Nazis bedrohen Frauen mit Unterstützung der Polizei, Heiko Maas fordert die Bekämpfung sexualisierter Gewalt und in Rheinland-Pfalz wird ein Frauenmord mal wieder als „Beziehungstat“ verharmlost. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW29
Montag, 13. Juli
Denkbar knapp entschied Andrzej Duda die Präsidentschaftswahlen in Polen für sich. Mit etwas über 50 Prozent der Stimmen setzte sich der national-konservative, homophobe Duda gegen seinen liberalen Herausforderer, den Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski, durch. Das ist sehr beschissen.
Die Frauen- und Familienpolitik der alten und neuen Regierungspartei ‚Recht und Gerechtigkeit‘ (PiS) hat in der Vergangenheit sogar die Vereinten Nationen auf den Plan gerufen. Auch im Wahlkampf hatten Duda und seine Parteikolleg*innen die offene, diverse Gesellschaft als Bedrohungsszenario ausgemalt und den Schutz „traditioneller Werte“ ganz oben auf die Agenda gesetzt. Für Frauen, LGBTQI*, BPoC und alle, die nicht dem rechtsnationalen Weltbild der PiS und ihrer Anhänger*innen entsprechen, ist es in Polen nicht sicherer geworden.
Dienstag, 14. Juli
Nach der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz erhielten u.a. auch İdil Baydar, Martina Renner, Anne Helm, Janine Wissler und Evrim Sommer Drohmails vom selbsternannten „NSU 2.0“. Frauenfeindlichkeit zählt dabei eindeutig zur Tatmotivation. So enthielten die Mails Vergewaltigungsfantasien und „etliche sexistische Beleidigungen“, wie Anne Helm dem Deutschlandfunk erzählte.
Der Absender verwendet in seinen Mails teilweise Daten, die sehr wahrscheinlich von einem hessischen Polizeicomputer stammen. Am Dienstag nahm deshalb der hessische Polizeipräsident Udo Münch seinen Hut. Dieser sei nämlich bereits im März über diese Vorgänge informiert gewesen, habe aber nichts unternommen. Münch hat um Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gebeten, was einen Weiterbezug von 71,75 Prozent der letzten Besoldungsstufe bedeutet.
Die Abfrage der persönlichen Daten soll im Polizeipräsidium Wiesbadens erfolgt sein, der zum entsprechenden Computer gehörende Polizist wird nach Angeben des hessischen Innenministeriums nicht als Verdächtiger, sondern nur als Zeuge geführt.
Mittwoch, 15. Juli
Der nicht paritätisch besetzte Verfassungsgerichtshof in Thüringen hat einer Klage der AfD stattgegeben und das Landesgesetz zur paritätischen Besetzung von Männern und Frauen auf den Wahllisten der Parteien für nichtig erklärt. Von den insgesamt neun Richter*innen waren zwei Frauen an der Urteilsfindung beteiligt, eine davon stellvertretend für einen Mann. Sechs männliche Richter, die im Sinne der AfD entschieden, reichten für die Mehrheit.
„Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land, seine Gebietskörperschaften und andere Träger der öffentlichen Verwaltung sind verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zu sichern.“
heißt es in der Thüringer Landesverfassung. Dass eine Quote darin nicht wörtlich erwähnt wird, gilt den männlichen Verfassungsrichtern als Begründung, sich auf die Seite der rechtsextremen AfD zu stellen.
Der Anteil weiblicher Abgeordneter im Thüringer Landtag liegt bei 31 Prozent. Das Paritäts-Gesetz von 2019 sollte sicherstellen, dass künftig gleichviele Frauen und Männer zur Landtagswahl aufgestellt werden, und zwar von allen Parteien.
Donnerstag, 16. Juli
Kein Wochenrückblick ohne Femizid. Am frühen Donnerstagmorgen hat in Limburgerhof (Rheinland-Pfalz) ein 55-Jähriger seine Frau getötet. Die 54-Jährige sei vermutlich an Gewalteinwirkung gegen den Kopf gestorben, die Ermittler*innen haben eine mögliche Tatwaffe gefunden.
Der Bayerische Rundfunk hat aus aktuellem Anlass (in Bayern ereigneten sich innerhalb weniger Tage drei Frauenmorde in Oberrimbach, Obergünzburg und Nürnberg) einen „Faktenfuchs“ zum Thema Femizide veröffentlicht. Das ist ein Fortschritt und führt hoffentlich dazu, dass der BR in Zukunft auf die Formulierung „Beziehungsdrama“ in seiner Berichterstattung verzichtet.
