Aus dem Bundesinnenministerium hört man neue Töne, die Schlinge um Prince Andrew zieht sich zu, die Brigitte-Diät ist beispielhafte Heuchelei und Irland trauert um Ashling Murphy. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW2
Montag, 10. Januar
Eine besondere Premiere gab es bei der Verleihung der Golden Globes Anfang der Woche: MJ Rodriguez ist die erste trans Frau, die mit dem renommierten Preis ausgezeichnet wurde. Sie erhielt die Ehrung als „Beste Schauspielerin in einer Dramaserie“ für ihre Rolle der Blanca Evangelista in „POSE“ (meine Lieblingsserie by the way). Ich freue mich über die Entscheidung der Jury, den MJ Rodriguez ist wirklich fantastisch und die Ehrung wohlverdient.
Die Woche begann erneut mit einem Femizid. In München fand ein Nachbar die Leiche einer 72-Jährigen, die offenbar „aufgrund stumpfer und spitzer Gewalt zu Tode gekommen ist“, wie die Polizei mitteilte. Ein zweiter Femizid ereignete sich in Tornesch im Kreis Pinneberg (Schleswig-Holstein). Am frühen Dienstagmorgen rief ein 59-Jähriger die Polizei und gab an, seine 57 Jahre alte Partnerin getötet zu haben.
Dienstag, 11. Januar
Es ist Januar, Hochsaison der „Brigitte-Diät“. Sie ist eine verdammte Institution, die noch jeden Trend überlebte. Als ich vor Jahren ein Praktikum beim Stern in Hamburg machte, bot sogar die Kantine im Gruner+Jahr Haus am Jungfernstieg Mahlzeiten entsprechend der „Brigitte-Diät“ an. Bis heute hat sich nicht viel am Konzept geändert: „Weniger ist mehr“ lautet auch 2022 das Motto, das (vorwiegend) Frauen in kleinere Kleidergrößen schämen soll. „Gesund abnehmen mit dem Brigitte Balance Konzept“ steht auf dem Cover der aktuellen Ausgabe. Melodie Michelberger, Autorin des sehr lesenswerten Buchs „Body Politics“, war früher selbst Mitarbeiterin bei Brigitte. Heute kämpft sie auf Instagram gegen Diät-Kultur und Schlankeitsdruck. In einem Post schrieb sie: „Liebes @BrigitteMagazin, das ganze Jahr wollt ihr uns empowern, schreibt von Feminismus und ‚starken Frauen‘ und dann haut ihr einen so problematischen Titel raus? Warum signalisiert ihr Frauen IMMER NOCH, dass sie WENIGER sein sollen? Warum wird weniger Gewicht angepriesen, als wäre es die neue It-Bag?“ Melodie Michelberger machte damit auf die Heuchelei von „Frauenzeitschriften“ aufmerksam, die zwar seit einigen Jahren auf dem Trendthema „Bodypositivity“ surfen, aber gleichzeitig ihr Geld mit dem Selbsthass von Frauen verdienen. Das ganze Jahr über wird den Leserinnen etwas von „Empowerment“ erzählt, davon, dass Frauen heute „stark“ sein sollen, mit großem Selbstbewusstsein, aber die bestselling Ausgabe im Januar gibt weiterhin Abnehmtipps und setzt Dünnsein mit Gesundheit gleich. Call-Outs wie der von Melodie Michelberger sind so wichtig, um diese perfide Strategie dieser Magazine aufzudecken. Sie schreibt auf Instagram: „Ich möchte von euch NICHTS mehr zum Thema Empowerment oder weibliche Selbstbestimmung lesen.“ Und sie baut damit Druck auf. Über 6.600 Likes bekam sie für den Post bis jetzt. Die Brigitte und andere Redaktionen lesen hier mit.
Mittwoch, 12. Januar
Am Mittwoch kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus an. „Die größte Gefahr für unsere Demokratie ist der Rechtsextremismus“, sagte Faeser und nach 17 Jahren CDU/CSU-Führung bedeutet so ein Satz aus dem Innenministerium tatsächlich eine kleine Zeitenwende. Sie nannte „die Hetze“, die Jüdinnen*Juden „in unserem Land noch erleben müssen“, eine „Schande für unser Land“ und erwähnte neben dem Mord an Walter Lübcke und dem Anschlag auf die Synagoge in Halle auch „die rassistischen Morde in Hanau“ und erklärte: „Der Staat ist den Opfern weitere Antworten schuldig.“ Das ist ein wichtiges Signal und ich wünsche mir, dass es nicht bei leeren Worten bleibt. Der Aktionsplan gegen Rechtsextremismus soll bis Ostern vorgelegt werden. Nancy Faeser beabsichtigt „Radikalisierung zu stoppen, rechtsextreme Netzwerke zu zerschlagen und Extremisten konsequent die Waffen zu entziehen“. Außerdem erklärt sie, demokratische Initiativen verlässlich fördern wollen. Etwas später in ihrer ersten Rede vor dem Deutschen Bundestag sagt Nancy Faeser, dass das Innenministerium die Gewalt gegen Frauen bekämpfen und „die strukturellen Ursachen dafür auch angehen“ will. Wie das geschehen soll, sagt sie nicht, aber es ist dennoch bemerkenswert, da das Thema „häusliche Gewalt“ bislang ausschließlich im Ressort des Bundesfamilienministerium verortet wurde. Ich war tatsächlich positiv überrascht, als ich mir die Rede von Nancy Faeser angehört habe, aber es wäre nicht die SPD, wenn mir nicht noch ein Dämpfer reingewürgt worden wäre: „Wir sorgen für zügige Asylverfahren und gute Perspektive für Menschen, die gut integriert sind. Wir sorgen aber auch – das sage ich auch deutlich – für konsequente Rückführung insbesondere von Straftätern.“
Donnerstag, 13. Januar
Am Donnerstag wurde gemeldet, dass die Queen Prince Andrew alle militärischen Titel entzogen hat. Das Oberhaupt der Royal Family betreibt gerade eine Art Schadensbegrenzung für das Haus, denn das Image des zweiten Sohns ist nicht mehr zu retten. Zu tief scheint Prince Andrew in den Skandal um Jeffrey Epstein verwickelt, dem die Bildung eines Missbrauchsrings vorgeworfen wurde, bevor er sich in der Haft das Leben nahm. Prince Andrew soll auch nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Epstein weiter mit dem Millionär befreundet gewesen sein. In den USA läuft zudem eine Klage gegen ihn wegen sexualisierter Gewalt gegen eine Minderjährige. Seine Anwält*innen hatten versucht, die Klage zu stoppen, scheiterten aber. Andrew bleibt offiziell „königliche Hoheit“, aber er werde den Titel künftig nicht mehr führen und sich im anstehenden Prozess als Zivilperson verteidigen, teilte der Buckingham-Palast mit.
