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Wir müssen über Sprachnachrichten reden.

Ich erhalte auf Instagram sehr viele Sprachnachrichten von Menschen, die ich nicht persönlich kenne. Das finde ich aus mehreren Gründen problematisch.

Es hat einige Anläufe gebraucht, dieses Thema anzusprechen. Und ich möchte weder jemanden vor den Kopf stoßen, noch möchte ich eine grundsätzliche Debatte über die Vor- und Nachteile von Sprachnachrichten führen.

Mir ist es wichtig, die folgenden Gedanken mit euch zu teilen. Bitte berücksichtigt, dass ich hier meine persönliche Meinung teile und keine absoluten Wahrheiten verkünde.

Ich kann an einer Sprachnachricht nicht erkennen worum es geht.

Eine Sprachnachricht zwingt mich, mir die ganze Nachricht anzuhören, ich kann sie nicht – wie bei einem Text – zunächst überfliegen, um zu scannen, worum es dabei geht.

Das bedeutet, dass ich keine Möglichkeit habe, zu entscheiden, ob ich mich dem Inhalt der Nachricht in diesem Moment überhaupt widmen kann oder möchte.

Eine Sprachnachricht nimmt sich Raum, den ich nicht (immer) zur Verfügung stellen möchte.

Wenn ich mir die Zeit nehme, eine Sprachnachricht abzuhören, kann ich währenddessen nichts anderes machen. Das mag manchen anders gehen, aber für mich ist es so, dass ich mich zum Abhören sehr konzentrieren muss. Ich unterbreche also das, was ich gerade tue, um zuzuhören. Das Thema der Nachricht (das ich erst während des Hörens erfahre) nimmt sich Raum, genauso die Stimme der Person, die ich nicht kenne. Das empfinde ich häufig als sehr unangenehm.

Abhören braucht Zeit und Ruhe.

Eine Nachricht abzuhören dauert so lange, wie es dauert, sie aufzusprechen. Es dauert aber meist deutlich länger, etwas aufzuschreiben, als es zu lesen.

Jemand, der mir eine Sprachnachricht schickt, beansprucht meine Zeit. Manchmal höre ich minutenlang einer fremden Person zu, wie sie mir ihre Meinung sagt. Jedes Überlegen, jeden
Versprecher, alles höre ich mir geduldig an.

Es geht dabei auch um Respekt vor meiner Zeit und meinen Kapazitäten.

Manchmal habe ich den Eindruck, die Person wollte nur den – für sie bequemsten Weg nutzen, mir etwas mitzuteilen und ist ihrerseits nicht bereit, sich die Zeit zu nehmen, ihre Mitteilung an mich schriftlich zu formulieren. Von mir wird erwartet, dass ich zuhöre und in der Regel auch, dass ich antworte. Wenn ich unkonzentriert war oder erst später antworten kann, muss ich die Nachricht manchmal sogar mehrmals hören. Das kann ich allerdings nicht immer leisten.

Die Stimme eines Menschen ist etwas sehr Persönliches.

Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht sensibel, aber für mich ist die Stimme eines Menschen etwas Persönliches. Wenn ich also der Stimme einer fremden Person diesen Raum gebe, macht das etwas mit mir. Es ist für mich anders, als einen Text zu lesen, denn dieser transportiert nur die Worte, die dort tatsächlich stehen.

Gerade bei sensiblen Themen, die womöglich emotional in mir etwas auslösen, wird es mir schnell zu viel. Und es gibt einen Grund, warum ich nur sehr ungern telefoniere.

Sprachnachrichten können übergriffig sein.

Wenn ich eine Sprachnachricht erhalte, weiß ich in der Regel nicht, was mich erwartet. Der Inhalt könnte beleidigend oder verletzend sein. Er könnte mich triggern oder überfordern.

Natürlich kann ich auch Texte mit Inhalten dieser Art erhalten, ich sehe dann allerdings „auf einen Blick“, was dort steht und kann entscheiden, mich mit dieser Nachricht nicht oder nicht gleich zu beschäftigen.

Eine Sprachnachricht ist eine Blackbox – und ich bin kein Fan von Überraschungen.

Wichtig:

Sprachnachrichten sind ein wichtiger Baustein für Barrierefreiheit und Inklusion.

Es geht mir nicht darum, Menschen, die keine Textnachrichten versenden können, auszuschließen.

Selbstverständlich könnt ihr mir weiterhin Sprachnachrichten senden, wenn Texte euch nicht oder nur schwer möglich sind.

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