In Österreich ereignete sich in dieser Woche erneut ein Femizid, der hätte verhindert werden könne, Renate Künast verklagt Facebook und es wird Zeit, dass wir entschieden gegen Behindertenfeindlichkeit eintreten. Das Outing von Sapir Berman ist der einzige Lichtblick im Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW17
Montag, 26. April
In der Nacht von Sonntag auf Montag (hiesige Zeit) wurden die Oscars verliehen. Ich hatte Viola Davis die Daumen gedrückt, aber leider ist sie erneut leer ausgegangen. Warum ich Viola Davis so feiere, fasst dieser kurze Clip ganz gut zusammen, in dem sie über die unfaire Behandlung von Schwarzen Schauspielerinnen in Hollywood spricht.
Ansonsten bemerkenswert war nur, dass Chloé Zhao (als zweite Frau nach Kathryn Bigelow) den Regie-Oscar erhielt und als beste Nebendarstellerin Youn Yuh-jung ausgezeichnet wurde, als zweite asiatische Schauspielerin, nach Miyoshi Omeki die 1957 den Oscar für „Sayonara“ erhielt.
Dienstag, 27. April
„Ich war als Mann sehr erfolgreich. Aber letztlich habe ich mich entschlossen zu zeigen, wer ich wirklich bin.“ Mit diesem Satz outete sich die israelische Schiedsrichterin Sapir Berman als trans Frau. Vom israelischen Fußball-Verband erhält sie dafür Rückendeckung. Eine rundherum schöne Nachricht, für mich die schönste dieser Woche!
Auch am Dienstag
Renate Künast hat Facebook verklagt. Ein Meme, das die Politikerin mit einem falschen Zitat zeigt, wurde auf der Plattform tausendfach verbreitet und zog zahllose Hasskommentare gegen Renate Künast nach sich. „Es kann nicht sein, dass ich als einzelne Betroffene es mir zur Lebensaufgabe machen muss, das gesamte Facebook-Netz abzusuchen, um jede Kopie eines verleumderischen Falschzitats zu suchen, zu melden und dann löschen zu lassen“, sagte sie. Gemeinsam mit der NGO HateAid will sie ein Grundsatzurteil erreichen. „Facebook und Zuckerberg weinen immer wieder Krokodilstränen und sagen, dass sie ihre Verantwortung nicht gesehen haben und machen dann irgendeine kleine Veränderung“, sagt Künast. Frauen sind besonders häufig Ziel von Hass im Netz. „Es trifft Kommunalpolitikerinnen, Aktivistinnen und Journalistinnen, die mundtot gemacht werden sollen, bis sie sich aus dem öffentlichen Raum zurückziehen“, sagt Anna-Lena von Hodenberg, Gründerin von Hate Aid.
Mittwoch, 28. April
In Potsdam wurden vier Bewohner*innen einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung brutal getötet. Eine weitere Bewohnerin wurde lebensgefährlich verletzt. Die mutmaßliche Täterin, eine 51-jährige Angestellte der Einrichtung, wird derzeit in einer psychiatrischen Klinik behandelt. Mich hat dieser grausame Anschlag traurig und fassungslos gemacht. Wütend wurde ich vor allem auf die mediale Berichterstattung, die einen ganzen Schwall ableistischer Narrative ausschüttete.
Im RBB sagte der Polizeipsychologe Dr. Gerd Reimann zu den möglichen Motiven der Tat: „Als erstes natürlich schwere Konflikte zwischen Täter und den Opfern. Zum Zweiten natürlich auch eine dramatische Überforderung des Täters in dieser Situation. Es kann aber auch sein, dass eine Motivation dahinter steht, die Leute zu erlösen von Leiden, die vielleicht sogar unheilbar sind.“ Der Mordanschlag auf fünf Menschen wird hier allen Ernstes mit einer „Erlösung“ in Verbindung gebracht und mit der „Überforderung“ der Pflegekraft erklärt. Wenn Menschen von ihrer Arbeit überfordert sind, dann lassen sie sich krankschreiben oder kündigen. Sie schlachten nicht fünf Menschen ab! Auch die Potsdamer Neuesten Nachrichten ließen einen „Experten“ zu Wort kommen. Für den Profiler Axel Petermann ist es ein „sehr außergewöhnlicher Fall“, bei dem Sterbehilfe „zumindest unterschwellig eine Rolle spielen“ könnte. Auch Petermann spricht von „Überforderung“. Kein Wort über die deutsche Tradition des systematischen Mords an Menschen mit Behinderung (Aktion T4) oder der strukturellen Gewalt, der Be_hinderte immer wieder ausgesetzt sind.
