In Texas wird jetzt ein Kopfgeld für die Meldung illegaler Abtreibungen gezahlt, Armin Laschet präsentiert sein „Zukunftsteam“ und Luke Mockridge kriegt eine neue Show. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW35
Montag, 30. August
Und wieder beginnt die Woche mit einem Femizid. Ich kann euch nicht sagen, der wievielte es ist in diesem Jahr, da es in Deutschland leider keine offiziellen Statistiken dazu gibt. In Waldkappel (Hessen) ermordete offenbar ein 70-jähriger Mann seine 76-jährige Ehefrau und deren Hund. Der Täter soll die Tat gestanden haben.
Bereits am Freitag zuvor hat in Sindelfingen ein 50-Jähriger gestanden, seine Frau getötet zu haben, die von ihm getrennt lebte. Die Polizei fand die Leiche der 43-Jährigen, die durch massive Gewalteinwirkung getötet wurde. Der Mann war in der Vergangenheit schon häufiger gewalttätig gegen die Frau, die erst Anfang August ein gerichtliches Annäherungsverbot für ihre Arbeitsstelle gegen den Mann erwirken konnte.
Ein weiterer Femizid ereignete sich in Wehrdau (Sachsen). Dort hat mutmaßlich ein 34-jähriger Mann seine 40-jährige Ehefrau mit mehreren Messerstichen getötet. Auch das 3 Jahre alte Kind wurde getötet. Die Todesursache wurde noch nicht bekanntgegeben, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordes in zwei Fällen gegen den Mann. Auch der Tatzeitpunkt ist offenbar noch nicht geklärt. Der Mann hatte sich Dienstagnacht in der Notaufnahme eines Zwickauer Krankenhauses aggressiv benommen. Der hinzugerufenen Polizei sagte er, „dass er seiner Frau und dem Kind etwas angetan habe“.
Auch am Montag
Am Montag wurde bekannt, dass gegen zwei Neonazis Anklage erhoben wird, weil sie vermutlich Verursacher der rechtsextremen Anschlagsserie in Berlin-Neukölln sind. Mehr als 70 Straftaten, darunter 14 Brandstiftungen werden Sebastian T. und Thilo P. vorgeworfen, u.a. die Brandanschläge auf die Autos des linken Buchhändlers Heinz Ostermann und des LINKEN-Politikers Ferat Kocak am 1. Februar 2018. Über Jahre bedrohten die mutmaßlichen Täter Menschen im Bezirk, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzten. Lange sah es danach aus, dass der rechte Terror in Neukölln ungesühnt bleiben würde. Es gab zwar Reihenweise Indizien gegen die nun Angeklagten, aber handfeste Beweise fehlen. Auch die Rolle des Verfassungsschutzes, der Sebastian T. und Thilo P. überwachte, sowie von Polizei und Justiz ist noch immer nicht aufgeklärt. Die LINKE fordert daher einen Untersuchungsausschuss, der nach den Abgeordnetenhauswahlen im September eingesetzt werden könnte.
Dienstag, 31. August
Ich verstehe nicht, warum noch immer von einer angeblichen „Sprachpolizei“ der politischen Korrektheit schwadroniert und behauptet wird, irgendjemand würde zu geschlechtergerechter Sprache gezwungen, während doch in Wahrheit das Gegenteil richtig ist. In Sachsen hat das Kultusministerium Briefe an alle Schulen verschickt, in denen diese angewiesen werden, keine Sonderzeichen wie „Gendersternchen“ (Asterisk), Binnen-I oder Gender_Gap zu verwenden. Stattdessen solle auf die (rein-binäre) Doppelnennung wie „Schülerinnen und Schüler“ oder geschlechtsneutrale Formen wie „Lehrkräfte“ zurückgegriffen werden. Das sächsische Modell könnte in Zukunft bundesweite Relevanz erhalten. Auch die Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, Karin Prien, ist gegen geschlechtergerechte Sprache an Schulen. Als Teil des „Zukunftsteams“ von Armin Laschet ist sie mit dieser Position nicht allein, ihr Zukunftsteam-Kollege Friedrich Merz träumte bereits von einem generellen Verbot der „Gendersprache“. An dieser Stelle wiederhole ich meinen Service-Hinweis: Die deutsche Sprache ist immer gegendert, bisher allerdings in aller Regeln im generischen Maskulinum.
