtet. Enissa Amani stampfte kurzerhand eine Talkrunde aus dem Boden, von der sich die Öffentlich-Rechtlichen Sender eine große Scheibe abschneiden sollten. Zu Gast waren Gianni Jovanovic, Roma-Aktivist, Natasha A. Kelly, promovierte Kommunikationssozilogin und Expertin für Schwarze deutsche Geschichte, Max Czollek, jüdischer Autor und Publizist, der über Antisemitismus promovierte, Mohamed Amjahid, deutsch-marokkanischer Journalist, dessen aktuelles Buch „Der weiße Fleck“ eine Anleitung zu antirassistischem Denken ist und Nava Zarabian, Bildungsreferentin an der Bildungsstätte Anne Frank. Mit diesem – ich kann es nicht anders sagen – krassen Line-Up spricht Enissa Amani nicht etwa über die Frage „ob es Rassismus gibt“, denn den gibt es selbstverständlich, auch wenn das medial immer noch angezweifelt wird. Es geht viel mehr um die Arroganz der weißen (christlichen) Dominanzkultur und deren vermeintlich neutralen Objektivität.

Mittwoch, 10. Februar

Kasia Lenhardt ist tot. Wie am Mittwochmorgen bekannt wurde, nahm sie sich am Dienstag das Leben. Der Suizid markierte das Ende einer Welle des Hasses, die über die 25-Jährige hereingebrochen war. Die Ex-Freundin von Ex-Fußballnationalspieler Jérôme Boateng stand am medialen Pranger, nachdem ihr vorgeworfen wurde, Boatengs Familie zerstört zu haben. Insbesondere die BILD-Zeitung hatte den Shitstorm gegen das Model angeheizt, indem sie bspw. private Nachrichten von Kasia Lenhardt veröffentlichte.

Boateng, der sich wegen häuslicher Gewalt vor Gericht verantworten muss, hatte Kasia Lenhardt öffentlich beschuldigt, ihn erpresst zu haben. In einem BILD-Interview nannte er sie eine Lügnerin mit einem Alkoholproblem. Der Hass, der sich daraufhin über Kasia Lenhardt ergoss, folgte der uralten misogynen Logik: Die „andere Frau“ als Familienzerstörerin. Aus niederen Beweggründen, wie zum Beispiel die Gier nach Ruhm oder Geld, verführt sie einen armen, wehrlosen Mann. Sie drängt sich in eine Familie und zerstört eine glückliche Ehe. Diese frauenfeindliche Erzählung ist so alt wie die Menschheit. Wir kennen sie noch von Monica Lewinsky, Angelina Jolie oder Camilla Parker Bowles.

Donnerstag, 11. Februar

In Werder (Havel) ereignete sich am Donnerstag ein Femizid. Eine Frau wurde tot in ihrer Wohnung aufgefunden, die Polizei geht von einem Tötungsdelikt aus. Das Opfer habe deutliche Hinweise auf Gewalteinwirkung aufgewiesen, der rbb spricht von „Stichverletzungen“.

Der 11. Februar ist Internationaler Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft.

https://twitter.com/unodeutschland/status/1359766620961337348?s=20

Freitag, 12. Februar

Ich habe mir seit Ewigkeiten (oder überhaupt zum ersten Mal in meinem Leben?) den Spiegel gekauft. Die Titelgeschichte „Feindbild Frau“ hat mich sehr interessiert und ich wurde nicht enttäuscht. Auch wenn für mich nichts Neues darinstand, bin ich froh, dass sich die Autor*innen die Mühe gemacht haben, den Themenkomplex zu recherchieren und aufzuschreiben.  

Dafür, dass der im Internet geäußerte Hass gegen Frauen und die analoge Gewalt miteinander zusammenhängen, gibt es zahllose Belege. Trotzdem wird die geschlechtsspezifische Dimension von Hasskommentaren, Beleidigungen oder Gewalttaten seitens der Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden nirgendwo erfasst.

