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Isabel Rohner durfte am Sonntag bei radio eins vom rbb transfeindliche Unwahrheiten verbreiten. Die Moderatoren Sven Oswald und Daniel Finger ließen sie gewähren.

Transfeindlichkeit im Radio

Am vergangenen Sonntag gab der öffentlich-rechtliche Sender radio eins einer selbsternannten Feministin eine Plattform für ihre uninformierten und transfeindlichen Tiraden. Hier kommt ein Widerspruch.

Dieser Beitrag entstand mit großer Unterstützung von Ash (@ashducation)

Am Sonntag, 11. Februar 2024, war Isabel Rohner in der radioeins-Sendung „Zwei auf Eins“ zu Gast und durfte rund zehn Minuten lang trans- und interfeindliche Unwahrheiten und Verschwörungsgeraune verbreiten. Ihre Tirade blieb unwidersprochen, die Moderatoren Daniel Finger und Sven Oswald, die sich sehr wohl bewusst waren, wie „kontrovers“ Rohners Auftritt aufgefasst werden würde, ließen diese nicht nur gewähren, sondern unterstützten das Gesagte noch mit zustimmenden Geräuschen und süffisant „satirischen“ Kommentaren.

Dass ein öffentlich-rechtlicher Radiosender in dieser Weise Diskriminierung Raum gibt und unwidersprochen als „Meinung“ sendet, ist nicht hinnehmbar. Im Folgenden werden die Aussagen von Isabel Rohner zitiert, kontextualisiert und widerlegt.

+++ Inhaltshinweis +++ Trans- und Interfeindlichkeit und diskriminierende Sprache +++ Wenn Du von diesen Diskriminierungsformen betroffen bist, solltest Du den folgenden Text vielleicht lieber nicht (oder nicht allein) lesen +++

Hier könnt ihr das Gespräch hören (ab Minute 25)

Sven Oswald (SO): Es ist 10:18 Uhr, Sie hören Zwei auf Eins. Unser Thema heute ist „Streich“.

Daniel Finger (DF): Und Achtung: Das Thema, das wir jetzt besprechen wollen, ist geeignet, bei einigen von Ihnen Wut zu erzeugen – wie alle Genderthemen – aber geben Sie uns und sich eine Chance äh und vor allem, unterstellen Sie uns bitte nicht irgendeine Haltung, weil wir jetzt zwei Männer am Mikrofon sind. Gleich am anderen Ende der Leitung ist eine Frau. Vielen herzlichen Dank. So, und jetzt gehen wir in medias res: Die Wörter „Mann“ und „Frau“ stehen auf der Streichliste mancher Gleichstellungsaktivist*innen, haben wir gehört, und darüber wollen wir mit Isabel Rohner sprechen. Sie ist Feministin, Spezialistin für Frauenwahlrecht, Hedwig-Dohm-Biografin, Krimiautorin und Podcasterin. Schönen guten Morgen Isabel.


Ergänzung zur Person Isabel Rohner:
Sie ist außerdem gut vernetzt in der radikalfeministischen Szene und teilt auf Twitter transfeindliche Beiträge, in denen z.B. trans Frauen als „Männer“ bezeichnet werden, die Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer „Mann“ und bei ihrem Deadname genannt wird, Transrechte als „Männerrechte“ bezeichnet werden und geschlechtsangleichende Maßnahmen als „Frankenstein-GenitalOPs“ bezeichnet werden. Das geplante Selbstbestimmungsgesetz für trans Personen stellt sie als Gefahr für „Frauen und Kinder“ dar. (Alle Beispiele aus dem letzten halben Jahr und mit Screenshots gesichert.)


SO: Hallo, Isabel!

Isabel Rohner:  Hi, ihr zwei!

SO: So Isabel, wer vertritt denn die Idee, dass man Geschlechterbegriffe wie Mann und Frau ganz streichen sollte?  

Rohner: Tatsächlich eigentlich niemand, ist mir ja ganz neu, denn eigentlich geht’s immer nur darum, den Begriff Frau zu streichen und nicht den Begriff Mann zu streichen. Allein das ist eigentlich ein Indiz, dass es hier, sich hierbei um eine ganz schön patriarchal geprägte Diskussion handelt. 