„Diese Heime sind ‚totale Institutionen‘“, schreibt Raul Krauthausen in einem sehr lesenswerten Beitrag für Die Neue Norm: „In ihnen werden aus Sicht der Öffentlichkeit behinderte Menschen leicht und effektiv versorgt, aber diese Systeme sind anfälliger für Gewalt. Menschen mit Behinderung bekommen oft von Geburt an kaum eine Option, aus diesem System herauszukommen: Vom Internat zur Förderschule, dann Wechsel in ein anderes Wohnheim und von dort zur Werkstatt; später dann ins Altenheim, nicht selten finden sich all diese Adressen auf einem einzigen Gelände, wie auch beim Oberlinhaus, wieder. Und selten gelangen Informationen über Missstände von drinnen nach draußen an die Öffentlichkeit.“
Aus einer Studie der Uni Bielefeldt von 2012 geht hervor, dass mindestens sechs Prozent aller Frauen mit Behinderung, die in Heimen und Werkstätten ‚untergebracht‘ waren, sexuelle Gewalt erfuhren. Erst im Januar begann der Prozess gegen 145(!) Beschäftigte einer Behinderteneinrichtung in Bad Oeynhausen wegen Verdacht auf Freiheitsberaubung und in einigen Fällen Körperverletzung. Das sind keine Einzelfälle!
Donnerstag, 29. April
In Österreich ereignete sich am Donnerstag schon der neunte Femizid in diesem Jahr. Einer, der möglicherweise hätte verhindert werden können, denn der mutmaßliche Täter war als gewalttätig und frauenhassend bekannt. Eine 35-jährige Mutter von zwei Kindern wurde in ihrer Wohnung in Wien von ihrem 42-jährigen (Ex-)Partner erschossen. Beim mutmaßlichen Täter handelt es sich um den „Bierwirt“, Albert L., der der Grünen-Politikerin Sigi Maurer 2018 misogyne Facebook-Nachrichten mit sexuellem Inhalt geschickt hatte. (Bitte klickt das nur an, wenn ihr mit expliziter, gewalttätiger Sprache umgehen könnt.) Sigi Maurer hatte die Nachrichten veröffentlicht, was ihr eine Verurteilung wegen „übler Nachrede“ einbrachte. (Das Urteil wurde später vom Oberlandesgericht Wien kassiert.) In der kommenden Woche hätte Albert L. erneut vor Gericht erscheinen müssen. Der wegen Gewaltdelikten sieben Mal Vorbestrafte soll einen Bauarbeiter genötigt und verletzt und gegen das Waffengesetz verstoßen haben.
Sigi Maurer reagierte auf Twitter auf die Nachricht, dass es sich um den „Bierwirt“ handeln soll:
Wie viele Femizide es dieses Jahr in Deutschland bereits gab, weiß ich nicht. Statistisch gesehen müssten es knapp vierzig sein. In der Nacht zu Donnerstag hat sich ein weiterer ereignet. In Hamburg-Horn hat offenbar ein 53-jähriger Mann seine 40-jährige Ehefrau getötet. Die Frau starb ersten Erkenntnissen zufolge durch schwere Schnittverletzungen am Hals.