Freitag, 17. Juli
Der gruselige Prepperboy Yves R., der seit Montag schwer bewaffnet vor der Polizei auf der Flucht war, wurde am Freitagnachmittag zum Glück gefasst. Während er in den Boulevardmedien geradezu als Freiheitskämpfer bewundert und als „Schwarzwald-Rambo“ verharmlost wurde, ist er in Wahrheit ein gefährlicher, gewalttätiger Mann mit (mindestens in der Vergangenheit) rechtsextremen Ansichten. So wurde er bereits wegen judenfeindlicher Parolen sowie SS- und Hakenkreuz-Schmierereien verurteilt und hat 2009 eine Frau (die manchmal als seine, manchmal als eine Freundin bezeichnet wird) mit einer Armbrust schwer bis lebensgefährlich verletzt. Das alles schien weder die Polizei noch viele Bewohner*innen seines Heimatorts Oppenau besonders beunruhigt zu haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass Yves R. trotz Verbot immer wieder mit Waffen unterwegs war und weitgehend immer wieder gute Prognosen ausgestellt bekam.
Der Fall zeigt erneut eindrücklich, welch Privileg es ist, weißer Deutscher zu sein. Man mag sich gar nicht ausmalen, was losgewesen wäre, wäre Yves R. ein junger Mann mit familiärer Migrationsgeschichte, der nicht rechtsextreme, sondern islamistische Parolen verbreitet hätte. Hätte ein Muslim und/oder Schwarzer vier Polizist*innen entwaffnen und anschließend vier Tage durch den Wald rennen können? Hätte er überlebt, obwohl bei seiner Festnahme ein SEK-Beamter verletzt wurde, weil Yves R sich „leicht gewehrt hat oder aktiven Widerstand geleistet hat“, wie es der Einsatzleiter formulierte? Oder wäre er wie so viele andere von der Polizei erschossen worden? Wir werden es nicht erfahren. Ob der „Waldläufer“, wie die Ermittler ihn genannt haben sollen, als harmloser Irrer beurteilt wird und erneut eine gute Prognose erhält, werden wir bald wissen.
Samstag, 18. Juli
Bundesaußenminister Heiko Maas hat bei den Vereinten Nationen um mehr Engagement gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen geworben. Vor dem UN-Sicherheitsrat wies er darauf hin, dass Vergewaltigung, Zwangsprostitution und Versklavung von Frauen nach wie vor als Waffen eingesetzt werden.
Frieden ist ohne Frauen nicht zu haben. „Ohne Gleichstellung der Geschlechter und ohne Menschenrechte bleiben dauerhafter Frieden und langfristige Aussöhnung unerreichbar“, sagte Maas. In ihrem sehr lesenswerten Buch „Unsichtbare Frauen“ fasst es Caroline Criado-Perez so zusammen: „Die Anwesenheit von Frauen am Verhandlungstisch erhöht nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Abkommens, sondern auch eines dauerhaften Friedens.“ Studien belegen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Friedensabkommen mindestens 15 Jahre hält, um 35% steigt, wenn Frauen daran beteiligt waren.
Sonntag, 19. Juli
Die taz hat u.a. mit der großartigen Dr. Reyhan Şahin (Lady Bitch Ray) über Streiten gesprochen. Es geht um die Kultur des Disputs, das on- und offline Streiten und die Regeln des fairen Fights. Reyhan Şahin weist daraufhin, dass insbesondere Frauen häufig aufgefordert werden, „nicht so persönlich oder emotional“ zu werden, vor allem dann, wenn es um emotionale und persönliche Themen wie Rassismus und Sexismus geht. Sie spricht über ihre eigene Wut und erklärt, dass sie nie mit Typen wie Gauland oder Sarrazin diskutieren würde.
In den Kommentaren bei Facebook hängen sich die weißen Cis-Männer dann vor allem an folgendem Zitat auf:
„Bei wem ist Streit anerkannt? In der Wissenschaft sind das die etablierten Professoren, überwiegend weiße cis Männer. Allgemein ist es im öffentlichen Raum viel akzeptierter, sogar angesehen, wenn Männer sich streiten. Bei Frauen ist das etwas anderes. Es wird schon noch stigmatisiert, wenn Frauen wütend und laut werden. Da heißt es dann „Zickenkrieg“ oder „Bitchfight“. Dabei ist Streiten eine ganz wichtige Kompetenz.“
Dr. Reyhan Şahin