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Bei einem Brandanschlag in Solingen wurden vier Menschen getötet. (Screenshot YouTube)

Mit aller Macht

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Geschichte wiederholt sich in Solingen und in Berlin, Saudi-Arabien poliert sein Image und Hessen verbietet geschlechtergerechte Sprache. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW13

Montag, 25. März

Es erscheint wie die grausame Wiederholung der Geschichte: Bei einem Brandanschlag auf ein Wohnhaus in Solingen starben in der Nacht zu Montag vier Menschen, weitere werden schwer verletzt. Ein Gutachten bestätigt, dass das Feuer vorsätzlich gelegt wurde. Laut Ermittlungsbehörden wurden im hölzernen Treppenhaus Spuren eines Brandbeschleunigers nachgewiesen. Die Staatsanwaltschaft ermittle wegen Mordes beziehungsweise versuchten Mordes, betonte aber, es gebe keine Anhaltspunkte für ein „fremdenfeindliches Motiv“. Die Todesopfer der Brandstiftung: eine türkischstämmige, bulgarische Familie: Kuncho Zhilov (29 Jahre alt), Katja Zhilova (28) und ihre beiden Töchter Galia (3) und Emili (6 Monate alt). Auch bei den Schwerverletzten soll es sich um Menschen mit Migrationshintergrund handeln. Laut der Türkisch-Islamischen Union Ditib in Köln seien alle Hausbewohner*innen „Muslime aus Bulgarien oder der Türkei“, mit Ausnahme einer Person. Laut einer Tagesspiegelrecherche war die Familie im Januar nach Deutschland gekommen, „um in Deutschland eine bessere Zukunft zu suchen“.

Bei einem ähnlichen Brandanschlag auf ein Wohnhaus in Solingen töteten rechtsextreme Jugendliche und junge Männer am 29. Mai 1993 fünf Bewohnerinnen: Gürsün İnce (27), Hatice Genç (18), Gülüstan Öztürk (12), Hülya Genç (9) und Saime Genç (4). Die Täter wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, sind aber inzwischen alle wieder auf freiem Fuß.

Dienstag, 26. März

Wiederholung der Geschichte auch in Berlin? Die Berliner Sparkasse hat das Konto des Vereins „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ gesperrt. Ohne vorherige Rücksprache soll die Bank das Vereinskonto eingefroren haben, angeblich zur Aktualisierung der Kundendaten. Dafür wurde eine Liste mit Namen und Adressen aller Vereinsmitglieder angefordert, teilt der Verein auf seiner Webseite mit. Die Tageszeitung „junge Welt“ bestätigt das. Die „Jüdische Stimme“, nach eigenen Angaben eine „Gemeinschaft von Juden aus ganz Deutschland, mit unterschiedlichen kulturellen und ethnischen Hintergründen und verschiedenen Generationen“, sieht in der Kontosperrung eine neue Eskalationsstufe der Repression und einen zeitlichen Zusammenhang zu dem für Mitte April geplanten „Palästina-Kongress“. Der „Jüdischen Stimme“ wird u.a. vom Zentralrat der Juden Antisemitismus vorgeworfen, da der Verein die BDS-Bewegung unterstützt. Für die taz ist die „Jüdische Stimme“ „israelfeindlich“, „innerhalb der jüdischen Gemeinschaft isoliert“ und falle „immer wieder mit Terrorverharmlosung in Bezug auf den 7. Oktober“ auf. Der Chef der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Dirk Stettner, nennt den geplanten Kongress „eine Schande für Berlin“. Kritik an einzelnen geladenen Redner*innen ist sicher ebenso angebracht, wie eine Debatte darüber, ob „Apartheid“ oder „Genozid“ passende Begrifflichkeiten für das sind, was in Israel/Palästina passiert. Diese Diskussion muss geführt und die Verharmlosung von strukturellem genauso wie tagtäglichem Antisemitismus muss verurteilt werden. Berechtigte Kritik an der „Jüdischen Stimme“ darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Berliner Sparkasse mit der Kontosperrung das Vermögen einer jüdischen Organisation in Deutschland einfriert. Die Tatsache, dass das passiert, muss uns alarmieren, unabhängig davon, wie wir zur politischen Position des Vereins stehen. Wollt ihr raten, welches Konto die Berliner Sparkasse nicht gesperrt hat? Lösung hier per Klick.

