Großbritannien blockiert trans Rechte in Schottland, in Berlin steht ein AfD-Politiker vor Gericht, Juli Zeh marschiert weiter nach rechts und in Kalifornien ereignete sich das 33. Mass Shooting des Jahres. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW3
Montag, 16. Januar
Als Schottland im Dezember ein Selbstbestimmungsgesetz beschloss, das trans Personen die Änderung des Geschlechtseintrags ohne verpflichtendes medizinisches Gutachten ermöglichen soll, befürchteten viele bereits was nun eingetreten ist: Die britische Zentralregierung erklärte, das Gesetz blockieren zu wollen. Erstmals in der Geschichte nutzt der britische Premier sein Vetorecht und kündigte an, die Gesetzesvorlage King Charles nicht vorzulegen. Ohne die Unterschrift des Königs kann das Gesetz nicht in Kraft treten. Das zu tippen hat sich gerade angefühlt, wie einen historischen Roman zu schreiben, aber leider ist es in Großbritannien tatsächlich noch so. Rishi Sunak hat mit dieser Entscheidung deutlich gemacht, dass ihm eine handfeste Staatskrise lieber ist, als trans Personen grundlegende Rechte zuzugestehen. Die Weigerung der Regierung in London sorgt nicht nur bei trans* Personen für Wut und Enttäuschung, Nicola Sturgeon (schottische Regierungschefin) sieht in der Blockade einen Angriff auf die Demokratie. Transfeind*innen haben in Großbritannien Oberwasser, sie sind laut und einflussreich. Eine der lautesten und einflussreichsten Stimmen ist die von Harry Potter-Autorin J.K. Rowling. Immer wieder verbreitet sie öffentlich Lügen und Hetze über trans Personen und nährt damit das Märchen von der „Gefährdung von Frauen und Kindern“. Auch in Deutschland ist das transfeindliche Narrativ verbreitet, die Selbstbestimmung von trans Personen würde die Sicherheit von „Frauenräumen“ bedrohen. Das völlig unbegründete Schauermärchen hat kürzlich sogar den Bundesjustizminister dazu gebracht in einem Interview mit „Die Zeit“ zu erklären, dass in Deutschland geplante Selbstbestimmungsgesetz dürfe Privatpersonen wie „die Betreiberin einer Frauensauna“ nicht verbieten, Besucher*innen zu diskriminieren. Er sagte, sie sollten auch in Zukunft das Recht haben, „die äußere Erscheinung eines Menschen“ als Maßstab dafür zu nehmen, wen sie respektvoll behandeln und wen nicht.
Dienstag, 17. Januar
Auch in dieser Woche passierten in Deutschland wieder mehrere Femizide. Am Dienstag wurde die Leiche einer 24-Jährigen in Stockach (Baden-Württemberg) gefunden. Die zweifache Mutter wurde offenbar von ihrem 22-jährigen Freund mit einem Kabel stranguliert und anschließend vom Balkon geworfen. Der mutmaßliche Täter soll die Tat gestanden haben, die Frau soll ihm zuvor „eine Eifersuchtsszene gemacht“ haben.
Ebenfalls am Dienstag kam in Hildesheim (Niedersachsen) eine 40-Jährige ums Leben. Der 39-jährige Ehemann alarmierte die Rettungskräfte, die jedoch nicht mehr hätten helfen können. Als Todesursache stellte die Polizei „Gewalteinwirkung“ fest, der Ehemann wurde vorrübergehend festgenommen, ist aber nach NDR-Informationen wieder frei, weil sich kein „dringender Tatverdacht“ ergeben hätte.
Am Donnerstag wurde in Genthin (Sachsen-Anhalt) eine 39 Jahre alte Frau in einer Wohnung erschossen (Link zu BILD). Tatverdächtig ist ein 50-Jähriger, der als Jäger eine gültige Waffenbesitzkarte gehabt haben soll. Laut BILD war die Frau mit ihren beiden Kindern im letzten Jahr vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflüchtet.
Am Samstag wurde in Markdorf (Baden-Württemberg) eine 44-Jährige an ihrem Arbeitsplatz erschossen, einem „Schnäppchenmarkt“, wie es bei BILD heißt. Tatverdächtig ist der Ehemann, von dem sich die Frau getrennt hatte. Der 47-Jährige soll „in betrunkenem Zustand“ in den Laden gekommen sein und auf die Frau geschossen haben, die noch vor Ort verstarb. Anschließend soll er in einem Taxi geflüchtet sein. Während laut SWR das Motiv für die Tat noch „unklar“ sei, zeigen Statistiken, dass die Zeit nach einer Trennung die gefährlichste für Frauen ist. „Den Tötungen gehen in sehr vielen Fällen häusliche Gewalt oder Stalking und eine Beziehung voraus, die geprägt ist von Kontrolle, starker Eifersucht, psychischer Gewalt oder einer starken Isolierung“, heißt es beim Netzwerk Frauen Gegen Gewalt e.V.