Hier setzt Isabel Rohner schon den Ton für den Rest des Interviews. Die „Diskussion“, die sie anführt, existiert überhaupt nicht. Es handelt sich vielmehr um ein von Rechtskonservativen gesteuertes Narrativ, dass irgendjemand den Begriff „Frau“ streichen wollen würde, mit dem Ziel, Frauen generell unsichtbar zu machen, bzw. als Kategorie abzuschaffen. Das ist der Prototyp einer Verschwörungserzählung.


DF: Okay, aber das ist das ist super spannend. Wie gesagt, wir haben das anders gehört, aber jetzt sag mal, ähm, wir sind ja nicht so tief drin wie du im Thema. Was ist denn am Begriff Frau jetzt –  ich habe, ich habe eigentlich gedacht, mit meiner Feminismus-Erfahrung, dass es eher wichtig ist, über Frauen und Frauenthemen zu sprechen und mal den Begriff Mann eher nach hinten zu stellen.

Rohner: Absolut, bin ich voll bei dir!

DF: Okay.

Rohner: Also das Thema ist völlig absurd und ich will es direkt am Anfang sagen. 

SO: Mhm.

Rohner: Man kann Frauen nicht streichen. Allein in Deutschland leben 43 Millionen Frauen…

SO: Mhm.

Rohner: … übrigens eine Millionen mehr als Männer. Weltweit sind es 4 Milliarden Frauen. 

SO: Mhm.

Rohner: Frauen sind real. Und diese ganze Debatte darum, den Begriff Frau zu streichen oder verschwinden zu lassen hinter Akronymen, äh ich habe gleich drei konkrete Beispiele mitgebracht,…


Die „ganze Debatte“ existiert außerhalb des gedanklichen Universums, in dem sich transfeindliche Feminist*innen und rechtskonservative „Sprachschützer*innen“ bewegen, überhaupt nicht. Bei der gendersensiblen Sprache geht es darum, präziser zu benennen, worüber man spricht und diskriminierende Bezeichnungen zu vermeiden. Das Narrativ „Frauen werden abgeschafft“ (EMMA 2020) hält sich dennoch hartnäckig und wird mehr und mehr zu einer Verschwörungserzählung.


DF: Mhm, mhm! 

Rohner: …der ist total theoretisch und ganz, ganz stark abstrakt und akademisch äh geprägt. 

DF: Ja! 

SO: Dann mal her mit den Beispielen! Ich bin sehr gespannt. 

Rohner: Total gerne, drei ganz aktuelle Beispiele –  es gibt leider Tausende davon. Mein erstes Beispiel äh stammt aus der TAZ von letzter Woche. Da erschien nämlich ein Artikel über Endometriose. 


Der Verweis darauf, dass angeblich „Tausende“ Beispiele existieren, soll Isabel Rohners Ausführungen glaubwürdiger machen. Belege für diese Behauptung hat sie allerdings keine. „Rhetorische Übertreibung“ als Stilmittel, sagen die einen – „manipulative Falschbehauptung“ die anderen.


SO: Mhm. 

Rohner: Eine Krankheit, die ausschließlich Frauen betrifft, weltweit über 190 Millionen Frauen. 

SO: Mhm!    

Rohner: Ähm ich habe diesen Text gelesen und dachte: „Ey, wollt ihr mich jetzt irgendwie veräppeln?“ Denn nirgendwo stand, dass das eine Frau…eine Krankheit ist, die nur Frauen betrifft.


Faktencheck: Endometriose betrifft nicht nur Frauen – nicht einmal dann, wenn nicht-weibliche inter* und trans* Menschen mit Endometriose einfach zu Frauen umdefiniert werden. Bei endo (= nicht inter) cis (=nicht trans) Männern ist Endometriose zwar deutlich seltener, kommt aber vor.

Quellen: Al-Obaidy KI, Idrees MT. Endometriosis With Cystic Degeneration: A Rare Disease of Males. Int J Surg Pathol. 2019 May;27(3):311-314. doi: 10.1177/1066896918797438. Epub 2018 Sep 4. PMID: 30178697; 
Martin JD Jr, Hauck AE. Endometriosis in the male. Am Surg. 1985 Jul;51(7):426-30. PMID: 4014886.

