Vor 12 Jahren tötete ein Rassist Marwa El-Sherbini in Dresden, in Spanien machen Transfeind*innen Stimmung gegen Transrechte und ein Gericht sorgte erneut für Unrecht, denn Bill Cosby ist frei. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW26
Montag, 28. Juni
Die Woche begann mit der Meldung, dass im Jahr 2020 1909 antisemitische Vorfälle in Deutschland gezählt wurden, rund 450 mehr als im Vorjahr. Zu den registrierten Vorfällen zählen Angriffe, Sachbeschädigungen, Bedrohungen, aber auch antisemitische Beschimpfungen oder Kommentare bei Demonstrationen oder im Internet. Mehr als ein Viertel der Fälle (489) hatten einen direkten Bezug zur Corona-Pandemie. „Die Covid-19-Pandemie stellte von Beginn an eine Gelegenheitsstruktur, quasi einen Anlass zur Artikulation schon zuvor vorhandener antisemitischer Haltungen dar“, sagte Benjamin Steinitz, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands Rias.
Dienstag, 29. Juni
In Spanien wurde am Dienstag ein Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, dass es Menschen über 16 Jahren ermöglicht, ihren Geschlechtseintrag offiziell ändern zu lassen, ohne dafür ärztliche Atteste oder Zeug*innen vorweisen zu müssen. Künftig sollen dann für eine Geschlechtsänderung zwei Erklärungen im Abstand von drei Monaten vor dem Standesamt ausreichen, die medizinische Diagnose und eine Hormonbehandlung über zwei Jahre, die bisher vorgeschrieben sind, entfallen. Spanien wird dann das 16. Land auf der Welt sein, in dem die geschlechtliche Selbstbestimmung Realität wird. In Europa haben Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta und Portugal ähnliche Gesetze verabschiedet. „Das ist ein historischer Tag nach 15 Jahren ohne Fortschritte: trans Personen werden in Spanien endlich nicht mehr als krank angesehen“, sagte Gleichstellungsministerin Irene Montero von Podemos. Dieser Meilenstein in der Selbstbestimmung von trans Menschen stößt aber auch in Spanien auf erbitterten Widerstand von Transfeind*innen, die behaupten, das Gesetz würde es zukünftig „biologischen Männern“ erlauben, in Frauenräume einzudringen. Die transfeindliche Erzählung vom „verkleideten Mann“ hält sich hartnäckig und wird insbesondere von selbsternannten Feminist*innen weiter verbreitet.
Mittwoch, 30. Juni
In der taz ist am Mittwoch ein lesenswerter Kommentar über Chimamanda Ngozi Adichie erschienen, der sich ihrem neuesten Essay widmet und die Debatte um die Transfeindlichkeit der nigerianischen Autorin nochmal gut zusammenfasst. Ich habe hier auf dem Blog schon einen Artikel über Chimamanda Ngozi Adichie geschrieben, der aktuelle Beitrag in der taz geht allerdings darüber hinaus. Ihr solltet ihn unbedingt lesen, insbesondere wenn ihr immer noch unsicher seid, was an der Aussage „trans Frauen sind trans Frauen, ihre Erfahrungen unterscheiden sich nun mal von ‚biologischen‘ Frauen“ problematisch ist.
Donnerstag, 1. Juli
Der Donnerstag wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem Bill Cosby auf freien Fuß gesetzt wurde, während Britney Spears weiterhin unfrei unter Vormundschaft bleibt. Über Britneys Kampf um Selbstbestimmung habe ich letzte Woche hier ausführlicher geschrieben. Ihr Antrag die Vormundschaft zu beenden, wurde laut Informationen des Guardian vom Gericht abgelehnt. Am gleichen Tag kam Bill Cosby auf freien Fuß. Der Schauspieler soll mehr als 60 Frauen betäubt und sexuell missbraucht haben. Weil fast alle Fälle heute verjährt sind, war nur noch ein einziger Fall strafrechtlich relevant. Jetzt hat das Oberste Gericht von Pennsylvania geurteilt: Der Schuldspruch gegen Cosby war unrechtmäßig. Der 83-jährige ist also wieder frei und gilt juristisch als unschuldig, obwohl er in einem Zivilprozess ein Geständnis abgelegt hatte. Ich bin so entsetzlich wütend. Mir fehlen die Worte.
Nochmal Donnerstag
Der 1. Juli ist in Deutschland auch Tag gegen antimuslimischen Rassismus. Das Datum ist kein Zufall, denn am 1. Juli 2009 wurde Marwa El-Sherbini von einem Rassisten ermordet. Die in Ägypten geborene Pharmazeutin und Ex-Handballnationalspielerin wurde vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes im Dresdner Landgerichtsgebäudes von Alex Wiens mit 18 Messerstichen getötet. Sie war im dritten Monat schwanger. Ihr Ehemann wollte ihr noch helfen, wurde von einem hinzugekommenen Polizisten ins Bein geschossen. Marwa El-Sherbini war an dem Tag mit ihrer Familie im Gerichtsgebäude, weil sie eine Zeug*innenaussage gegen ihren späteren Mörder machte. Dieser hatte sie etwa ein Jahr zuvor auf einem Dresdner Spielplatz als „Islamistin“, „Terroristin“ und „Schlampe“ beschimpft.