Mittwoch, 1. September
Luke Mockridge bekommt nächstes Jahr eine neue Show bei Sat1. So viel zum Thema „Karrierezerstörende Falschbehauptungen“. Der Comedian, dem von seiner Ex-Freundin psychische, physische und sexualisierte Gewalt vorgeworfen wird, ist und bleibt „Everybody‘s-Darling“. Es ist zum Kotzen, mehr möchte ich an dieser Stelle dazu gerade nicht sagen.
Donnerstag, 2. September
Im US-Bundesstaat Texas gilt ab sofort eines der perfidesten Anti-Abtreibungsgesetze weltweit. Nicht nur ist ein Schwangerschaftsabbruch ab der sechsten(!) Woche strafbar, es werden außerdem Personen bestraft, die eine ungewollt Schwangere beim Abbruch unterstützen, wie bspw. Uber-Fahrer*innen, Partner*innen und medizinisches Personal. Mindestens 10.000 Euro Belohnung winken dem, der eine illegale Abtreibung anzeigt. Möge die Kopfgeldjagd beginnen.
Wer sich auch nur ein bisschen mit dem Thema Abtreibungen beschäftigt weiß, dass diese immer durchgeführt werden, die Gesetzeslage bestimmt lediglich, unter welchen Umständen die Abbrüche passieren, ob sie legal und sicher oder illegal und gesundheitsgefährdend sind. Ein Abtreibungsverbot ab der sechsten Woche bedeutet für die meisten ungewollt Schwangeren, dass sie den Abbruch nicht legal durchführen lassen können. In der sechsten Woche wissen viele noch gar nicht, dass sie schwanger sind. In Texas gibt es auch bei Vergewaltigung keine Ausnahme. Unter dem Vorwand des „Lebensschutzes“ wird ignoriert, dass jährlich „mehr als 22.800 Frauen und Mädchen […] an den Folgen“ (Ärzte ohne Grenzen) einer illegalen Abtreibung sterben. Die Debatte darüber, wann aus einer befruchteten Eizelle ein menschliches Wesen wird, nimmt wichtigen Raum im Diskurs ein. Wir sollten deshalb über das Menschenrecht auf Gesundheitsversorgung sprechen, das auch für Schwangere gelten muss. Abtreibungsverbote verhindern keine Abtreibungen. Sie machen sie nur unsicherer, insbesondere für Menschen, die über geringes Einkommen verfügen.
Freitag, 3. September
Am Freitag hat Armin Laschet sein bereits erwähntes „Zukunftsteam“ vorgestellt. Prominentester Kopf: Der ewig rückwärtsgewandte Friedrich Merz, der sich im Kabinett Laschet um Finanzen und Wirtschaft kümmern soll.
Die Umfragewerte für die CDU sind nicht gestiegen seit der Verkündung des Teams, immerhin. Ich habe noch Hoffnung, dass uns ein Kanzler Armin Laschet erspart bleiben wird. Währenddessen fabuliert Markus Söder weiterhin von einem drohenden „Linksrutsch“. Auf Twitter schrieb er am Freitag: „Es geht nicht um rote Socken 2.0, sondern um die Folgen eines Linksbündnisses. Das sind höhere Steuern und eine höhere Arbeitslosigkeit. Und die politische Linke ist eine Gefahr für die innere und äußere Sicherheit. Sie will Verfassungsschutz und Bundeswehr schwächen.“ Ach, Markus, how I wish that was true!