Mittwoch, 18. Januar
In Berlin begann am Mittwoch der Prozess gegen den AfD-Politiker Kai Borrmann, der im Sommer 2021 zwei Frauen rassistisch beleidigt und auch körperlich angegriffen haben soll. Dem 56-jährigen wird vorgeworfen, die Frauen zunächst in einem Café mehrfach mit dem N-Wort beleidigt, anschließend verfolgt und schließlich einer der beiden ins Gesicht geschlagen zu haben. Beim darauffolgenden Handgemenge soll der Angeklagte die Frau außerdem in den Arm gebissen haben. Als dann die Polizei eintraf, versuchte sich der AfD-Mann als Opfer darzustellen und behauptete, die Frauen seien die Angreiferinnen gewesen. Er erstattete sogar Anzeige wegen „gefährlicher Körperverletzung“, die dann aber fallengelassen wurde, weil die Behörden feststellten, dass er selbst „den Konflikt ausgelöst hat“. Der Berliner Morgenpost gegenüber stellt Borrmann die Situation ganz anders dar und beim Lesen seiner Schilderungen ist mir ganz schlecht geworden. Es ist einfach ein Paradebeispiel für das Anspruchsdenken weißer cis Männer mittleren Alters. Borrmann behauptet, er habe die beiden Frauen am Nebentisch nicht mit dem N-Wort beleidigt, sondern sich in deren Gespräch eingemischt, um zu erklären, dass das Wort keine Beleidigung sei. Die Frauen hingegen seien „aggressiv“ gewesen. (Wer wäre das nicht, wenn sich irgendein dahergelaufener Dude einfach in ein privates Gespräch einschaltet? Ich werde schon beim daran denken wütend!) Der AfD-Mann behauptet weiter, er sei den Frauen auch nicht gefolgt, sondern hätte „den gleichen Heimweg gehabt“ (lol) und habe „nur angeboten, die Diskussion fortzusetzen“. Ganz ehrlich, ich würde es sogar verstehen, wenn sie ihn daraufhin verdroschen hätten! (Spaß, Gewalt ist keine Lösung) Aber diese Unverfrorenheit, die Frauen als Aggressorinnen hinzustellen. Das traut sich auch nur ein weißer Mann. Der Prozess gegen Kai Borrmann soll am 6. Februar fortgesetzt werden.
Donnerstag, 19. Januar
Deutschland hat als erstes „Parlament eines großen europäischen Staates“ (Tagesschau) die Verfolgung und Ermordung der Êzîd*innen durch den IS als Völkermord anerkannt. Zuvor hatten schon Belgien, Niederlande und Australien die Gewalttaten als Genozid anerkannt. „Der Deutsche Bundestag verneigt sich vor den Opfern der durch den IS begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, heißt es in der Resolution, die einstimmig angenommen wurde. Von 2014 wurden im Nordirak Tausende Êzîd*innen von der Terrormiliz vertrieben, vergewaltigt und versklavt, geschätzte 5.000 Menschen wurden ermordet. Expert*innen gehen davon aus, dass sich noch rund 3.000 êzîdische Menschen in der Gewalt des IS befinden.
Freitag, 20. Januar
37 Jahre lang hat die 68-jährige Giovanna in ihrer Wohnung in der Kreuzberger Manteuffelstraße gewohnt, dann hat sie ihr Vermieter rausgeschmissen: Wegen Eigenbedarf. Der Besitzer der Wohnung, ein Filmproduzent aus München, braucht die Wohnung für seinen 19-jährigen Sohn, der von München nach Berlin ziehen will, um Politiker zu werden. Er ist Mitglied bei den Grünen.