Die TAZ lag mit der Formulierung „Menschen mit Gebärmutter“ dementsprechend natürlich auch ein bisschen daneben.


DF: Mhm. 

Rohner: Wurde immer gesprochen von Menschen mit Gebärmutter. 

DF/SO: *lachen*


Wir haben den besagten taz-Artikel gelesen: Im Text steht genau einmal die Bezeichnung „Menschen mit Uterus“ (sowie einmal im Teaser), das Wort „Gebärmutter“ kommt überhaupt nicht vor, aber okay, wollen wir nicht kleinlich sein. Das Wort „Frauen“ kommt im Artikel ebenfalls vor. Die Autorin schreibt: „Lange gingen Mediziner_innen einfach davon aus, dass ein weißer, europäischer Mann die Norm darstellt und alle anderen Menschen – BPoC, Frauen und Kinder, einfach nur eine Veränderung dieser Norm darstellen.“ Später taucht dann noch „Flinta“ auf und hier ist Kritik durchaus angebracht, denn erstens wird der Begriff hier falsch verwendet (es geht nicht generell um Frauen, Lesben, inter, trans und nicht-binäre Personen, sondern um Betroffene von Endometriose) und zweitens müsste es, wenn richtig verwendet, „FLINTA“ heißen damit deutlich wird, dass es sich um ein Akronym handelt, das mehrere Gruppen zusammenfasst.


Rohner: Das heißt, Frauen wurden hier mal eben auf ein Organ reduziert. Stellen wir uns das mal im Gegensatz vor, ne? Ein Artikel, ähm, der sich mit, mit Hodenkrebs auseinandersetzt, und es wird nie von Männern gesprochen, sondern mit.. ähm von, von, von Menschen mit Prostata.


Die Behauptung, Frauen würden „auf ein Organ reduziert“ ist eine häufig wiederholte Phrase, um Stimmung zu machen, hält jedoch keiner Überprüfung stand. Denn genau genommen ist das Gegenteil der Fall. Wenn nur von „Frauen“ gesprochen wird, wird vorausgesetzt, dass sie einen Uterus haben: Frau = mit Uterus. Frauen, die eine Hysterektomie hatten, werden dann vom Begriff „Frau“ nicht mehr erfasst, weil ohne Uterus. Im angeführten Artikel geht es eben nicht um Frauen im Allgemeinen, sondern um die Frauen (und anderen Personen), die einen Uterus haben (und von Endometriose betroffen sind). Das so zu benennen ist nicht „frauenfeindlich“, sondern schlicht faktenbasiert und zudem präziser. Denn wie gesagt, nicht jede Person, die einen Uterus oder Endometriose hat, ist eine Frau. Zu kompliziert? Dann lies bitte noch einmal in Ruhe.


DF: Mhm. 

Rohner: Oder, oder wie lautet euer, euer Slogan für eure Sendung?

SO: Zwei Mann, ein Thema. Zwei, zwei Prostatas, ein Thema.

Rohner: …ein Thema. Das ist nicht denkbar. Also von daher, eure These, dass Männer auch verschwinden, ist ehrlich Bullshit. 


 Anstatt nur Gedankenexperimente dazu anzustellen, hätte Rohner den Wahrheitsgehalt ihrer Behauptung ganz einfach über eine kurze Google-Suche überprüfen können. Dann hätte sie allerdings festgestellt, dass sehr wohl auch im Hinblick auf Hodenkrebs gendersensibel formuliert wird. Hier ein paar Beispiele für Texte zu Hoden- / Prostatakrebs, in denen die Formulierungen „Menschen mit Prostata“ und/oder „Menschen mit Hoden“ vorkommen:


SO: Mhm.

DF: Okay!

Rohner: Zweites Thema ähm: Ein Akronym, was, was dauernd jetzt oder häufiger äh, äh verwendet wird: FLINTA oder auch FLINTA Personen. Da würde ich mal allen Hörerinnen und Hörern ähm tatsächlich empfehlen, dieses Wort zu googeln, vielleicht auch in der Kombination mit FLINTA-Tag. Da stellt man dann fest, echt viele Organisationen, insbesondere viele Universitäten, sprechen inzwischen lieber von FLINTA als von Frauen und das leider auch so in absurden, äh zu absurden Gelegenheiten.

