Deutschland blockiert eine EU-Richtlinie gegen Vergewaltigungen, Argentinien will Abtreibungen wieder verbieten, Saarland streicht „Rasse“ aus der Verfassung und Ruby Rebelde gewinnt vor Gericht. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW6
Montag, 5. Februar
Die Woche begann mit einem rassistischen Angriff auf eine Schwarze Familie aus Hamburg. An der Wohnungstür einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern (3 und 5 Jahre alt) wurden rassistische Plakate angebracht, auf die Fußmatte Hausmüll gekippt. Der Kinderwagen der Familie, der im Treppenhaus abgestellt war, wurde vor dem Haus angezündet und ist vollständig verbrannt. Zum Nachrichtenportal T-Online sagte die 34-Jährige: „Ich will hier nur noch weg (…) Wir können hier nicht bleiben. Wer weiß, was noch passiert“. Ein Foto von Citynews TV zeigt die rassistischen Plakate an der Tür, drei davon sind so auch auf offiziellen Kanälen der AfD zu finden. Der Staatsschutz ermittelt jetzt wegen Volksverhetzung und Beleidigung. Das Bezirksamt Altona reagierte mit einer Stellungnahme. Darin heißt es: „Tätliche Übergriffe – wie der nun geschehene – sind besonders sichtbare Zeichen für den Rassismus in unserer Gesellschaft. Sie sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Viele Menschen werden im Alltag aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Herkunft oder Religion, ihres Aussehens oder sonstiger rassistischer Zuschreibungen diskriminiert. Das dürfen wir nicht stillschweigend hinnehmen.“
Dienstag, 6. Februar
Am Dienstag wurde eine EU-einheitliche Richtlinie zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen verabschiedet. Das ist erstmal eine gute Nachricht. Unter anderem wurde entschieden, dass Zwangsverheiratung und die Verstümmelung von Vulven in der gesamten EU verboten werden, Online-Mobbing und -Stalking von Frauen EU-weit strafbar sind, genauso wie das Verbreiten von Nacktaufnahmen gegen den Willen der Betroffenen. „Alle Länder in der EU müssen Maßnahmen umsetzen, um Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu beenden. In Anbetracht eines drohenden Rechtsrucks bei den EU-Wahlen ist das ein Erfolg“ erklärte Sylvia Haller, Mitglied im Vorstand vom Deutschen Frauenrat in einer Pressemitteilung. Doch die Freude ist getrübt, denn eigentlich war es ein wichtiges Ziel der EU-Resolution, den Straftatbestand der Vergewaltigung einheitlich zu regeln und die Mitgliedsstaaten dazu zu zwingen, ihr Sexualstrafrecht zu reformieren. Doch daraus wurde nichts, auch weil Deutschland sich querstellte. Justizminister Marco Buschmann blockierte unter fadenscheinigen Begründungen. Glaubwürdig war er dabei nicht, zu sehr ist seine Partei doch unterwandert von Männerrechtlern und Antifeministen. Es ist eine politische Entscheidung, keine juristische. Und sie sorgt dafür, dass Opfer von Vergewaltigungen in der EU Schutz verwehrt wird. In 14 EU-Mitgliedsstaaten der EU, darunter Österreich, Frankreich und Italien, reicht es nicht aus, wenn ein Opfer „Nein“ sagt, Vergewaltiger*innen bleiben straffrei. Aber auch das deutsche Sexualstrafrecht hätte sich mit der EU-weiten Regelung verändern müssen. Denn die sah vor, das Prinzip „Nur Ja heißt Ja“ zum Grundsatz zu machen. In Deutschland gilt derzeit jedoch „Nein heißt Nein“: Wenn eine Handlung gegen den sichtbaren Willen des Opfers passiert, handelt es sich um eine Vergewaltigung. Das ist zwar fortschrittlicher als das Sexualstrafrecht zum Beispiel in Frankreich, doch sexualisierte Gewalt an bewusstlosen Opfern (bspw. unter dem Einsatz von K.O.-Tropfen) wird in Deutschland ebenfalls nicht als Vergewaltigung gewertet. Die „Ja heißt Ja“ Regelung, wie sie bereits in 13 EU-Staaten gilt, z.B. in Schweden, Kroatien und Spanien, macht den aktiven Konsens zur Voraussetzung sexueller Kontakte. Dass sich die EU darauf nicht verständigen konnte, ist enttäuschend. „Für Betroffene in vielen EU-Staaten bedeutet dies, dass sie weiterhin körperliche Gewalt und Bedrohungen durch den Täter nachweisen müssen“, erklärt der Deutsche Frauenrat.