Mittwoch, 27. März

Es ist so absurd, dass ich kurz checken musste, ob die Meldung von einem Satirekanal kam, aber nein, es ist hochoffiziell: Saudi-Arabien übernimmt den UN-Vorsitz für Frauenförderung. Richtig: das Land, in dem es Frauen noch bis 2018 verboten war, Autozufahren und das die Feministinnen, die gegen das Verbot kämpften, inhaftierte und folterte, erhält diesen prestigeträchtigen Sitz. Ein weiterer Schritt der strengreligiösen Monarchie, das Image des Landes zu polieren. Ein Jahr lang wird nun der saudische Botschafter Abdulasis Alwasil in New York der „Kommission der Vereinten Nationen zur Rechtsstellung der Frau“ (CSW) vorsitzen. Die 45 Mitgliedstaaten, die ihn dazu bestimmten, haben offenbar einfach ignoriert, dass Frauen in Saudi-Arabien die Erlaubnis eines männlichen Vormundes einholen müssen, um heiraten zu dürfen. Und dass sie innerhalb der Ehe dem Mann „gehorchen“ müssen, was unter anderem bedeutet, dass sie Sex nicht ohne „berechtigten Grund“ ablehnen dürfen.  

Donnerstag, 28. März

Nach Bayern hat jetzt auch das Bundesland Hessen ein sogenanntes „Genderverbot“ erlassen. In der Verwaltung dürfen Doppelpunkt, Unterstrich oder Sternchen künftig nicht mehr verwendet werden, um Texte gendersensibel zu formulieren. „Zu einer bürgernahen Verwaltung gehört auch eine einheitliche und verständliche Sprache“, heißt es bei der Staatskanzlei in Wiesbaden und jede Person, die schon mal ein amtliches Schreiben bekommen hat, lacht jetzt vielleicht laut auf. Aber zum Lachen ist das Ganze natürlich nicht, denn es geht um nichts weniger als aktive Diskriminierung. „Laut Dienstanweisung des hessischen Ministerpräsidenten kann einer geschlechtergerechten Sprache künftig Rechnung getragen werden, indem sowohl die weibliche als auch die männliche Form genannt werden“, berichtet die taz und zeigt dabei das Grundproblem. Das deutsche Personenstandsregister hat vier mögliche Geschlechtseinträge. Neben „weiblich“ und „männlich“ kann der Geschlechtseintrag gestrichen oder freigelassen werden und seit 2017 ist es zudem möglich den Eintrag „divers“ zu wählen. Menschen, die weder Mann noch Frau sind, existieren, ob es der CDU/CSU-Sprachpolizei passt oder nicht. Die Rechtswissenschaftlerin und Richterin des Verfassungsgerichtshofes Berlin, Ulrike Lembke, nannte die Absicht der Hessischen Landesregierung bereits im November „verfassungswidrig“. Trotzdem setzten CDU und SPD das Sprachverbot nun um und beugt sich einer rechtspopulistischen und antifeministischen Kampagne, die so erfolgreich ist, dass sogar die Tagesschau die rechtsextreme Wortschöpfung „Gendersprache“ gänzlich unkritisch in einem Beitrag auf Instagram verwendet. Es ist alles so entsetzlich verblödet und ignorant: Die deutsche Sprache ist immer gegendert – häufig im Maskulinum. Was also kritisiert oder sogar verboten wird, ist nicht „gendern“, es ist die gendergerechte (gendersensible) Sprache. Es ist ein Gebot zur Diskriminierung. Die ganze Debatte ist ein Lehrstück in antifeministischer diskursiver Machtergreifung. Während die Bayerische Staatsregierung stolz verkündete, „ideologiegetriebene“ Sprache verboten zu haben, ist genau das Gegenteil richtig. Es ist eine antifeministische, queerfeindliche Ideologie, die sich mit aller Macht gegen gesellschaftlichen Fortschritt und das Aufbrechen heteronormativer Geschlechtervorstellungen wehrt. Und den neunmalklugen Witzbolden, die angesichts der Sprachverbote nun fordern ausschließlich das generische Femininum zu verwenden, sei gesagt: Das ist nicht der feministische Move für den ihr ihn haltet, sondern schlicht ein Festhalten an der binären Logik.