SO: Also Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans- und *deutsch ausgesprochen* Agender… 

DF: *englisch gesprochen* Agender! 

SO: Nicht *deutsch gesprochen* Agender, *englisch gesprochen* Agender-Personen! Ja das ist also die Definition von FLINTA.

Rohner: Jaaaa! 

SO: Ah okay. 

Rohner: Sehr gut und da siehst du allein, also in dieses Akronym kommen halt ganz viele unterschiedliche Gruppen rein. Also Frauen, das ist eine biologische Kategorie, Lesben, das… da geht’s um sexuelle Orientierung


Tatsächlich geht es bei der Nennung von Lesben im Akronym FLINTA überhaupt nicht um sexuelle Orientierung. Aber wer erwartet von einer „Feminismusexpertin“ schon ausreichend Grundwissen über die Geschichte der Frauenbewegung, um das richtig einzuordnen!? Rohner selbst stellt diesen Anspruch an sich zumindest offensichtlich nicht. Hier gibt es mehr Informationen, warum das „L“ ins Akronym „FLINTA“ gehört.


Rohner: Intersexuelle, das ist wieder eine biologische äh Kategorie, das ist eine Sonderform von Mann/Frau, Non-Binäre, das ist ’ne gefühlte Selbsteinschätzung, also wenn ich eben nicht Barbie oder Hulk bin, kann ich mich als non-binär definieren. Äh das würde jetzt auf, auf Daniel Finger auf jeden Fall zutreffen, ne, äh wie auch auf die meisten Männer. Vielleicht auf dich, Sven nicht, das weiß ich nicht, ob du dich näher bei Hulk siehst…

SO: Ich bin mehr so der Ulk. *lacht* 


„Intersexuelle“, also intergeschlechtliche oder inter* Personen sind KEINE „Sonderform von Mann/Frau“, wie Isabel Rohner hier behauptet. Das ist eine diskriminierende Aussage und macht Intergeschlechtlichkeit zu einer Abweichung, einer „Krankheit“, die behandelt werden muss. Diese Logik sorgte jahrzehntelang dafür, dass inter* Kinder operiert wurden, um sie für eine der binären Geschlechtskategorien passend zu machen. Mehr Informationen zu Intergeschlechtlichkeit.


Rohner: Aber eigentlich no..non…non-binär. Ja, ich ich habe die These, 99,9 Prozent der der Mä…der Menschen können sich nicht, äh, so einer, einer binären stereotypen äh Ge-Geschlechterrolle zuordnen wie Barbie oder Hulk. 


Hier wird deutlich, dass Isabel Rohner sich nie mit nicht-binärer Geschlechtsidentität auseinandergesetzt hat. Die Behauptung, nicht-binäre Menschen würden sich schlicht mit stereotypen Geschlechterrollen unwohl fühlen, macht nicht-binäre Menschen lächerlich und wertet ihre Identität ab. Dagmar Pauli, Chefärztin und medizinisch-therapeutische Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, berät seit 15 Jahren trans und nicht-binäre Personen. In ihrem Buch „Die anderen Geschlechter“ setzt sie sich mit Nicht-Binarität auseinander, sie schreibt: „Wie sich eine nicht-binäre Geschlechtsidentität anfühlt, ist für cis Menschen in der Regel schwer nachvollziehbar. (…) Im Gegensatz dazu schildern mir nicht-binäre Menschen ihr Empfinden (…) als starke Inkongruenz. Sie fühlen sich ausgesprochen unwohl damit, einer für sie nicht passenden Kategorie zugeordnet zu werden.“ (S.45) Warum fühlt sich Isabel Rohner berechtigt, dies abzuwerten? Wieso macht sie Menschen lächerlich, die sie nicht kennt und ganz offensichtlich nicht versteht? Dagmar Pauli schreibt: „Nur weil etwas bislang nicht üblich war, bedeutet es nicht eine Gefahr. Dennoch lösen die Schilderungen junger Menschen über nicht bekannte Ausdrucksformen der Geschlechtsidentität häufig Kopfschütteln, Spott und Zynismus, im schlimmsten Fall Ausgrenzung Ablehnung oder sogar gewalttätige Impulse aus.“ (S. 71)