Mittwoch, 7. Februar
Dass es keine menschlichen Rassen gibt, sollte eigentlich kein Diskussionsgegenstand sein. Aber leider müssen wir es trotzdem ständig wieder erklären. Grund dafür, dass sich die rassistische Vorstellung in den Köpfen vieler Menschen hält, ist auch, dass der Begriff „Rasse“ im Grundgesetz verankert ist. „Niemand darf wegen […] seiner Rasse, […] benachteiligt oder bevorzugt werden“, heißt es in Artikel 3. Damit wird die rassistische Behauptung, dass Menschenrassen existierten, reproduziert und fortgeschrieben. Seit Jahren setzen sich Menschenrechtsorganisationen und Antidiskriminierungsstellen dafür ein, die Bezeichnung zu ersetzen. „Nach dem gegenwärtigen Wortlaut des Artikels müssen Betroffene im Falle rassistischer Diskriminierung geltend machen, aufgrund ihrer ‚Rasse‘ diskriminiert worden zu sein; sie müssen sich quasi selbst einer bestimmten ‚Rasse‘ zuordnen und sind so gezwungen, rassistische Terminologie zu verwenden“, erklärt das Deutsche Institut für Menschenrechte. Statt den Begriff „Rasse“ zu verwenden, könnte von „rassistisch“ gesprochen werden: „Niemand darf aus rassistischen Gründen […] benachteiligt oder bevorzugt werden“. Der Landtag des Saarlands hat am Mittwoch als drittes Bundesland (nach Thüringen und Brandenburg) beschlossen, die Landesverfassung zu verändern und den Begriff „Rasse“ zu streichen. Dort gilt zukünftig ein Diskriminierungsverbot „aufgrund rassistischer Zuschreibungen“. Leider hat sich die Bundesregierung nun anders entschieden. Obwohl im Koalitionsvertrag angekündigt wurde, den Rasse-Begriff aus dem Grundgesetz zu streichen. „Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hätten sich darauf verständigt, ihre Streichungspläne vorerst aufzugeben. Man sei sich einig“, berichtet die Tagesschau unter Berufung auf die Rheinische Post. Neben der Behauptung, ein Ersatz des Begriffs sei „juristisch schwierig“ bezieht sich die Ampelkoalition hauptsächlich auf einen Gastbeitrag von Josef Schuster in der FAZ letztes Jahr. Der Präsident des Zentralrats der Juden hatte darin geschrieben, dass er gegen die Streichung sei, der Begriff uns an die Geschichte erinnere: „Er erinnert uns an die Verfolgung und Ermordung von Millionen Menschen, in erster Linie Jüdinnen und Juden; an die Schrecken der Schoa. Streichen wir diese Erinnerung aus unserer Verfassung, werden wir sie irgendwann auch aus unserem Gedächtnis streichen.“ Stattdessen wird der Begriff nun weiterverwendet und die damit verbundenen rassistischen Annahmen gefördert. Ob das im Sinne der Menschen ist, die aus rassistischen Gründen (und nicht wegen einer vermeintlichen „Rasse“!) ermordet wurden, bezweifle ich stark.
Donnerstag, 8. Februar
Vor fast genau drei Jahren hat Argentinien Abtreibungen bis zur 14. Schwangerschaftswoche legalisiert. Es war ein großer Sieg der feministischen Bewegung im Land. Der damalige Präsident Alberto Fernández, schrieb am 15. Januar 2021 auf Twitter: „Heute sind wir eine bessere Gesellschaft, die die Rechte der Frauen erweitert und die öffentliche Gesundheit garantiert.“ Heute hat Argentinien einen faschistischen Präsidenten und die einst errungenen Rechte sind in großer Gefahr. Die extrem rechte Partei von Javier Milei brachte am Donnerstag einen Gesetzesentwurf ins Parlament ein, der die Gesetzgebung auf den Stand von 1921 zurücksetzen würde: Schwangerschaftsabbrüche wären dann wieder illegal, auch nach einer Vergewaltigung. Die einzige Ausnahme soll eine akute Gefährdung des Lebens der schwangeren Person sein. Wer trotzdem eine Abtreibung vornehmen lässt, dem drohen bis zu drei Jahren Haft. Auch Ärzt*innen, die Schwangerschaften abbrechen, müssten Gefängnisstrafen von einem bis vier Jahre fürchten, beim Tod der Schwangeren sogar sechs Jahre.
