Bei Olympia gewann eine trans Person Gold und es war nicht Laurel Hubbard. Die Queerfeindlichkeit in Berlin erreichte einen neuen Höhepunkt und die ARD chillt mit AfD-Chef Chrupalla. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW31
Montag, 2. August
Laurel Hubbard ist die erste offen trans Athletin bei Olympia. Die 43-jährige Neuseeländerin trat im Gewichtheben-Wettkampf in der Gewichtsklasse über 87 Kilo an. Ihre Teilnahme nutzen Transfeind*innen weltweit seit Wochen für ihre menschenfeindlichen Agenda. Laurel Hubbard wurde als Mann bezeichnet, der Frauen aus dem Sport verdrängen würde. Es sei unfair, dass eine trans Athletin gegen cis Frauen antrete, weil sie angeblich körperlich überlegen sei. Die Würde von Laurel Hubbard wurde dabei ebenso ignoriert wie Fakten. Denn die sind nun mal folgende:
1. Laurel Hubbard ist eine Frau und
2. Laurel Hubbard hat sich an alle Regeln und Vorgaben des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gehalten und so für die Olympiateilnahme qualifiziert. DAS IOC schreibt einen Richtwert für das Testosteronniveau vor.
Ob trans Frauen im Sport einen Vorteil gegenüber cis Frauen haben, ist Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Eine Studie von 2020 stellte fest, dass trans Frauen nach einem Jahr feminisierender Hormontherapie sportlich besser abschnitten als cis Frauen. Nach zwei Jahren glich sich die Leistungsfähigkeit weitgehend an. Die Frage ist aber doch viel mehr: Ist der sportliche Wettkampf überhaupt fair? Wo ziehen wir die Grenze? Sollte eine maximale Körperhöhe für Basketballer*innen festgelegt werden oder ein Mindestwert für Laktat? In den Muskeln von Ausnahmeschwimmer Michael Phelps wird unterdurchschnittlich wenig Laktat gebildet. Ein großer Vorteil gegenüber anderen Schwimmern. Sarah Wiertz spricht in einem Kommentar für die Deutsche Welle einen weiteren wichtigen Punkt an: „Ginge es beim Thema Transgender wirklich um Fairness, sollte nicht nur über die vermeintlichen Vorteile von Transathletinnen, sondern auch über die vermeintlichen Nachteile von Transathleten gesprochen und diskutiert werden. Oder über die psychischen Belastungen für Transmenschen durch Operation, Hormontherapie und gesellschaftliche Diskriminierung, die im Leistungssport enorme Auswirkungen auf den Erfolg haben können.“
Ich bin mir sicher, dass einige Transfeind*innen enttäuscht ihre vorbereiteten Hass-Tweets wieder löschten, als Laurel Hubbard im Wettbewerb Letzte wurde. Ihr vermeintlicher Vorteil zahlte sich nicht aus. Die Goldmedaille ging an Wenwen Li aus China.
Dienstag, 3. August
Der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo soll jahrelang Frauen sexuell belästigt und ein toxisches Arbeitsklima geschaffen haben. Das bestätigt ein Bericht einer unabhängigen Untersuchungskommission. Wie die Tagesschau berichte, sei es in Cuomos Büro zu ungewollten Berührungen, Küssen und Umarmungen sowie unangebrachten Kommentaren gekommen. Einer Mitarbeiterin habe Cuomo während eines Dienstfluges eine Partie „Strip Poker“ vorgeschlagen. Für Frauen sei es eine „feindliche Arbeitsatmosphäre“ gewesen, Cuomo habe ein „Klima der Angst“ geschaffen, wird die zuständige Generalstaatsanwältin Lititia James zitiert.
Mittwoch, 4. August
In meiner alten Nachbarschaft, Fennpfuhl in Berlin-Lichtenberg, kam es am Mittwoch zu einem queerfeindlichen Angriff, bei dem Toto Stoffels, nicht binäre*r Künstler*in mit einer Schusswaffe bedroht wurde. Toto Stoffels saß in der Nähe vom REWE und aß Wassermelone, als ein Mann irgendetwas in unfreundlichem Ton sagte. Toto erklärte ihm, kein Deutsch zu sprechen, daraufhin erwiderte der Mann auf Englisch: „I’ll shoot you through the head“ und ging weiter. „What’s your problem?“ rief Toto ihm hinterher. Der Mann, der in Begleitung einer Frau war, drehte sich um, zog sich sein Shirt über Mund und Nase und zieht mit eine Pistole, die er direkt auf Toto Stoffels richtet. Toto hatte den Vorfall gefilmt. Als die Waffe zu sehen ist, hört man nur noch einen Schrei und Toto läuft weg.
In Berlin kommt es jeden Tag zu Übergriffen gegen sichtbar queere oder trans Personen. Die Stadt, die sich selbst gern weltoffen gibt, ist kein sicherer Ort für Menschen, die nicht dem cis-heteronormativen Geschlechterbild entsprechen. Es ist unerträglich, dass Männer die Make-Up oder Kleider tragen, Angst haben müssen, mit der U-Bah zu fahren. Es ist nicht hinnehmbar, dass trans Frauen allein wegen ihrer Existenz beleidigt, bespuckt oder geschlagen werden. Menschen, die nicht der mausgrauen sogenannten „Norm“ entsprechen, müssen sich anhören, sie seien selbst schuld, wenn sie extravagant gekleidet oder geschminkt nach draußen gehen. Damit muss Schluss sein. Diese Menschen, ihre Kleidung, ihr Make-Up, ihre Existenz ist NICHT das Problem! Berlin muss mehr dafür tun, die Menschen in dieser Stadt zu schützen. Es ist höchste Zeit.