Selbst das Bundesverfassungsgericht erkennt Geschlechtsidentitäten über das binäre Modell „männlich/weiblich“ hinaus an und urteilte 2017: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch die geschlechtliche Identität, die regelmäßig ein konstituierender Aspekt der eigenen Persönlichkeit ist. Der Zuordnung zu einem Geschlecht kommt für die individuelle Identität herausragende Bedeutung zu; sie nimmt typischerweise eine Schlüsselposition sowohl im Selbstverständnis einer Person als auch dabei ein, wie die betroffene Person von anderen wahrgenommen wird. Dabei ist auch die geschlechtliche Identität jener Personen geschützt, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen sind.“ (Quelle)


SO: Mhm:

Rohner: Also dann trans, das sind äh Personen, die sich nicht ihrem biologischen Geschlecht zugehörig fühlen, und agender, das sind Geschlechtslose. Das heißt, Gruppierungen mit völlig unterschiedlichen Hintergründen, äh auch völlig anderen Interessen, völlig anderen politischen Belangen, und die kommen jetzt unter ein Dach: FLINTA. Und das passt nicht, damit schwächst du alle. Also ich ich würde mal sagen, in Deutschland haben wir 1,5 Millionen Alleinerziehende, 90 Prozent davon sind Frauen. Ich glaube, wir haben sehr wenig zu tun und überein äh in der Schnittstelle zu politischen Forderungen von Personen, die sich vielleicht als Geschlechtslos sehen…


Isabel Rohner macht auch hier wieder deutlich, dass sie einfach überhaupt keine Ahnung hat, was „FLINTA“ bedeutet. Dabei müssen wir ihr zugutehalten, dass das sehr viele nicht wissen und das Akronym häufig in einem falschen Zusammenhang verwendet wird. FLINTA ist eine Analysekategorie, die dafür geeignet ist, Menschen, die von patriarchaler Gewalt, von sexistischer bzw. geschlechtsbezogener Diskriminierung betroffen sind. That’s it. FLINTA ist kein Synonym für Frauen! Hier weiterlesen zum „FLINTA“-Begriff.

Viel wichtiger an dieser Stelle ist jedoch, dass Isabel Rohner mit ihren Aussagen deutlich macht, dass für sie „Frau“ eine homogene Kategorie ist. In ihrer Weltsicht sind die Belange, Bedürfnisse und Probleme von „Frauen“ universell. Damit zeigt sie, dass ihr Feminismus nie über den der weißen Frauenbewegung der 1970er Jahre hinausgekommen ist. Ein intersektionaler Feminismus zeigt hingegen auf, dass die Erfahrungswelt, die weiße Feminist*innen als „universal“ verstehen, nur eine kleine Gruppe von Frauen teilt. Frauen machen „als Frauen“ in der Realität eben nicht die gleichen Erfahrungen. Manche Frauen erfahren Rassismus, manche Ableismus, manche klassistische Diskriminierung, manche Queerfeindlichkeit und manche alles auf einmal. Isabel Rohners Beispiel, dass Alleinerziehende keine politische Schnittstelle hätten zu agender Personen, zeugt von genau dieser Ignoranz.


DF: Isabel sei mir, sei mir nicht böse. Ich versuch’s trotzdem. Ich meine, ich werde wahrscheinlich auch äh werden einige Leute jetzt die Stirn runzeln und böse sein, weil ich eine Frau hier in diesem Interview unterbreche, aber wir haben nur eine gewisse Zeit und ich möchte, eine Sache möchte ich gerne verstehen. Also als du äh den ersten also sozusagen das erste Beispiel gegeben hast äh ähm und da ging’s dann um Frauen äh oder um Menschen mit Gebärmutter. Da würde ich dann tatsächlich noch denken, okay, man hat jetzt Angst, die Leute, die eine Gebärmutter haben, sich aber nicht als Frau zu empfinden, zu brüskieren, indem man das falsch schreibt. Wobei ob die Angst zu brüskieren, das Schlimme ist, darüber können gleich noch sprechen. Hier bei diesem FLINTA-Begriff ist es ja auch noch so, also da wird Trans mit eingestellt sozusagen, aber dann offensichtlich auch nur Trans in die eine Richtung und wie du’s gerade gesagt hast, die Interessen der Leute sind offensichtlich ja sehr verschieden.