Samstag, 21. Januar
Im Nachhinein fragt man sich immer: Wann hat es angefangen? Mir geht es gerade so bei Juli Zeh. Wann wurde die Autorin von mainstreamgefälligen Bestsellern zum Postergirl der neurechten Intellektuellen? Man kann ihrer Radikalisierung quasi in Echtzeit zusehen. Während sie sich lange hauptsächlich mit datenschutzrechtlichen Themen politisch einmischte (u.a. mit einer erfolglosen Verfassungsbeschwerde gegen den biometrischen Reisepass), fällt sie spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie verstärkt mit querfrontlerischen und „anti-woken“ Takes auf. Erst unterzeichnete sie u.a. mit Boris Palmer einen offenen Brief gegen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung („Covid-19 ist für die Bevölkerung nicht gefährlicher als die Grippe“) und sprach sie sich gegen eine Impfpflicht aus („massive Einschränkung der individuellen Freiheit“), dann schloss sie sich u.a. Dieter Nuhr und Alice Schwarzer an und forderte in einem zynischen Brief an Olaf Scholz, keine Waffen in die Ukraine zu liefern. Indirekt forderte der Brief, die Ukrainer*innen zu opfern, um zu verhindern, dass Putin einen Atomkrieg beginnt. Im vergangenen September beklagte die ziemlich überhebliche Dorfbewohnerin im Gespräch mit Markus Feldenkirchen die „wahnsinnige Überheblichkeit“ von Menschen, die in der Stadt leben und nannte die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit in Deutschland „ein echtes Problem“. Im Oktober gab Juli Zeh dann den Linken eine „Mitschuld am Boom rechter Parteien“ und dem Gendern eine Mitschuld an der Spaltung der Gesellschaft: „Ich glaube, der Streit ums Gendern wäre nicht so groß geworden, wenn es ein Vorschlag oder eine Empfehlung geblieben wäre. Übergriffig wird es, wenn Institutionen oder Unternehmen entscheiden: ‚So wird’s jetzt gemacht! So habt ihr zu reden!‘“ Juli Zeh hat mit Corona, Russland, Meinungsfreiheit und Gendern schon die meisten neurechten Checkboxen abgehakt, fehlte eigentlich nur noch Rassismus. Et Voila: Im Interview mit der NZZ vom Samstag hat sie auch hier geliefert. „Es stimmt, dass Sarrazin das richtige Thema am Wickel hatte, leider waren seine Bücher polemisch und voll seltsamer Zahlen“, sagt sie da. Ja, so bedauerlich, dass Sarrazin „seltsame“ Zahlen hatte, ansonsten waren seine rassistischen Tiraden ja so schlüssig! Juli Zeh verharmlost nicht nur die AfD als „unerfreuliche Partei“, sie macht auch das Jahrzehnt des rassistischen Terrors (112 Todesopfer rechter Gewalt zwischen 1990 und 1999) zur Zeit der ruhigen Glückseligkeit: „es war eine absolut optimistische Zeit, mindestens ein Jahrzehnt lang hatte man nach der Wiedervereinigung den Eindruck: Alles wendet sich zum Besseren“. Als „Nazi-Versteherin“ (ihre Worte!) gibt sie natürlich auch der „Danke Merkel“-Fraktion von 2015 nachträglich Recht: „Diese Leute fand ich unerträglich. Aber vielleicht habe ich dahinter Menschen übersehen, die sich einfach ganz konkret, und ohne im Geringsten Nazis zu sein, fragten: Wie soll das gehen – in den Schulen, beim Frauenbild, im Clash der Erfahrungen und Religionen?“
Sonntag, 22. Januar
In der Nacht hat es einen grausamen Angriff auf die asiatische Community in Kalifornien gegeben. Ein noch unbekannter Mann griff eine Feier zum Mondneujahr in Monterey Park (bei Los Angeles) an und erschoss zehn Menschen, offenbar mit einem Maschinengewehr. Mindestens weitere zehn Menschen wurden zum Teil lebensbedrohlich verletzt. In Monterey Park leben rund 60.000 Menschen, überwiegend Einwanderer*innen aus China bzw. asiatische Amerikaner*innen der ersten Generation. Die Feierlichkeiten in Monterey Park gehören zu den größten in Kalifornien, Zehntausende nahmen daran teil. Der Anschlag passierte im „Star Ballroom Dance Studio“. Laut New York Times war es das 33. „Mass Shooting“ in den USA seit Jahresbeginn. Der Täter von Monterey Park ist noch immer auf der Flucht, zum möglichen Motiv ist noch nichts bekannt.
Das wars für heute mit dem Wochenrückblick. Wie immer: Danke fürs Lesen. Wenn Du kannst und willst, gibt es via PayPal die Möglichkeit, ein Trinkgeld dazulassen. Oder du wirst heute Fördermitglied auf Steady und hilfst mir dabei, meine Arbeit dauerhaft zu finanzieren.