Marwa El-Sherbini wurde 31 Jahre alt.
Freitag, 2. Juli
Die UEFA ist jetzt offenbar jede Woche Thema – ich hoffe, das lässt nach dem EM-Finale am kommenden Sonntag wieder nach. Der jüngste Klopps der UEFA: Sie untersagte die regenbogenfarbene Werbung auf den Banden in Sankt Petersburg und Baku. Während sei bei bei den Spielen in Rom und München keine Bedenken hatte, mussten die Sponsoren in Russland und Aserbaidschan „neutrale“ Werbung schalten. Volkswagen teilte mit: „Aufgrund von Bedenken der Uefa im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen an den Spielorten in Russland und Aserbaidschan hat der Verband uns darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine Bespielung der Werbebanden in Regenbogenfarben in St. Petersburg und Baku nicht möglich sei“. Während VW die Entscheidung angeblich „bedauert“, lacht sich der Konzern in Wahrheit vermutlich ins Fäustchen. Denn die angebliche „Queerfreundlichkeit“ ist sowieso komplett erlogen. VW wählt ganz genau aus, in welchen Ländern welche Marketingstrategie gefahren wird. Während in manchen Ländern zum Pride-Month ein regenbogenfarbenes Logo in den Sozialen Netzwerken präsentiert wird, verzichtet VW in anderen darauf. Drei mal dürft ihr raten, nach welchen Kriterien da entschieden wird. Guckt euch die Logos im Vergleich gern selbst an.
Auch am Freitag
Christine Mboma und Beatrice Masilingi aus Namibia sind vom 400-Meter-Wettbewerb bei den Olympischen Spielen in Tokio ausgeschlossen worden. Grund dafür: zu hohe Testosteronwerte. Mit der gleichen Begründung wurde in der Vergangenheit auch Caster Semenya von der Teilnahme ausgeschlossen. Das Internationale Sportgericht Cas verlangt von den Athletinnen, dass sie ihren natürlichen(!) Testosteronwert mithilfe von Medikamenten senken, um an den Wettkämpfen teilzunehmen. Caster Semenya wehrt sich seit Jahren dagegen.
Doch es ist nicht die einzige frustrierende Meldung im Hinblick auf Olympia. Ebenfalls am Freitag wurde bekannt, dass das Tragen einer bestimmten Art von Badekappen in Tokio nicht erlaubt sein wird. Es betrifft die sogenannten „Soul Caps“ eine spezielle Schwimmhaube für Athlet*innen mit Afrohaar. Die Fédération Internationale de Natation (FINA), der Dachverband aller nationalen Sportverbände für Schwimmen, Freiwasserschwimmen, Synchronschwimmen, Wasserball und Wasserspringen, untersagte das Tragen der speziellen Hauben, da diese nicht der „natürlichen Form des Kopfes“ entsprechen würden. Das ist Rassismus.
Samstag, 3. Juli
Während die europäische Rechte offenbar an einem rechtsextremen Bündnis schmiedet, fordert der CDU-Bundestagskandidat Hans-Georg Maaßen, die Mitarbeiter*innen der „Tagesschau“ einem Gesinnungstest zu unterziehen. Der ehemalige Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz warf in einem Interview mit „TV Berlin“ dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen „klaren Linksdrall“ vor und sprach von „Manipulation der veröffentlichten Meinung“, er sehe dort keine ausgewogene Berichterstattung. Ich möchte an dieser Stelle nochmal die Grünen fragen, wann sie gedenken, eine Koalition mit der CDU auszuschließen. Ich warte.
Sonntag, 4. Juli
Da der Wochenrückblick dieses Mal kürzer ausgefallen ist, habt ihr vielleicht noch Zeit und Lust mein allererstes Video zu gucken. Ich habe seit heute einen Youtube-Channel und ich bin gespannt, was dieses (für mich) neue Medium bringen wird.
Heute ging die erste Folge meiner kleinen Serie „Das Problem mit EMMA“ online. Ich lese darin den Artikel „Im Falschen Körper“ von Chantal Louis vor und erkläre, warum dieser nicht nur explizit transfeindlich ist, sondern auch besonders schlechter Journalismus. Danke, liebe Mama, dass Du den Kauf des Magazins übernommen hast und so meine Arbeit ermöglicht hast. Ich selbst war einfach nicht bereit, die 9,90 Euro hinzublättern, haha.