„Trans“ in die eine Richtung???

DF: Ich habe hier vor allem das Gefühl, man nimmt jetzt einen Kunstbegriff und versucht da alle zu integrieren, die einfach nicht eindeutig cis Mann sind und war das nicht eigentlich mal eine grundsätzliche Idee des Feminismus, dass man genauer hingucken sollte bei den ganzen anderen, sich nicht nur abarbeiten sollte an der Diskussion eben nicht Mann zu sein?

Rohner: [Shit(?)] Unbedingt wichtig! Also ich, weißt du, in der Politik geht’s darum, was sind real existierende Probleme für welche Gruppen? Wie lösen wir das für diese Gruppen? Wenn du, wenn du Gruppen auflöst, erreichst du für niemanden irgendwas. Und auch hier, ne, also das das Akronym FLINTA existiert, aber in die andere Richtung nicht. Also man könnte ja auch sagen, agender Personen möchten sich lieber Männern zuordnen und man macht jetzt  die Kategorie MINTA, gibt es aber nicht. [DF/SO lachen] Daran erkennst du, dass wir in einer total frauenfeindlichen Diskussion stecken.


Nochmal: FLINTA ist kein Synonym für Frauen!!! Und wenn agender Personen sich „Männern zuordnen“ sind sie nicht agender, sondern Männer, lol.


DF/SO (?): Mhm mhm

Rohner: Drittes Beispiel, ist mir wichtig. [DF: Mhm.] Aktuell ähm wird im Parlament ähm besprochen, dass ein sogenanntes Selbstbestimmungsgesetz. Dieses soll das bestehende Transsexuellengesetz ablösen. Die Parlamentsverhandlungen laufen heiß. Äh die Unionsfraktion hat vor Weihnachten eine Kleine Anfrage gestellt mit über 90 Fragen, die deutlich machen, wie viele offene Fragen da noch äh bestehen.

DF: Mhm.


Wollt ihr ein paar Beispiele für die Fragen der CDU/CSU?

  • „Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob Ärzte bereit sind, an Kindern und Jugendlichen geschlechtsverändernde Operationen vorzunehmen, wenn diese in ihrem jeweiligen Geburtsgeschlecht leben?“ (Das geplante Selbstbestimmungsgesetz regelt überhaupt keine medizinischen Belange, es geht lediglich um das Personenstandsregister!)
  • „Bestehen seitens der Bundesregierung Bedenken, dass medizinische Maßnahmen schneller eingeleitet werden, sofern ein Kind bereits den personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag geändert hat, gegenüber den Kindern, die nicht rechtlich transitioniert sind?“ (Warum das Beharren auf medizinische Maßnahmen? Darum geht es gar nicht im Gesetz!)
  • Woran erkennen nach Auffassung der Bundesregierung Eltern eines einjährigen Kindes, dass ihr Kind eine andere Geschlechtsidentität hat als das Geschlecht, das die Hebamme bei der Geburt festgestellt hat, und hat die Bundesregierung Erkenntnisse hierüber (ausgenommen hiervon sind Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung)? (Hä???)
  • „Ist nach Auffassung der Bundesregierung der Entzug des Sorgerechts eines Elternteils nach dem SBGG möglich, wenn ein Elternteil der Änderung des Geschlechtseintrags seines Kindes nicht zustimmt?“ (What?)
  • „Ist es nach Auffassung der Bundesregierung möglich, dass Personen, die über einen gemäß § 1 Absatz 3 SBGG-E entsprechenden Titel verfügen, eine Erklärung gemäß § 2 Absatz 1 SBGG-E abgeben, den Aufenthaltstitel später verlieren, aber aufgrund ihrer abgegebenen Erklärung nach § 2 Absatz 1 SBGG-E nicht abgeschoben werden können, weil sie entweder im Heimatstaat aufgrund der Identitätsänderung nicht zugeordnet werden können oder weil ihnen aufgrund ihrer Transsexualität Strafe droht?“ (Abschiebungen – Lieblingsthema der Union, darf natürlich nicht fehlen.)
  • „Welche Folgen erwartet die Bundesregierung für die Unterkunftskonzepte bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr?“ (Sind das ernstgemeinte Bedenken oder soll hier einfach die Zeit der Abgeordneten und ihrer Mitarbeiter*innen verschwendet werden?)