Freitag, 14. Januar
Am Freitag wurde in Irland der Grundschullehrerin gedacht, die am vorangegangenen Mittwoch in der Kleinstadt Tullamore getötet wurde. Die 23-jährige Ashling Murphy war am Nachmittag joggen, als sie angegriffen wurde. Die Polizei fahndet noch nach dem Täter. Dem Stand der Ermittlungen zufolge wurde die Frau zu Tode geprügelt. „Wir glauben, dass dieses Verbrechen von einem Mann begangen wurde, der allein handelte“, sagte ein Ermittler zur Sunday Wolrd. Der Vizeregierungschef Leo Varadkar sagte: „Es gibt eine Epidemie der Gewalt gegen Frauen. Das ist schon seit Jahrtausenden so“. Präsident Michael D. Higgins rief dazu auf, darüber nachzudenken, wie Gewalt jeder Art gegen Frauen beseitigt und eine „freundlichere, mitfühlendere und empathischere Gesellschaft“ für alle erreicht werden könnte. Ja, das frage ich mich auch. Ich trauere auch um Ashling Murphy. Ich trauere mit ihren Angehörigen und mit allen, die sie vermissen. Aber ich vergesse nicht, dass die allermeisten Femizide nicht von Unbekannten verübt werden, sondern von Ehemännern und Ex-Freunden, Partnern und Vätern, Kollegen und Brüdern. Der fremde Mann, der im Gebüsch lauert, ist statistisch gesehen eine Seltenheit. Aber wir leben in einem System, das Kindern lieber vom bösen Wolf als vom gewalttätigen Prinzen erzählt. Das Frauen und weiblich gelesene Personen warnt, nachts allein unterwegs zu sein. Ein System, in dem wir lernen, bestimmte Wege zu meiden, weil sie schlecht beleuchtet sind, mit dem Hausschlüssel in der Faust nach Hause zu gehen oder ein Telefonat vorzutäuschen. Wir sind daran gewöhnt Angst zu haben, oder uns zumindest zu fragen, ob der Typ hinter uns zufällig immer näherkommt oder mit Absicht. Das System heiß Patriarchat. Es baut darauf, dass Frauen in die vermeintlich „sichere“ Sphäre des Haushaltes verbannt werden, denn draußen lauert die Gefahr. Dass sich dieses Märchen gegen jede Statistik hält, liegt auch daran, dass Männer den öffentlichen Raum tatsächlich gefährlich erscheinen lassen. Nicht alle Männer, nicht mal die meisten, aber mehr als genug halten das Gefühl von Bedrohung lebendig, indem sie catcallen, verfolgen, belästigen, bedrohen. Ich wünsche mir, dass die Tötung von Ashling Murphy nicht dazu dient, das System weiter zu stützen, dass dieser Fall nicht dazu missbraucht wird, von der eigentlichen Gefahr, die von (Ex-)Partnern ausgeht, abzulenken. Ich wünsche mir, dass Frauen und Menschen, die von anderen als Frau wahrgenommen werden, in Frieden und Sicherheit joggen und spazieren gehen können und dann in ein Zuhause zurückkehren, das ebenso sicher und friedlich ist. Aber bis es so weit ist, gehe ich trotzdem lieber auf der helleren Straßenseite.
Samstag, 15. Januar
In Colleyville, in der Nähe von Dallas im US-Bundesstaat Texas, ist es am Samstag zu einer Geiselnahme in einer Synagoge gekommen, bei der der Rabbi der Gemeinde und drei weitere Menschen über zehn Stunden lang festgehalten wurden. Der Geiselnehmer habe die Freilassung der pakistanischen Wissenschaftlerin Aafia Siddiqui erpressen wollen, die 2010 von einem New Yorker Gericht wegen Terrorvorwürfen zu 86 Jahren Haft verurteilt worden war. Spezialkräfte konnten die Geiseln befreien, der Geiselnehmer wurde getötet.
Sonntag, 16. Januar
Kurz bevor ich diesen Wochenrückblick für beendet erklären wollte, erreichte mich noch diese Meldung aus Großbritannien: „Die britische Regierung hat angekündigt, die Gebührenfinanzierung der BBC abzuschaffen.“ Das ist alles andere als eine gute Nachricht, sondern vielmehr Zeugnis, wie sich das Land unter Boris Johnson immer weiter nach rechts bewegt. Anscheinend soll sich die BBC, die weltweit ein Leuchtturm öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellt, wie Netflix oder YouTube durch Abos und eine Teilprivatisierung finanzieren, schreibt die ZEIT.