Donnerstag, 5. August
Der Geschichte des menschenunwürdigen Systems „Hartz IV“ wurde am Donnerstag ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Sogenannten „Aufstocker*innen“ darf die Unterstützung gekürzt werden, wenn laut Arbeitsvertrag ein Mittagessen zur Verfügung gestellt wird. Einem Kellner aus Berlin wurden die Bezüge gekürzt, da das vertraglich zugesicherte Mittagessen ein Einkommen darstellen würde. So entschied das Landessozialgericht in Berlin. Das Bundessozialgericht in Kassel wies die Revision gegen dieses Urteil am Donnerstag zurück.
Freitag, 6. August
Beim Olympischen Wettbewerb im Modernen Fünfkampf hat die Reiterin Annika Schleu ihrem zugelosten Pferd die Sporen in die Seite gerammt und es mit der Gerte geschlagen. Ihre Trainerin Kim Raisner hatte ihr dafür die Anweisung zugerufen: „Hau mal richtig drauf! Hau drauf!“ Blöd, dass dabei die Kameras auf sie gerichtet waren und das deutsche Olympia-Publikum alles gehört hat. Denn wer die Deutschen kennt, weiß, dass sie beim geringsten Anflug von Tierquälerei die Fackeln zünden und die Mistgabeln aus dem Schuppen holen. (Also es sei denn, es geht um sogenannte „Nutztiere“, eh klar.) Keine Zeit, um darüber nachzudenken, warum die Reiter*innen denn Sporen und Gerte haben..?! Wohl doch deshalb, weil es im Reitsport gang und gäbe ist, die Tiere damit zu schlagen bzw. zu treten. Ich führe gerne eine Diskussion darüber, inwieweit es ein „Sport“ sein sollte, Tiere gegen ihren Willen zu komischen Tripelschritten oder zum Springen über Mauern zu zwingen. Aber die Empörung über Schleu und Raisner ist mir echt zu blöd. Wo war der aufgebrachte Internetmob, als der deutsche Radsport-Direktor zwei Fahrer aus Eritrea und Algerien rassistisch beleidigt hat? Ich sag es mal so:
Am Freitag wurde unterdessen auch Geschichte geschrieben: Quinn ist die erste nicht binäre trans Person, die bei Olympia eine Medaille gewonnen hat und sogar direkt eine goldene. Dass das nicht so richtig viel Aufsehen erregte, liegt vermutlich daran, dass Quinn nicht im Verdacht steht, unfaire Vorteile gegenüber cis Frauen zu haben. Quinn ist 25 Jahre alt und outete sich im vergangenen Jahr als trans und nicht binär. Mit der kanadischen Fußballnationalmannschaft der Frauen gewann Mittelfeldspieler*in Quinn im Finale gegen Schweden mit 3:2 (i.E.).
Samstag, 7. August
Jede Woche berichte ich hier über Femizide. Und jedes Mal muss ich wieder Verharmlosungen und relativierende Formulierungen lesen. Die Esslinger Zeitung berichtet über die Tötung einer 34-jährigen Frau mit den Worten „Tödliches Familiendrama“. Dringend tatverdächtig ist der 55-jährige Ehemann, der die Frau erschossen und anschließend selbst die Polizei angerufen haben soll.
Ein weiterer Femizid ereignete sich ebenfalls am Samstag in Berlin. In einem Hausflur in Lichtenberg wurde die Leiche einer 56-Jährigen gefunden. Tatverdächtig ist der 27-jährige Sohn der Frau.
Ich war am Samstag Ordnerin bei einem Sit-In vor dem Sitz der Berliner Polizeipräsidentin am Platz der Luftbrücke. Von 14 bis 18 Uhr haben trans Aktivist*innen und Unterstützer*innen gegen die Queer- und Transfeindlichkeit in dieser Stadt und gegen Polizeigewalt demonstriert. Es war die erste einer Reihe von Protestveranstaltungen, die die Aktivistin Stella von nun an wöchentlich veranstalten will. Es reicht!
Sonntag, 8. August
Ich weiß gar nicht mehr, wann genau wir aufgehört haben, uns darüber zu empören, dass die Öffentlich-Rechtlichen Neonazis eine Plattform geben und faschistisches Gedankengut so als legitime Position auf dem Meinungsspektrum darstellen. Naja, wie auch immer: Heute war Tino Chrupalla Gast im ARD-Sommerinterview. Ich habe mir diese schwer erträglichen 24 Minuten angeschaut und wenn ich mich nicht täusche, hat der AfD-Spitzenkandidat nur auf die Frage nach militärischem Liedgut der Bundeswehr eine halbwegs konkrete Antwort hingekriegt: „Es gibt viele interessante Lieder, die das Liedgut der Bundeswehr ausgemacht haben und ich finde es richtig, dass man grad‘ dieses wieder stärkt, dass man Heimatlieder frei singen sollte und auch lernt und deswegen finde ich das richtig, das man das macht.“ Okay, Danke für Nix, ARD.
Sorry, aber diese Aussagen bzgl. Gerte kann ich als Reiterin so nicht stehen lassen. Die Gerte ist definitiv nicht dazu da, um das Pferd zu schlagen, sondern um es leicht anzutippen, um feinere Hilfen geben zu können. Man kann sich das wie einen verlängerten Arm vorstellen. Bitte erst informieren, bevor man Fehlinformationen verbreitet!