Hier der vollständige Fragenkatalog.


Rohner: Das Grundproblem, ich will da jetzt mich nur auf einen Aspekt ähm konzentrieren ähm dieses also der Entwurf, wie er ja heute auf dem Tisch liegt, richtet sich nicht an Transsexuelle, deren Probleme man ursprünglich eigentlich lösen wollte, sondern an Alle und soll ermöglichen, im Entwurf wie er jetzt aufm Tisch liegt, dass auch Sven und Daniel und ich einmal im Jahr unseren Geschlechtseintrag ändern können. Einmal im Jahr auch einen neuen Vornamen.


Dass Isabel Rohner von „Transsexuellen“ spricht, ist kein Zufall. Sie wählt hier bewusst die veraltete, pathologisierende und diskriminierende Bezeichnung. Und dass sich Gesetze „an alle“ richten, nennt sich schlicht Demokratie. Auch die „Ehe für Alle“ richtet sich an alle Menschen – nicht nur an homosexuelle Paare. Ja, nach dem Gesetz dürften auch Daniel Finger und Sven Oswald heiraten, na und?! Das heißt doch nicht, dass sie es tun (müssen).  


Rohner: Das ist allerdings ein Widerspruch zum Grundgesetz. Ich erinnere Artikel drei, Absatz zwei, Männer und Frauen sind gleichberechtigt, der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung, Ähm äh für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Das heißt, das Grundgesetz argumentiert mit einem biologischen Geschlechtsbegriff. [SO: Mhm.] Was jetzt hier passiert, sollte dieses äh Selbstbestimmungsgesetz wie es aufm Tisch liegt, in Kraft treten, ist dass die Definition von Geschlecht geändert wird und auch das äh geht natürlich voll auf Kosten von Frauen.


Das hier ist eine Behauptung, um Stimmung zu machen. Wieso geht das Gesetz auf Kosten von Frauen, Isabel Rohner? Keinerlei Belege, nur Hetze. Auch die Aussage, das Grundgesetz arbeite mit einem „biologischen Geschlecht“ ist so nicht richtig. Das Grundgesetz definiert an keiner Stelle die Begriffe „Mann“ und „Frau“. Dass im Grundgesetz lediglich „Mann“ und „Frau“ erwähnt werden, dürfte mit dem Zeitpunkt seiner Entstehung zusammenhängen. Wie das Bundesverfassungsgericht 2017 feststellte, gebietet das Grundgesetz „nicht, den Personenstand hinsichtlich des Geschlechts ausschließlich binär zu regeln. Es zwingt weder dazu, das Geschlecht als Teil des Personenstandes zu normieren, noch steht es der personenstandsrechtlichen Anerkennung einer weiteren geschlechtlichen Identität jenseits des weiblichen und männlichen Geschlechts entgegen.“

Dass das Selbstbestimmungsgesetz dem staatlichen Gebot der Gleichberechtigung entgegenwirkt, ist schlicht unwahr. Bereits jetzt gilt das Recht auf Gleichberechtigung für alle, unabhängig vom „biologischen“ Geschlecht. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes erklärt: „Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt jede Person vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – jeden Geschlechts. Zwar wurde die Diskriminierung von trans* und intergeschlechtlichen Personen, also die Geschlechtsidentität, im AGG zunächst unter das Merkmal „sexuelle Identität“ gefasst (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucksache 16/1780, Seite 31). Der Europäische Gerichtshof sieht Intergeschlechtlichkeit und trans* jedoch durch das Merkmal Geschlecht geschützt (EuGH, Urteil vom 30.04.1996, Rs. C- 123/94 (P./s. u. Cornwall County Council). Anders als das Personenstandsrecht hatte der rechtliche Diskriminierungsschutz also schon vor dem Urteil des BVerfG einen offenen Geschlechtsbegriff, der auch Intergeschlechtlichkeit und trans* umfasst.“

Die Bundesregierung hat häufig gestellte Fragen zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz hier beantwortet. Ist es zu viel verlangt, dass sich eine „Expertin“ damit auseinandersetzt, bevor sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dazu äußert?