Auch am Donnerstag
Ruby Rebelde ist Sexarbeiter*in und in der politischen Bildungsarbeit aktiv. In dieser Funktion sprach Ruby letztes Jahr beim Fachtag der Initiative „Respekt und Schutz für Sexarbeiter*innen“ zum Thema „6 Jahre ProstSchG, Sexarbeitsfeindlichkeit und Antifeminismus“. Weil Ruby im Vortrag auf die strukturellen Zusammenhänge des Narrativs der „Prostitutionslobby“ und antisemitischen Verschwörungserzählungen hinwies, ließ eine Gruppe selbsternannter „Prostitutionsgegner“ Ruby abmahnen. Die Zeitschrift EMMA, das Netzwerk Ella und der Verein Sisters beauftragten den katholischen Anwalt Jonas Jacob (der bereits in der EMMA gegen das Selbstbestimmungsgesetz wetterte) gegen Ruby juristisch vorzugehen. Das Landgericht Berlin hatte daraufhin im Juli in erster Instanz geurteilt, dass Ruby nicht mehr die Erzählungen über eine sogenannte „Prostitutionslobby“ als strukturell antisemitisch einzuordnen (obwohl Ruby wissenschaftlich fundiert argumentierte). Ein Paradebeispiel für ein sogenanntes SLAPP-Verfahren, also eine strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung (Strategic Lawsuit Against Public Participation). Doch Ruby ließ sich nicht einschüchtern und ging in Berufung. Am Donnerstag fand die Verhandlung vor dem Kammergericht Berlin statt. Mit dem Ergebnis, dass das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Einstweilige Verfügung auf Unterlassung bestimmter Aussagen zurückgewiesen wird. Die Kosten für das Verfahren hat die Gegenseite zu tragen. Ein wichtiger Erfolg. „Sexarbeitende müssen in der Debatte über sie und ihre Arbeit unbedingt zu Wort kommen. Was wir zu sagen haben mag für manche unangenehm sein. Der Grund: Zu wenig Wissen über die kaum aufgearbeitete Verfolgung und Diskriminierung von ‚Prostituierten‘. Uns den Mund zu verbieten ist aber der falsche Weg“, sagte Ruby nach dem Gerichtstermin.
Freitag, 9. Februar
Gleich drei Meldungen über rassistische und antisemitische Vorfälle schafften es in die mediale Berichterstattung. Am Freitag vollstreckten Polizist*innen einen Durchsuchungsbeschluss gegen einen 26-jährigen Polizeianwärter in Berlin, der auf seinem Handy antisemitische Inhalte gehabt und geteilt haben soll. Außerdem wurde bekannt, dass bei einer Party im Studienzentrum der Finanzverwaltung und der Justiz des Landes Hessen in Rotenburg (Osthessen) mehrere Personen rassistische Parolen gegrölt haben. Medienberichten zufolge brüllten sie „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“. Öffentlich geworden ist der Vorfall nur, weil andere Partygäste sich mit einem Schreiben an verschiedene Medien gewandt haben. Sie erklärten, dass anwesende Personen „mit Migrationshintergrund“ seit der Partei sich „nicht nur verunsichert, sondern auch eingeschüchtert fühlten“, heißt es bei der Gelnhäuser Neuen Zeitung. Weiterhin schrieben sie, dass „eine Sensibilisierung gegen Rechts“ am Ausbildungszentrum fehlgeschlagen sei und forderten, dass „diejenigen, die an sich an den Parolen beteiligt haben“ entsprechend bestraft werden müssten. Dem Hessischen Rundfunk zufolge hätte die Leitung des Studienzentrums bereits Ende Januar davon erfahren, dass „zu einem bekannten Popsong rassistische Texte gesungen worden sein sollen“. Mutmaßlich zum selben „bekannten Popsong“ grölten auch Mitglieder der „Landjugend Hohenfurch“ bei einem Faschingsumzug in Landsberg (Bayern) rassistische Parolen. „Aber sicher keiner mit böser Absicht“, sagte der Landjugendvorsitzende Moritz Taufratshofer zum Münchner Merkur. Ja klar, man kennt’s: „Ausländer raus“ brüllen, aber nicht bös‘ gemeint, ne?! Und um es ganz klarzustellen ergänzt Taufratshofer noch: „Keiner von uns im Verein ist ausländerfeindlich: Das sind nicht wir, das ist nicht der Verein.“ Klaaaaaar, Moritz. Jetzt wird wegen des „Anfangsverdachts auf Volksverhetzung“ ermittelt, aber die Polizei Landsberg zieht „ein positives Fazit zum unfallfreien Lupido-Umzug“, wenn auch „manche Ereignisse das Bild trüben“.
