Weiße Cops töten erneut einen Schwarzen Teenager in den USA, Friedrich Merz will geschlechtergerechte Sprache verbieten und die deutschen EM-Turnerinnen setzen ein Zeichen. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW16
Montag, 19. April
Annalena Baerbock wird Kanzlerkandidatin der Grünen. Bei ihrer derzeitigen Konkurrenz (Scholz, Laschet) kann ich nur sagen: Ich drücke ihr alle Daumen. Bin auch einfach nicht bereit für einen Mann als Kanzlerin.
Dienstag, 20. April
Der Mörder von George Floyd, Derek Chauvin, wurde in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Es ist ein Meilenstein, dass ein weißer Cop wegen der gewaltsamen Tötung eines Schwarzen verurteilt wird. In 99 Prozent aller Fälle kommen die Täter in Uniform straffrei davon. 99 Prozent! Doch wer meint, George Floyd sei nun Gerechtigkeit widerfahren, irrt. Gerechtigkeit wäre, wenn George Floyd noch leben würde. Er hat nicht darum gebeten, zum Symbol einer Bewegung zu werden. Alle, die seinen Tod jetzt als „inspirierend“ verklären, sind einfach nur zynisch! Was ist das für eine Gerechtigkeit, wenn es weltweite Massenproteste braucht, damit ein weißer Cop zur Rechenschaft gezogen wird, dessen Tat sogar auf Video festgehalten wurde?
Während der Urteilsverkündung wurde in Columbus, Ohio, ein Schwarzer Teenager von der Polizei erschossen. Die 16-jährige Ma‘khia Bryant hatte wohl selbst die Cops gerufen, da sie bedroht wurde. Die Polizei gibt an, Ma’khia Bryant sei mit einem Messer auf eine andere Person losgegangen. Es ist unfassbar, wie wenig die Leben Schwarzer Menschen in den USA wert zu sein scheinen. Ich erinnere an den Attentäter, der am 16. März in Atlanta acht Menschen erschossen hat und lebend verhaftet wurde, oder an den Massenmörder von Boulder, der am 22. März in einem Supermarkt zehn Menschen tötete und ebenfalls lebend verhaftet wurde. Allein im vergangenen Jahr, dem Jahr der weltweiten BLM-Proteste, wurden in den USA der Washington Post zufolge 243 Schwarze Menschen von der Polizei erschossen.
Mittwoch, 21. April
Bei der Turn-Europameisterschaft in Basel trat die 21-jährige Sarah Voss im Ganzkörperanzug auf. Eine kleine Revolution, denn bislang war es gang und gäbe, dass die Turnerinnen in sehr knapper, Badeanzug-ähnlicher Kleidung bei Wettkämpfen auftraten. Turnerinnen würden sich häufig nicht uneingeschränkt wohlfühlen, sie würden sexualisiert und ihr Schamgefühl würde durch entsprechende Fotos zusätzlich verletzt. Mit dem Auftritt wollen Sarah Voss und ihre Teamkolleginnen, Elisabeth Seitz und Kim Bui, die ebenfalls in Ganzkörperanzügen turnen werden, ein Zeichen gegen die Sexualisierung und für die Selbstbestimmung setzen: „Wir haben erst mal den Anstoß gegeben. Wir freuen uns, wenn andere die Innovation aufgreifen und wir einen Trend gesetzt haben“, sagte Sarah Voss.
Donnerstag, 22. April
Friedrich Merz denkt über ein Verbot der geschlechtergerechten Sprache nach. Ja, es ist so absurd, wie es da steht. Der Spiegel geht in einem Interview mit Merz auf dessen Tweet ein, in dem er schrieb „Wer gibt diesen Genderleuten eigentlich das Recht, einseitig unsere Sprache zu verändern?“. Der Spiegel fragt wie er das gemeint hat und Merz führt aus: „Wer gibt zum Beispiel Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern das Recht, Prüfungsarbeiten auch danach zu bewerten, ob die Gendersternchen verwendet werden oder nicht? Das ist meines Erachtens rechtlich angreifbar. Und dasselbe gilt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Wer gibt Nachrichtenmoderatorinnen und -moderatoren das Recht, in ihren Sendungen einfach mal so eben die Regeln zur Verwendung unserer Sprache zu verändern?“ Der Spiegel fragt: „Wer wollte ihnen das verbieten? Ist das nicht deren Entscheidung?“ Und Merz: „Das sehe ich überhaupt nicht so. In Frankreich hat die Regierung Macron allen staatlichen Institutionen untersagt, die sogenannte geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Die Franzosen haben offenbar ein besseres Feingefühl für den kulturellen Wert ihrer sehr schönen Sprache. Man kann das natürlich in der Sache auch anders sehen. Aber mir geht es vor allem um die Vorgehensweise. Gerade in gesellschaftlich verantwortungsvollen Positionen kann das nicht jeder so machen, wie er das vielleicht gern hätte.“ Äh, doch und das ist das ist das Schöne in einem freien Land.