DF: Hmhm. Also ähm ich persönlich habe manchmal das Gefühl, dass wir uns zu sehr mit Sprache beschäftigen und zu wenig mit den wirklichen Missverhältnissen im Leben. Isabel, [Rohner: Absolut!] ich äh weiß aus Gesprächen, dass du das ähnlich siehst. [Rohner: yes!] Ähm ich wollte abschließend auch noch sagen, wenn Sie sich jetzt geärgert haben, über irgendwas, was jemand gesagt oder nicht gesagt hat, ist das völlig okay. Sie dürfen uns auch eine Mail schreiben, eine konstruktive Mail, wo Sie einfach schreiben, wie Sie die Dinge sehen. Das würde uns dann sehr freuen. Ähm Sie dürfen uns natürlich auch nicht konstruktive Mails schreiben, aber die freuen uns dann nicht so sehr. Wir bedanken uns erstmal ganz herzlich für das Gespräch mit Feministin und Autorin Isabel Rohner. Wir sprachen darum, dass viele den Begriff Frau abschaffen oder vermeiden wollen und Schwierigkeiten haben mit den Geschlechterbegriffen, wie wir sie bisher hatten und dass zumindest aus Isabels Sicht da nicht alles unbedingt besser wird, wenn man das macht.

Rohner: Ich danke euch! 

DF: Sehr gerne

Rohner: Frauen streichen ist frauenfeindlich!

DF: Wir wollten gerne noch einen äh feministischen Wochenrückblick, „die Podcastin“, empfehlen, äh falls Sie solche Themen interessieren, den macht Isabel gemeinsam mit Regula Stämpfli. Und Isabel, ganz, ganz herzlichen Dank. Ähm wir bleiben dran an dem Thema. Dankeschön.


Ein paar Infos über transfeindliche Aussagen von Rohners Podcast-Partnerin Regula Staempfli:

  • Am 26. Mai 2023 tweetete sie: „Transwomen and Transmen are Transpeople. The TRANS is the common category. Not the ‘woman’ or the ‘man’.“
  • Am 10. August twitterte sie: „Die Transaktivisten kümmern sich nicht um Transsexuelle, sondern haben daraus eine misogyne Ideologie gemacht, die den völlig berechtigten Rechts- und Grundrechtsansprüchen von Transmenschen überhaupt nicht gerecht werden. Zudem üben sie #Trumpism, um die Positionen von Frauen, Feminismus völlig zu desavouieren: Die neuen Ideologen meine ich.“ Mit dem Begriff „Transaktivisten“ nimmt sie Bezug auf die Schweizer Kinder- und Jugendpsychiaterin, Dagmar Pauli, und den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, David Garcia Nuñez. Letzterer antwortete ihr auf Twitter: „Bei allem Respekt: Dagmar Pauli und mich als «Transaktivisten», die irgendetwas mit «Trumpismus» zu tun haben könnten, zu bezeichnen, ist weit unter deinem Niveau. Du hast eine Podcastfolge dazu gemacht. Wir begleiten trans Personen seit mehr als 15 Jahren auf ihrem Weg.“
  • Am 7. Dezember 2023 verbreitete sie die Falschbehauptung, bei einem Amokläufer in den USA habe es sich um eine „Transfrau“ gehandelt. In Wahrheit war der Täter jedoch ein trans männlich.
  • Am 7. Februar rief sie öffentlich dazu auf eine Petition zu unterzeichnen, die sich gegen die Pläne der WHO richtet, neue Leitlinien für die Gesundheit von trans und genderqueeren Personen zu erstellen. Im Petitionstext heißt es u.a. „Die WHO spielt ideologische Spielchen auf Kosten verwirrter junger Menschen“, „Dabei geht es nicht um Gesundheit – es geht um Ideologie“ und „Die Gruppe, welche diese Leitlinien schreibt, besteht hauptsächlich aus Trans-Aktivisten, die seit Jahren öffentlich darauf drängen, jeden auf Wunsch mit Hormonen zu behandeln und zu operieren. Ohne psychologische Untersuchung, und selbst dann, wenn die Person Stimmen hört oder sonst ein schweres Problem hat.“ Kompletter Verschwörungsideologischer Bullshit.    

Rohner: ja, sehr gerne

SO: schönen Sonntag dir

Rohner: euch auch

DF/SO: tschüss. 

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