Samstag, 4. September
Am Samstag haben in Berlin zwischen 10.000 (Polizeiangaben) und 30.000 (Angabe der Veranstaltenden) Menschen an der „Unteilbar“-Demo teilgenommen. Ich war nicht dabei, weil ich mich nicht fit gefühlt habe, aber auch, weil ich mit dem Demokonzept hadere. 350 Organisationen und Initiativen haben laut Veranstaltungsbündnis zur Teilnahme aufgerufen, ein bunter Mix von bürgerlich-konservativ (SPD, Gewerkschaft Nahrung Genuss und Gaststätten) über christlich und friedensbewegt (pax christi) bis stabil antifaschistisch (VVN-BdA). Es ist prinzipiell ja nichts Schlechtes, wenn sich Gruppen verschiedener Schwerpunkte zusammentun und gemeinsam „Für eine solidarische und gerechte Gesellschaft“ demonstrieren. Gleichzeitig frage ich mich, warum dann jemand wie Franziska Giffey dort zu ihren Anhänger*innen sprechen darf (vom SPD-Lauti aus), die sich gerade erst unmissverständlich gegen das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co Enteignen“ ausgesprochen hat. Mit Giffey wird es keine Enteignungen geben, völlig egal, wie die Berliner*innen am 26. September entscheiden. Auch finde ich es schwierig, wenn Leute mit EU-Flaggen auf einer Demo mitlaufen, in der auch das Sterben im Mittelmeer thematisiert wird. Für die Einen mögen solche Widersprüche aushaltbar sein, geht es doch „um die größere Sache“. Für Andere sind EU-Flaggen und Giffey-Auftritte aber eben keine Kleinigkeiten. Mir scheint, es fällt vor allem denjenigen leicht, von „gemeinsam sind wir stark“ zu reden, die auf der Privilegienleiter ziemlich weit oben stehen. Eine vermeintliche „Spaltung der Bewegung“ kritisieren in erster Linie die, die sich darin nie ausgeschlossen fühlen. Die Forderung, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, wird meist an die adressiert, die von genau diesen Worten verletzt und ausgegrenzt werden. „Unteilbar“ ist am Ende leider mehr Wunsch als Wirklichkeit. Um in Zukunft einer geeinten Bewegung zumindest näher zu kommen, sollten aber nicht diejenigen Kompromisse machen müssen, die in ihr am stärksten marginalisiert sind. Vielmehr ist es die Aufgabe der Privilegierten und Mächtigen (wie SPD, GRÜNE, Gewerkschaften, Kirchen), die Forderungen der Marginalisierten zu unterstützen und nicht umgekehrt.
Sonntag, 5. September
Die LINKE in NRW hat einem Parteiausschluss von Sahra Wagenknecht eine klare Absage erteilt. Wie der Deutschlandfunk berichtet, hat die Landesschiedskommission die vorliegenden Anträge gegen die Spitzenkandidatin einstimmig abgelehnt. „Man sei froh, dass es nun eine Entscheidung in diesem – Zitat – wirklich unnötigen Verfahren gebe“. Wie „unnötig“ eine klare Abgrenzung zu den menschenfeindlichen Positionen Wagenknechts wirklich gewesen wäre, sehen wir spätestens am Wahlabend. Für viele Marginalisierte ist Die LINKE eben wegen Sahra Wagenknecht inzwischen unwählbar geworden. Ich empfehle dazu dringend den Offenen Brief an Sahra Wagenknecht, den Sibel Schick diese Woche im Neuen Deutschland veröffentlicht hat. Die Politikerin wird in dem Text direkt adressiert: „Sie sprechen von einer deutschen Grenzöffnung 2015 und verleugnen strukturellen Rassismus in der Polizei. Sie stellen Verachtung gegen Minderheiten als Strukturkritik dar und relativieren ihre Probleme, indem Sie behaupten, »echte« Diskriminierung sei nur die von Armen. Warum sollen Marginalisierte Ihre Partei noch wählen, solange Sie diese gewaltvollen Thesen noch unter dem Dach der Linken verbreiten können?“, fragt Sibel Schick und ich frage mich das auch.