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Diversity fällt nicht vom Himmel. Foto: Christina Morillo von Pexels, cc

Schluss mit den Männerbünden

Die queerfeindliche Karnevalsrednerin Annegret Kramp-Karrenbauer will Medienberichten zufolge eine 50%-Frauenquote in den CDU-Parteiämtern und den öffentlichen Mandaten bis 2023. Das Echo in den männlich dominierten Chefredaktionen ist laut, obwohl das Thema Frauenquote in der CDU bereits im Herbst letzten Jahres beim Parteitag Thema war. Auch damals sprach sich AKK dafür aus, die Parteiposten paritätisch zu besetzen, um die Hälfte der Bevölkerung angemessen repräsentieren zu können. (Nach dieser Logik müsste sie dann auch eine Quote für Menschen mit Migrationshintergrund unterstützen, den in Deutschland immerhin rund 25% haben. PS: Ich bin dafür!)

Freiwilligkeit bringt gar nichts
Wie die neoliberal-konservative CDU ihre Ämter besetzt, ist mir gelinde gesagt völlig egal, allerdings teile ich die Auffassung, dass Quoten ein probates Mittel sind, um Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. Wer auf reine Freiwilligkeit setzt, kommt in diesem Thema nicht voran und erhält Präsidien wie dieses hier.

Gleichberechtigung gibt es nicht einfach so. Sie muss erkämpft und verteidigt werden. Fakt ist, dass wir in nahezu allen gesellschaftlich relevanten Bereichen einen erheblichen Männerüberschuss haben. Von Parität kann keine Rede sein. Im Bundestag liegt der Anteil weiblicher Abgeordneter bei 31,2 Prozent. (Er ist sogar gesunken gegenüber der vorangegangenen Legislaturperiode. 2013 lag er bei 37,3 Prozent.) Es gibt kein Landesparlament in Deutschland, in dem die Frauen in der Mehrheit sind. In Hamburg ist der mit 43,9 Prozent noch am höchsten. Schlusslicht ist übrigens Sachsen-Anhalt mit nur 21,8 Prozent weiblichen Mitgliedern. (Stand: April 2020.)

Männerüberschuss wohin man schaut
In deutschen Unternehmen ist es sogar noch gruseliger. In den Geschäftsführungen der 100 umsatzstärksten Familienunternehmen sitzen nur 6,9 Prozent Frauen. Nur 29 Prozent der deutschen Familienunternehmen beschäftigt überhaupt eine Frau in der Geschäftsführung. Die Geschäftsführung von Bosch besteht aus elf Männern und null Frauen. Bei Storck, Haribo, Miele und Sixt sind es fünf Männer und null Frauen. Die ganze Liste der Schande gibt es hier.

An den Hochschulen sieht es leider nicht viel besser aus: Im Jahr 2018 betrug der Frauenanteil in der Professor*innenschaft in Deutschland durchschnittlich 24,7 Prozent. In Berlin ist der Anteil weiblicher Professorinnen mit 32,2 Prozent bundesweit am höchsten, in Bayern sind es schlappe 20,5 Prozent. Nur jede fünfte Professur im Freistaat ist weiblich.

Im Ranking der deutschen Print-Leitmedien führt aktuell das Boulevardmagazin „Stern“ mit 53,1 Prozent Frauen in Führungspositionen, gefolgt vom „Spiegel“ mit 42,5 Prozent. Auf Platz drei und schon weit abgeschlagen landet die „Süddeutsche“, die nur 29,3 Prozent weibliche Führungskräfte beschäftigt. (Stand Januar 2020). Was die Chefredaktionen deutscher Tageszeitungen angeht: Von 100 Chefredakteur*innen sind acht(!) weiblich.

Frauen mussten seit jeher kämpfen
Das ist die Realität, gut 100 Jahre nachdem sich die deutschen Frauen das Wahlrecht erstritten. Frauen mussten seit jeher darum kämpfen, das zu erhalten, was ihnen zusteht. Ohne eine Änderung von Gesetzen, ohne das Einführen von Regeln und Quoten ist das noch nie gelungen. Wer glaubt, im Falle der Besetzung von Gremien, Aufsichtsräten, Präsidien, Geschäftsführungen oder Chefredaktionen würde es anders laufen, glaubt wahrscheinlich auch daran, dass Männer irgendwann freiwillig ihre Stühle räumen, um den Platz einer Frau anzubieten. (Alexis Ohanian ist da eine strahlende Ausnahme, allein auf weiter Flur.)

Quoten reduzieren den Anteil inkompetenter Männer
Frauen, die sagen, sie wären gegen die Quote, weil sie es „aus eigener Kraft“ schaffen wollen ignorieren den Fakt, dass es bei Stellenbesetzungen viel weniger auf Kompetenz ankommt, als wir uns alle wünschen würden. Männer, die meinen, eine Frauenquote wäre unfair, „weil die Qualifikation entscheidend sein sollte und nicht das Geschlecht“, kennen vermutlich noch nicht die Studie der London School of Economics aus dem Jahr 2017 die herausfand, dass die Einführung einer Quote nicht etwa dazu führe, dass geringer qualifizierte Frauen bevorzugt würden, sondern sich vielmehr der Anteil weniger kompetenter Männer reduziert. Eine Erhöhung der Frauenquote um 10 Prozent sorgt laut Studie dafür, dass sich die Anzahl kompetenter Männer gar um 3 Prozentpunkte erhöht. Das heißt, dass die Quote letztlich nur den Anteil inkompetenter männlicher Führungskräfte reduziert. „Moreover, quotas are indeed bad news for mediocre male leaders who tend to be forced out“, so die Forscherinnen. Naja, vielleicht kennen die besagten Männer die Studie doch und haben einfach Schiss…

Quote: Ja, aber…
Natürlich ist die Quote kein Allheilmittel. Die Chancenungleichheit beginnt viel früher und Quoten greifen meist erst auf den oberen Sprossen der Karriereleiter. Trotzdem brauchen wir Quoten da, wo Macht verteilt und Entscheidungen getroffen werden. „You can’t be what you can’t see“, sagte die Afroamerikanische Kinderrechtsaktivistin Marian Wright Edelman und meinte damit, dass wir Vorbilder brauchen, um an uns selbst zu glauben. Mädchen sehen erfolgreiche Frauen in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Medien und damit eine mögliche Zukunft für sich selbst. Wir sollten die Lunte also an beiden Enden entfachen, um das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen.

Mit Geschlechtergerechtigkeit allein ist es selbstverständlich nicht getan. Das Ziel muss immer echte Diversität sein, d.h. gleiche Chancen auch für nicht binäre Menschen, für Menschen mit Behinderung, für BIPoCs, LSBTQ*. Es ist ein langer Weg, aber der einzige. Denn was wäre die Alternative? Weiterhin überwiegend weiße Männer in Macht- und Führungspositionen.

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