Von bell hooks habe ich gelernt, dass ein Feminismus, der nicht die Überwindung gesellschaftlicher Machtverhältnisse zum Ziel hat, wertlos ist. Heute wird bell hooks 68 Jahre alt.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Menschen noch nie von bell hooks gehört haben. Und damit meine ich Menschen, die sich ganz selbstverständlich Feminist*innen nennen. Sicher hat das auch damit zu tun, dass bell hooks‘ Bücher und Schriften nur ganz spärlich ins Deutsche übersetzt wurden und deshalb im hiesigen Diskurs meist ausgeklammert werden. Ich glaube jedoch, dass es vor allem daran liegt, dass bell hooks nicht mit dem liberalen Pop-Feminismus vereinbar ist, der sich bequem in den Alltag zwischen Karriere, Konsum und Instagram integrieren lässt.
Überwindung gesellschaftlicher Machtstrukturen
bell hooks, die am 25. September 1952 als Gloria Watkins in Hopkinsville, Kentucky, geboren wurde, begann bereits mit 19 Jahren ihr erstes Buch „Ain’t I a Woman“ zu schreiben, dass 1981 veröffentlicht wurde.* Schon damals setzte sie sich mit den gesellschaftlichen Machtstrukturen und deren Überwindung auseinander. Bis heute ist die Literaturwissenschaftlerin und Professorin eine der wichtigsten Stimmen im Kampf gegen die weiße Vorherrschaft, den Kapitalismus und das Patriarchat.
Nur ein intersektionaler Feminismus hat die Chance eine Massenbewegung zu werden, die die gesellschaftlichen Verhältnisse verändern kann. Von bell hooks habe ich gelernt, dass ich Feminismus und Gender-Fragen nicht isoliert betrachten kann, dass ich nicht feministisch sein kann, ohne antirassistisch zu sein, dass ein Feminismus, der bestehende Machtverhältnisse reproduziert wertlos ist.
Gleichstellung nicht nur zwischen den Geschlechtern denken
bell hooks veröffentlichte 1984 ihr Werk „Feminist Theory: From Margin to Center“, in dem sie feststellte, dass die feministische Bewegung in Theorie und Praxis von weißen Frauen geleitet wurde und marginalisierte Frauen, d.h. Schwarze Frauen bzw. Frauen of color oder arme Frauen darin nicht vorkamen.
„Women in lower class and poor groups, particularly those who are non-white, would not have defined women’s liberation as women gaining social equality with men since they are continully reminded in their everyday lives that all women do not share a common social status.“
bell hooks, 1984
Auch heute noch geht es vielen weißen Feministinnen in erster Linie darum, die Gleichstellung mit Männern zu erreichen und sie berücksichtigen dabei weder, dass in einer rassistischen, klassistischen Gesellschaft auch Männer nicht gleich sind, noch, dass sie selbst verschiedene Privilegien besitzen und gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse aufrechterhalten.
Liberale Feminist*innen profitieren im Kapitalismus
bell hooks kritisiert, dass sich viele (weiße) Feminist*innen weigern, die Systemfrage zu stellen. Frauen, die von den herrschenden Strukturen profitieren, die innerhalb des Kapitalismus vor allem am eigenen Aufstieg interessiert sind, werden niemals zum Sturz des Patriarchats beitragen, wollen das in Wahrheit auch gar nicht.
„Many Women active in feminist movement do not have radical political perspectives and are unwilling to face these realities, especially when they, as individuals, gain economic self-sufficiency within the existing structure.“
bell hooks, 1984
Patriarchat, Rassismus und Kapitalismus gehen Hand in Hand, wir können nicht das eine ablehnen, aber von den anderen profitieren. Das Ziel des Feminismus muss immer die Beseitigung bestehender Herrschaftsverhältnisse sein und nicht deren -für uns günstige- Umverteilung. Dazu gehört es auch – und zwar an erster Stelle – die eigenen Privilegien zu kennen, zu reflektieren und entsprechend zu handeln.
Suche nach Wegen des Widerstands
bell hooks, die ihr Pseudonym deswegen kleinschreibt, weil sie nicht ihren Namen, sondern ihre Inhalte in den Mittelpunkt stellen möchte, lehrt uns, nach Wegen des Widerstands zu suchen und uns für die Befreiung aller Menschen einzusetzen, jenseits von Gender, Race und Klassenzugehörigkeit.
Ich bin froh, dass diese kluge Frau nach wie vor öffentlich auftritt, schreibt und publiziert. Ich habe erst angefangen, ihre Schriften zu lesen und ihre Reden zu hören und ich weiß, dass ich noch sehr viel mehr von ihr lernen kann. Happy Birthday, bell hooks!
* „Ain’t I a Woman“ geht zurück auf eine Rede von Sojourner Truth (1797 – 1883). Truth wurde in New York in die Sklaverei geboren und nachdem sie 1827 ihre Freiheit erlangte zu einer wichtigen Aktivistin der Anti-Sklaverei-Bewegung. Die Rede hielt sie am 29. Mai 1851 auf einer „Women’s Rights Convention“ in Akron, Ohio. Sie machte darin auf die eklatanten Unterschiede hinsichtlich der Rechte von weißen und Schwarzen Frauen aufmerksam.