Freitag, 30. April
„Deutschland gibt Benin-Bronzen zurück“ lautete die Schlagzeile der Tagesschau und die Bundesregierung lässt sich dafür feiern, dass sie evtl. einen Teil des gewaltsam erbeuteten Diebesguts aus kolonialisierten Ländern zurückgeben will. Deutschland könne das erste Land sein, das tatsächlich Bronzen zurückgebe, sagte CDU-Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Und Heiko Maas twittert euphorisch: „Dass es gelungen ist, mit den Museen und ihren Trägern einen Fahrplan für Restitutionen von Objekten zu vereinbaren, ist ein Wendepunkt im Umgang mit unserer Kolonialgeschichte. Wir haben intensiv daran gearbeitet, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen.“ Wüsste gerne was Vertreter*innen der Herero und Nama dazu sagen…
Wer meine politische Radikalisierung schon etwas länger verfolgt, weiß, dass ich absoluter Jürgen-Zimmerer-Ultra bin, und ich wünsche mir, dass ihr diesem klugen Mann zuhört, wann immer er etwas sagt! Zum Beispiel im Interview mit dem Deutschlandfunk Kultur: „Ich hätte mir erhofft, dass man symbolisch dieses Humboldt Forum auch wirklich dekolonialisiert, indem man sagt: Wir gehen mit einer großen Geste ran, wir bekennen uns zur Restitution aller gestohlenen Objekte und bitten dann demutsvoll, einige Objekte hier ausstellen zu können – und überschreiben so auch diese Herrschaftsgeschichte dieses Humboldt Forums.“
Samstag, 1. Mai
Ich wollte eigentlich etwas über Klassismus schreiben und warum der „Tag der Arbeit“ eigentlich der Tag der Arbeiter*innen ist. Aber jetzt sitze ich hier und denke darüber nach, wie wir die Polizei abschaffen können. Wenn ich heute durch meinen Twitter-Feed scrolle, wirkt es fast wie eine konzertierte Aktion, was die Cops in mehreren deutschen Städten und in Wien abgezogen haben. In Berlin wurde die revolutionäre 1.Mai-Demo schon kurz nach dem Start teilweise eingekesselt und die Menschen zusammengedrängt, sodass sie die Begründung hatten, um die Demo aufzulösen („Verstoß gegen die Abstandsregeln“). In Hamburg und Frankfurt ist die Polizei martialisch aufgefahren und mit Knüppeln, Pfefferspray und Wasserwerfen gegen die Demonstrierenden vorgegangen. In Frankfurt wurde auf einem Bahnsteig(!) ein Polizeihund auf Demonstrant*innen losgelassen, ebenfalls in Frankfurt erlitt eine Person einen Schädelbasisbruch, laut Polizei hat sie sich „selbst verletzt“.
In Wien ließ die Polizei erst eine rechtsextreme Demo gewähren und tobte sich dann später im Votivpark aus, wo junge Menschen und Familien die Sonne genossen. Hunderte Cops zogen mit Pfefferspray, Hunden und Schlagstöcken marodierend über die Wiese, es gab viele Verletzte.
Für mich scheint es ganz so, als hätten die Cops nur darauf gewartet, endlich wieder loslegen zu dürfen. Nachdem sie sich nun ein Jahr lang überwiegend auf Corona-Leugner*innen-Demos herumschubsen und beleidigen lassen mussten („Deeskalation!“), waren sie nun endlich wieder befugt, den eigentlichen Feind niederzuschlagen: Linke und Antikapitalist*innen. Ich kann das relativierende Geschwafel über „nicht alle Bullen“ und „Verhältnismäßigkeit“ nicht mehr hören. Es ist nicht verhältnismäßig, es ist Gewalt. Die Polizei ist eine Horde von Schläger*innen in Uniform, die Linke hasst, rassistische Kontrollen durchführt, Neonazis vor Durchsuchungen warnt und sich in rechtsextremen Chatgruppen Umsturzfantasien hingibt. Diese Institution ist nicht reformierbar.
Sonntag, 2. Mai
Puh. Diese Woche war wieder randvoll mit Scheiße. Bitte entschuldigt diese drastische Wortwahl, aber eine fancy Umschreibung für das, was hier passiert fällt mir nicht ein. In Indien ersticken die Menschen auf offener Straße, aber Deutschland stimmt gegen die Aufhebung der Patente von Corona-Impfstoffen. Im Jemen verhungern die Leute, während die Weltgemeinschaft mit den Schultern zuckt. Das sind keine Naturkatastrophen, es ist schlicht Gewalt. Es macht mich wütend, nicht mehr tun zu können, als euch dazu aufzurufen, zu spenden. Hier, Hier oder Hier und wenn ihr dann noch ein paar Kröten übrig habt, würde ich mich freuen, wenn ihr das Crwodfunding des Vereins Seitenwechsel unterstützt, die Sportangebote für Minta (Mädchen, inter, nicht-binäre, trans* und agender) im Kinder- und Jugendalter anbieten.