Samstag, 10. Februar
262 Menschen hatte die „Ocean Viking“ gerade aus dem Mittelmeer gerettet, als die italienischen Behörden das Schiff der Seenotrettungsorganisation SOS Mediteranee im Hafen von Brindisi festsetzte. Für 20 Tage darf die Crew nun nicht auslaufen und soll muss zudem 3.333 Euro Strafe zahlen. „Es ist die dritte Festsetzung in drei Monaten. Diese Missachtung des Seerechts und der humanitären Konventionen verschlimmert die humanitäre Notlage im zentralen Mittelmeer“, erklärte die Organisation am Samstag in einer Pressemitteilung. Darin schildert sie auch, wie die Rettung der Menschen ablief:
„Alle vier geretteten Boote waren seeuntüchtig und überfüllt. Niemand der Schiffbrüchigen trug eine Rettungsweste. Das erste in Seenot geratene Boot mit 110 Personen stand kurz vor dem Auseinanderbrechen. (…) Die drei darauffolgenden Rettungseinsätze erfolgten in Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden und den libyschen Schiffen vor Ort. (…) Plötzlich verlangten die libyschen Schiffe entgegen der zuerst abgegebenen Anweisung zur Rettung, dass die Ocean Viking das Einsatzgebiet verlässt. Im vergangenen Jahr hatten libysche Schiffe wiederholt in Nähe der Ocean Viking Schüsse abgefeuert. Um einen erneuten Zwischenfall zu vermeiden, befolgte die Besatzung die Anweisung zum Verlassen. Auf dem verbliebenen Boot in Seenot brach daraufhin Panik aus. Der Bootsführer bedrohte die Menschen an Bord und forderte sie auf, über Bord zu springen, um gerettet zu werden. Die Menschen riskierten ihr Leben, um die Ocean Viking zu erreichen. Um eine weitere Eskalation zu verhindern, führte die Ocean Viking die Rettung durch.“
SOS Mediteranee
SOS Mediteranee fordert, die Kriminalisierung der Seenotrettung zu beenden: „Dass wir uns für die Rettung von Menschenleben rechtfertigen müssen, ist weder moralisch noch rechtlich vertretbar“, sagt Soazic Dupuy, Operations Direktorin von SOS MEDITERRANEE. Während sich die zivilen Rettungseinsätze an See- und Völkerrecht halten, bringen libyschen Patrouillenschiffe in Seenot geratene Menschen gewaltsam nach Libyen zurück und werden dabei von der EU unterstützt. Laut der Nachrichtenagentur AFP sind allein im Jahr 2023 rund 2.700 Menschen auf der zentralen Fluchtroute durch das Mittelmeer gestorben: 2.700 Todesopfer der inhumanen Europäischen Grenzpolitik.
Sonntag, 11. Februar
In Dresden haben heute Tausende Menschen gegen den jährlich stattfindenden Nazi-Aufmarsch anlässlich der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg demonstriert. In strömendem Regen sind laut Polizei 5.000 Menschen gekommen, um sich den rund 1.000 Nazis entgegenzustellen. Die Cops leisteten wie üblich ganze Arbeit, um den rechtsextremen Geschichtsrevisionist*innen den Weg frei zu halten und kesselten hunderte Antifaschist*innen ein, um deren Personalien festzustellen. „Dresden gruselts Euch bei diesen Bildern nicht, wenn ein straff bekennender rechter Naziauflauf massiv geschützt, geleitet von deutscher Exekutive durch Eure schöne Stsdt marschiert?“, fragten die „Omas gegen Rechts“ aus Leipzig via X.
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