Männer sind viel einfallsloser, als sie glauben. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass sie immer wieder Alice Schwarzer aus dem Hut ziehen, um die Wortbeiträge von Frauen zu diskreditieren. Ich erlebe das sehr oft: Egal, ob ich einen „Witz“ sexistisch nenne oder auf eine Ungleichbehandlung hinweise. Ob im Stadion oder in den Kommentarspalten deutscher Tageszeitungen: irgendeiner kommt immer mit dem Schwarzer-Vergleich. „Ist ja gut, Frau Schwarzer“ oder „Alice Schwarzer lässt grüßen“, besonders kreativ sind die Herren leider nicht. Das allein ist natürlich keinen Blogartikel wert, mir geht es um etwas anderes.
Alice Scharzers Feminismus ist nicht meiner
Mal davon abgesehen, dass die Männer, die nur eine einzige Feministin kennen, offensichtlich unter einem Stein leben, stört mich der Vergleich vor allem deshalb, weil der Feminismus von Alice Schwarzer nicht meiner ist.
Eins vorweg: ich habe nicht vor, mich an Alice Schwarzer abzuarbeiten. Das haben dankenswerterweise andere schon getan, bspw. Margarete Stokowski oder Laura Lucas in den Übermedien. Ich habe nur einen Aufhänger gebraucht, um ins Thema Intersektionalität einzusteigen. Alice Schwarzer und ihren Mitstreiter*innen (sogenannte „Zweite-Welle-Feministinnen“) wird vorgeworfen, sich inhaltlich auf Sexismus und Misogynie zu beschränken. Ihr Feminismus ist sowohl von der Verengung des Blickfelds auf die Kategorie Geschlecht geprägt als auch von der fehlenden Reflexion der eigenen Privilegien.
Die Diskriminierung von Frauen ist oft mehrdimensional
Intersektionaler Feminismus möchte über die Überwindung sexistischer Diskriminierung hinaus gehen. Denn wenn wir uns nur dieser einen Kategorie widmen, greifen wir zu kurz und werden scheitern.
Die Benachteiligung von Frauen ist selten eindimensional. So wird eine Frau möglicherweise aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert, aber auch aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Sexualität, ihrer Behinderung, ihrer Religion, ihrer Körperform, ihres Alters, ihrer finanziellen Möglichkeiten oder ihres Bildungsabschlusses. Die Diskriminierungen überschneiden sich, lassen sich nicht trennscharf auseinanderhalten. Es reicht daher nicht aus, nur die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fordern.
Weiße Frauen sind privilegiert
Der zweite wesentliche Aspekt des intersektionalen Feminismus ist die Selbstreflektion. Nur wenn ich meine eigene Position kenne und mir meiner persönlichen Privilegien bewusst bin, kann ich zur Überwindung von Ungerechtigkeit beitragen. Als weiße, normalgewichtige Frau, die kein Kopftuch trägt und keine Behinderung hat, ist es für mich ein Privileg, zum Fußball gehen zu können und (von sexistischen Sprüchen abgesehen) weitgehend unbehelligt teilnehmen zu können. Es reicht mir aber nicht, nur darauf zu drängen, dass ich diskriminierungsfrei Fußball gucken kann. Ich will das auch für die behinderte Muslima oder die fette Transfrau.
Feministin sein ist kein Persilschein
Feministin sein heißt für mich auch, mich ständig selbst zu hinterfragen. Denn nur weil ich eine Frau bin, bedeutet das nicht, frei von misogynen Denkmustern zu sein. Ich bin genauso im Patriarchat sozialisiert wie alle anderen. Ebenso wenig kann ich mich generell von Rassismus, Ableismus, Homo- und Transphobie, Antisemitismus, Altersfeindlichkeit, Lookismus und Klassismus freisprechen. „Sich zum Feminismus zu bekennen ist kein Persilschein, der einen plötzlich mit einer gehobenen Moral ausstattet“, schrieb Martha Martens 2013 im Missy Magazin. Für mich ist dieser Satz Richtschnur und Mahnung zugleich.
Der letzte Absatz ist echt wie so ein Mantra.
Ja, da hast Du recht. Ich muss es mir immer wieder sagen.