Freitag, 29. März

„Die AfD ist eine Partei mit verfassungsfeindlichen Tendenzen. Das dürfen und sollen Lehrerinnen und Lehrer auch im Klassenraum so sagen“ – mit diesen klaren Worten löste die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung & Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, am Freitag Kritik aus. Lehrkräfte sollten parteipolitisch neutral sein, findet die FDP und der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Stefan Düll, sagte es brauche keine explizite Empfehlung, auf „Demokratiefeinde aller Couleur hinzuweisen“. Ja, ich habe das Hufeisen hier auch gehört. Maike Finnern aber ist stabil. Lehrkräfte hätten nicht nur das Recht, gegen die AfD zu demonstrieren: „Aus unserer Sicht haben sie sogar mehr als andere die Pflicht, sich für Demokratie und Vielfalt starkzumachen sowie ihre Stimme gegen Rechtsextremismus und verfassungsfeindliche Umtriebe zu erheben“, sagte sie. Das Deutsche Institut für Menschenrechte veröffentlichte bereits 2019 ein Papier mit dem Titel „Schweigen ist nicht neutral – Menschenrechtliche Anforderungen an Neutralität und Kontroversität in der Schule“ und bestätigt darin, dass Lehrkräfte „sich als Verteidiger_innen von Menschenrechten verstehen“ müssten.

Samstag, 30. März

In Israel demonstrierten am Samstag wieder Tausende gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und forderten neben Neuwahlen auch einen Deal mit der Hamas zur Freilassung der israelischen Geiseln. „Es ist 176 Tage her, dass ich die Gedanken und die Angst vor dem, was mein Sohn und die anderen Entführten durchmachen, nicht aus dem Kopf bekommen habe“, sagte Shira Albag, die Mutter der Geisel Liri Albag laut der britischen Zeitung „The Guardian“. Sie erklärte weiter: „Das israelische Volk wird niemanden vergessen oder verzeihen, der einen Deal verhindert, der sie [die Geiseln] zu uns zurückbringen würde. Nach 176 Tagen, 4.224 Stunden, sind die Ausreden zu Ende.“ Die Mutter einer weiteren Geisel, Einav Zangauker, sagte, Netanjahus Umgang mit der Situation sei „unbegreiflich und kriminell“, sie erklärte: „Premierminister Netanjahu, nachdem Sie unsere Familien am 7. Oktober im Stich gelassen haben, und nach 176 Tagen, in denen Sie kein Abkommen [für die Rückkehr der Geiseln] zustande gebracht haben, und weil Sie ständig damit beschäftigt sind, ein Abkommen zu torpedieren, ist uns klar geworden, dass Sie das Hindernis für das Abkommen sind. Sie sind das Hindernis. Sie sind derjenige, der zwischen uns und der Heimkehr unserer Lieben steht“.

Sonntag, 31. März

Heute ist Trans Day of Visibility (TDOV) – also Tag der trans* Sichtbarkeit. Der Tag ist der Anerkennung und Feier von trans* Personen weltweit gewidmet. Neben dem Ziel, auf die Diskriminierung aufmerksam zu machen, die trans Menschen tagtäglich erleben, will der Tag vor allem den positiven Beitrag von trans Menschen zur Gesellschaft hervorheben. Der TDOV wurde 2009 von der US-Aktivistin Rachel Crandall-Crocker ins Leben gerufen. Sie reagierte damit auf die mangelnde Anerkennung von trans* Personen innerhalb der queeren Bewegung. Der bis dato einzige bekannte Tag, der trans Menschen thematisierte, war der Trans Day of Remembrance, ein Gedenktag für die Todesopfer von transfeindlicher Gewalt. „Ich wollte einen Tag, an dem wir uns auf die Lebenden konzentrieren können“, sagte TDOV-Urheberin Rachel Crandall-Crocker zum 15. Jubiläum: „Ich habe nicht damit gerechnet, eine internationale Bewegung zu starten.“

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