Freitag, 23. April
Der Thüringer Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Kai Christ, ist zurückgetreten, nachdem öffentlich wurde, dass die Staatsanwaltschaft Erfurt wegen des Verdachts sexueller Übergriffe gegen ihn ermittelt. Was für ein ekelhafter Hundeverein die GdP ist, schreibe ich an anderer Stelle mal ausführlich auf. Heute soll es nur um den aktuellen Fall gehen. Die Frau, die Christ sexuelle Gewalt vorwirft, soll in der Vergangenheit eine einvernehmliche Beziehung mit dem Polizisten gehabt haben. Doch nach dem Ende dieser Affäre soll der mutmaßliche Täter die Frau in den Büroräumen der GdP-Geschäftsstelle in Erfurt mehrfach vergewaltigt haben. (Der MDR schreibt „zum Sex gegen ihren Willen genötigt“, ich bin keine Juristin, aber das klingt wie „vergewaltigt“ für mich.) Christ soll die finanzielle Not der Frau ausgenutzt und sie unter Druck gesetzt haben. Die Vorfälle, die sich zwischen Frühjahr und Herbst 2019 abspielten, hat die Frau im November 2019 bei der GdP gekündigt und die Gewalt im Frühjahr 2020 zur Anzeige gebracht. Lange ist nichts passiert. Weder wurden Spuren gesichert, bspw. durch die Beschlagnahmung Handy oder Computer des Beschuldigten, noch wurden andere Mitarbeiter*innen der DpP-Geschäftsstelle befragt. Das Innenministerium und die Landespolizeidirektion in Thüringen sind über die Vorwürfe offenbar bereits seit Monaten informiert. Ob gegen Christ, der neben der Gewerkschaftsarbeit auch Polizeibeamter ist, ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, ist nicht bekannt.
Der Fall ist ein weiteres Beispiel dafür, wie schwer es für Opfer sexualisierter Gewalt ist, Gerechtigkeit zu erfahren. Von hundert Vergewaltigungen, führt nur eine zur Verurteilung des Täters. Die wenigsten Betroffenen erstatten überhaupt Anzeige. Dazu trägt auch das unsensible Verhalten von Polizei und Justiz bei. „Als Zeugin im Verfahren wird deine Glaubwürdigkeit ständig infrage gestellt, das ist eine schwierige Situation. Ich glaube, dass Beamte vielfach einfach noch nicht gut genug geschult sind im Umgang mit traumatisierten Personen“, sagte Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin beim Weißen Ring, im vergangenen Jahr zur taz.
Samstag, 24. April
Der 24. April ist nicht nur der Geburtstag meines lieben Papas und treuesten Lesers, sondern auch der von Mumia Abu Jamal. Mumia Abu Jamal ist ein US-amerikanischer Journalist, Autor und Bürgerrechtler aus Philadelphia, der wegen des Mordes an einem Polizisten 1982 zum Tode verurteilt wurde. 2011 wurde das Todesurteil in eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne Revisionsmöglichkeit umgewandelt. An der Schuld Mumia Abu Jamals gibt es viele Zweifel. Er selbst bestreitet die Tat bis heute. Ein rein weißes Gericht hatte den früheren Black Panther Aktivisten schuldig gesprochen, er sitzt seit 40 Jahren im Gefängnis, 30 Jahre davon in Einzelhaft. Seine Gesundheit ist durch eine chronische Herzinsuffizienz, eine jahrelang nicht behandelte Hepatitis C, schwere Diabetes und nicht zuletzt der der Covid-19-Infektion im März schwer angegriffen. Happy Birthday, Papa heißt immer auch: Free Mumia!
Sonntag, 25. April
In der „Hörbar Rust“ war heute Melodie Michelberger zu Gast. Ich möchte euch die Sendung ans Herz legen (ihr könnt sie easy als Podcast hören, in der ARD Audiothek oder bei Spotify), ich bin nicht so ein Fan von Barbara Rust, aber großer Fan von Melodie, spätestens seitdem ich ihr Buch „Body Politics“ gelesen habe. Melodie erzählt darin (und auch in der Hörbar-Folge von heute) von ihrem Leben als normgewichtiges Kind, das von Diätkultur und Bodyshaming umgeben, zu einer essgestörten Erwachsenen heranwuchs. Heute ist Melodie Michelberger Fettaktivistin und führt uns in „Body Politics“ all die toxischen Glaubenssätze vor Augen, die uns dazu bringen uns für „zu dick“ zu halten. Weil Melodie zudem Feministin ist und weiß, dass die Fat-Acceptance und Body-Positivity-Bewegung auf das Engagement Schwarzer Frauen zurückgeht, kommen in ihrem Buch auch drei andere Aktivist*innen zu Wort, die aus ihrer (fetten, Schwarzen) Perspektive erzählen. Das Buch hilft uns dabei, die uns umgebende Diätkultur zu hinterfragen, die das Patriarchat und den Kapitalismus stützt und aufrechterhält. Wenn ihr ein Buch über Körper, Ernährung, Diät und Schönheitsideal lesen wollt: Lest unbedingt dieses, es dekonstruiert das System aus Misogynie und Selbsthass, das uns umgibt und dessen Weiterbestehen wir alle, oft ohne es zu wollen, sichern.
Heute Nacht werden die Oscars verliehen und ich drücke alle Daumen für die großartige, unvergleichliche, fantastische Schauspielerin Viola Davis.