Auch am Freitag

In Radevormwald (NRW) hat offenbar ein 41-jähriger Mann einen vierfachen Femizid gegangen. Nach bisherigen Ermittlungen tötete der Mann seine Ehefrau, die beiden Töchter (ein und vier Jahre alt) sowie seine Schwiegermutter mit einem Messer. Anschließend zündete er das Haus an und tötete sich selbst, so die Polizei. „Das Motiv für die Tat dürfte in dem Scheitern der ehelichen Beziehungen zu sehen sein“, teilten Staatsanwaltschaft und Polizei mit. Damit bedienen sie das gefährliche Narrativ des „Familiendramas“. Indem die gescheiterte Ehe zum Motiv erklärt wird, rückt der Täter aus dem Fokus. Er wird zu einer von mehreren beteiligten Personen, der Frau eine Mitschuld an ihrer Ermordung gegeben. Es klingt nach „Privatsache“, nach „Beziehungsproblemen“ und nicht so sehr nach dem, was es ist: ein vierfacher Mord eines gekränkten Männeregos, eine Tötung aus niederem Beweggrund, der gewalttätigen Eskalation männlichen Besitzdenkens.

Und Freitag zum Dritten

Marta Lempart, eine der Organisator*innen der Proteste gegen das Abtreibungsverbot in Polen, wurde angeklagt. Eine Sprecherin der Warschauer Staatsanwaltschaft sagte, sie müsse mit einer Haftstrafe von acht Jahren rechnen. 

https://twitter.com/ulle_schauws/status/1360149047235993603?s=20

Dass der antifeministische Backlash, der sich gerade in unserem Nachbarland ereignet, hierzulande so wenig Beachtung erfährt, ist brandgefährlich. Den Kampf, den unsere Genoss*innen in Polen kämpfen, könnten wir auch bald wieder führen müssen. Wir müssen solidarisch sein und zusammenhalten.

Samstag, 13. Februar

Der Jahrestag der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 rief auch in diesem Jahr wieder einen Haufen Geschichtsrevisionist*innen auf den Plan, die nur zu gerne vergessen wollen, dass der Bombenhagel nicht aus dem Nichts kam, sondern ein wichtiger Schlag gegen die Rüstungsbetriebe und Verkehrsanlagen Nazi-Deutschlands war.

Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer hat eine etwas eigenwillige Vorstellung der Nachkriegszeit. Er sagte: „Wir haben schonungslos aufgearbeitet und Konsequenzen gezogen aus dem, was in der Zeit des Nationalsozialismus an Verbrechen begangen wurde und welche Schuld wir Deutschen daran haben.“

Auch die Neonazis waren wieder auf der Straße. Pandemiebedingt waren es dieses Jahr weniger Menschen als sonst, aber der Geschichtsrevisionismus und die NS-Propaganda waren dieselben wie jedes Jahr.

Sonntag, 14. Februar

Weltweit sind eine Milliarde Frauen Opfer von Gewalt (geworden). Jede 3. Frau hat Gewalterfahrung. Das ist die Kernaussage der Kampagne One Billion Rising, die für ein Ende der Gewalt gegen Frauen und Mädchen und für Gleichstellung kämpft. Sie wurde 2012 von der New Yorker Künstlerin Eve Ensler initiiert.

Der 14. Februar ist außerdem auch Valentinstag. Ich halte bekanntlich nichts von solchen „Feiertagen“, deren einzige Funktion die Anregung von Konsum zu sein scheint. Ich möchte diesen „Tag der Liebe“ trotzdem dafür nutzen, auf all die Formen von Liebe aufmerksam zu machen, die im Patriarchat als weniger wertvoll gelten als die in heterosexuelle Paarbeziehungen. Die Liebe zwischen Freund*innen, die Liebe zwischen Eltern und Kindern, die Liebe zu (Haus-)Tieren, die Liebe zu Kolleg*innen und Genoss*innen, die Liebe zu fiktiven Figuren oder zu Menschen im Internet, die Liebe zu Nachbar*innen oder Patient*innen. Liebe ist überall und jede Form von Liebe ist wertvoll. Auch wenn ihr keine*n exklusiven Partner*in an eurer Seite habt, ihr liebt und werdet geliebt.

Apropos Feste, die ich nicht feiere. Es ist gerade auch wieder Karneval:

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Bert Kaesser

    Kurz zum Montag: Danke Pfefferhasi und Nicole Diekmann (@nicolediekmann) für die Beiträge . Ich glaube, es ging nie um SPRACHE, es ging immer nur um MACHT(-erhalt). Die lauten Stimmen der „Sprachwächter“ (mit Absicht nicht gegendert) wirken auf mich wie Kastrationsangst.

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