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Halt’s Maul, du Klauß!

Dafür, dass er einer Frau eine blutige Nase geschlagen hat, wird Gzuz zu einer Entschuldigung und 500 Euro Geldstrafe verurteilt. „Das war eine scheiß Situation. Ich habe dich unglücklich getroffen, es tut mir leid“, sagte der Kartoffelrapper, der eigentlich Kristoffer Jonas Klauß heißt, vor dem Hamburger Amtsgericht. Zum Beweis seines guten Willens legt er Gästelisten-Tickets obendrauf. Das Opfer akzeptiert, immerhin ist sie sein Fan.

Wieso ist man Fan eines Mannes, der schon mehrfach wegen Gewalttaten verurteilt wurde? Der 2018 eine 19-Jährige sexuell belästigt hat, der seine Frau nicht nur geschlagen, sondern auch an den Haaren durch die Wohnung gezerrt haben soll? Ein Vater von zwei Töchtern, der nicht mal versucht, seinen Frauenhass zu verschleiern:

„Kein Bock auf Sex? / Na dann klatsch Ich sie weg! / Die Schlampe war frech / aber ich schick sie schlafen (Tschüüühüss) / bei Gericht hat sie nichts zu verraten (Nöö)“

187 Straßenbande – „Liebe meines Lebens“

„Die [F*-Wort] hat Bock und ich lad’ sie ein (ja)/ Sagt, dass ich sympathisch sei, Komm’ auf ihrem Arschgeweih/ Für mich ist die Hure nichts wert“

Gzuz – Halftime

„Bring deine Alte mit, sie wird im Backstage zerfetzt
Ganz normal, danach landet dann das Sextape im Netz“

Gzuz – Was hast du gedacht?

Scheint alles irgendwie nicht so schlimm zu sein, ist schließlich „gangster“ oder was auch immer. Der Frauenhass wird zur Kunstform erklärt, der misogyne Täter hinterm „lyrischen Ich“ versteckt. Die Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Helga Kotthoff von der Universität Freiburg nennt das die „Normalisierung von sexualisierter Gewalt gegen Frauen“. Jan Eißfeldt (aka Eizi Eiz, aka Jan Delay) von den Beginnern sagt hingegen: „Ich find’s einfach geil, dass so realer Straßenrap aus Hamburg kommt“. Die Beginner schienen kein Problem damit zu haben, Gzuz in ihrem Comeback-Hit „Ahnma“ zu featuren.

Mich kotzt es so an, dass Gewalt gegen Frauen offensichtlich so sehr dazu gehört, dass es in der Szene maximal ein Schulterzucken dafür gibt. Die Musikindustrie, Labels und Veranstalter, kassieren fröhlich mit (bei Gzuz‘ z.B. Universal Music) und die Medien haben wohl keinen Bock auf Unterlassungsklagen oder „Redaktionsbesuche“ und verzichten deshalb oft genug komplett auf die Berichterstattung.

Die Verharmlosung von sexueller Gewalt und Misogynie im Rap ist ein strukturelles Problem – und ja: Sexismus ist längst nicht nur im Hip Hop ein Thema (vielleicht schreibe ich irgendwann mal was über die Schlagerszene…) Es kann aber nicht sein, dass wir es deshalb ignorieren, was da vor unseren Augen und Ohren abgeht. Ich will nicht, dass 187, Kollegah oder Farid Bang im Club gespielt werden. Wer das geil findet, kann es ja zu Hause hören.

Ich finde es unglaublich, dass so ein misogyner Heini wie Sido erst seit seinem Verschwörungsgeschwurbel einen Karriereknick erlebt und nicht schon bei „Katrin war schockiert, sie hat nicht gewusst dass der [N-Wort]-Dildo auch vibriert/ ihr Arsch hat geblutet und ich bin gekommen“.

Während zunehmend Einigkeit darüber herrscht, dass rassistische und homophobe Texte nicht klargehen, wird bei Frauenverachtung nach wie vor ein Auge zugedrückt. Das liegt auch an den Frauen selbst, denn das Patriarchat hat uns erfolgreich gelehrt, dass „wir uns nicht so haben“ sollen. Wir sollen maximal schüchtern kichern, wenn Kool Savas rappt „Bitch: Fresse! Bevor ich dir den Sack in den Mund presse!“

Frauen, die sich zurecht darüber beschweren, nicht als Objekte gewalttätiger Männerphantasien herhalten zu wollen, sind (im besten Fall!) „zickig“ oder „spaßbefreit“. Und überhaupt: als „normale“ Frau, die nicht „billig“ ist, müsse man sich davon ja gar nicht angesprochen fühlen. Es geht in den Texten ja nicht um Frauen, sondern um „Schlampen“.

In einer Gesprächsrunde zu der die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) eingeladen hatte, spricht eine 15-jährige Teilnehmerin aus, was vermutlich auch viele Erwachsene denken: „Wenn man sich so verhält, dann muss man sich nicht wundern, wenn man als Bitch bezeichnet wird.“

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Elisa

    Übel ist halt auch, dass es nicht nur toleriert wird, sondern in dem Fall ja auch krass gefeiert und als „cool“ und „real“ gilt. Sexistische Kackscheiße und Misogynie als zusätzlicher Erfolgsgarant quasi, yay.

    1. Ulla

      Ja, das macht mich auch so wütend. Das Abwerten von Frauen ist seit Jahrhunderten beliebtes Mittel zur Selbsterhöhung. Und leider bedienen sich dessen nicht nur Männer. Ekelhaft alles!

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