Auf Lampedusa sind erneut zwei Menschen gestorben, darunter ein Säugling, in Thüringen verbündet sich die CDU mit der AfD und in Berlin wurde ein Iran-Protestcamp angegriffen. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive #KW45.
Montag, 7. November
Die Woche begann – wie so oft – mit einem Femizid. Am frühen Montagmorgen wurde in einem Wohnhaus in Gößweinstein (Oberfranken) die Leiche einer 56-jährigen Frau entdeckt. Die Einsatzkräfte fanden direkt Anhaltspunkte für eine Gewalttat und kurz darauf wurde der 59-jährige Bruder der Getöteten festgenommen. „Gegen diesen besteht der Verdacht, die 56-jährige Frau bewusst und zielgerichtet getötet zu haben“, heißt es in der Polizeimeldung. Dieser Femizid blieb nicht der einzige in dieser Woche. Am Mittwochmorgen fand die Polizei in Warendorf bei Münster (NRW) die Leiche einer 21-Jährigen in deren Wohnung. „Die Auffindesituation deutete darauf hin, dass sie eines nicht natürlichen Todes gestorben sein könnte“, erklärten die Ermittlungsbehörden. Bislang gibt es keine Hinweise auf einen Tatverdächtigen. Ebenfalls am Mittwoch tötete mutmaßlich ein 42-Jähriger eine 31 Jahre alte Frau in einem Hotelzimmer in Leipzig. Die Sexarbeiterin aus Bulgarien wurde blutüberströmt vom Hotelpersonal gefunden. Der Tatverdächtige habe das Opfer angeblich heiraten wollen, berichtet die BILD. Am Freitag wurden in Weilheim in Oberbayern drei Menschen getötet. Der mutmaßliche Täter, ein 59-Jähriger, soll erst die beiden Frauen (Zwillingsschwestern, 57 Jahre alt) und einen 60 Jahre alten Mann getötet haben und anschließend sich selbst. Das Motiv ist noch unklar, genauso das Verhältnis der Personen zueinander. Die Polizei spricht von einer „Beziehungstat“ und gibt an, dass die Opfer und der Täter miteinander verwandt sein sollen. Laut dpa war der mutmaßliche Täter mit einer der Frauen verheiratet.
Dienstag, 8. November
Ich habe keine Ahnung, der wievielte „Einzelfall“ das ist: Ein Berliner LKA-Beamter, Michael B., wurde aus dem polizeilichen Staatsschutz versetzt. Die offizielle Begründung: Michael B. soll über Jahre private Reisen nach Russland und Belarus entgegen der Vorschrift nicht beim LKA angezeigt haben. Recherchen vom ARD-Magazin Kontraste, „Die Zeit“ und dem russischsprachigen Online-Medium „Meduza“ haben ergeben, dass Michael B. enge Kontakte zu Rechtsextremisten pflegt (u.a. zum rassistischen Netzwerk „Nordkreuz“) und Vorsitzender des „Verein für Völkerfreundschaft“ war, einer Gruppierung mit Verbindungen zur paramilitärischen russischen Kosaken-Gruppierung, die 2014 in der Ukraine kämpfte. Michael B. teilt online rassistische und islamfeindliche Posts und Inhalte von Pegida und der AfD und ist Mitglied der Facebook-Gruppe „Putinisten“. Bis vor wenigen Jahren leitete Michael B. eine Karategruppe im Sportverein des deutschen Bundestags.
Mittwoch, 9. November
Marie-Luise Vollbrecht hat vor Gericht gegen die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti) verloren. Das Landgericht Köln hat am Mittwoch die einstweilige Verfügung, die Marie-Luise Vollbrecht wegen eines Hashtags gegen die dgti erwirkt hatte, aufgehoben. Zum damaligen Zeitpunkt war der Hashtag #MarieLeugnetNS-Verbrechen zulässig. Die Berliner Biologin äußert sich auf Twitter immer wieder transfeindlich und hatte Ende Juli getwittert „Ich hasse dieses Narrativ. Es verspottet die wahren Opfer der NS Verbrechen“. Sie meinte damit, dass trans Personen im Nationalsozialismus nicht verfolgt worden seien. Das Landgericht Köln stellte nun fest, diese Äußerung sei „dahin gehend zu verstehen, dass es sich bei transsexuellen Menschen nicht um Opfer von NS-Verbrechen handelt“. Marie-Luise Vollbrecht twitterte weiterhin „Was könnten Juden tun um der Vernichtung zu entgehen? Und was konnten Transsexuelle tun“, womit sie implizierte, trans Personen hätten in der Nazi-Zeit eine Wahl gehabt, Verfolgung zu vermeiden. „Die Auslöschung queerer Geschichte, die Auslöschung von trans*, inter* und nichtbinären Kapiteln in der historischen Erinnerung des Nationalsozialismus ist eine kontinuierliche Praxis als Teil der generellen Unsichtbarmachung und Verunmöglichung von selbstbestimmtem, queerem Leben. Dem folgt auch Marie Luise“, sagte Mine Pleasure Bouvar Wenzel bei der „TERF Stören“ Kundgebung Ende September in Berlin. Die ganze Rede könnt ihr hier nachlesen.
Vollbrecht, die bei der Langen Nacht der Wissenschaften 2022 ursprünglich an der Humboldt Uni einen unwissenschaftlichen Vortrag halten sollte, sammelte inzwischen mit einem Crowdfunding über 82.000 Euro ein, um gegen ihre Kritiker*innen juristisch vorzugehen. Sie lässt sich dabei von der Kanzlei Ralf Höcker vertreten, die u.a. für den türkischen Präsidenten Erdoğan und immer wieder auch für die AfD (20% der Mandate) tätig ist. Gegen das Urteil des Kölner Landgerichts will sie „vermutlich“ in Berufung gehen.
Donnerstag, 10. November
Ich wundere mich schon sehr, dass es anscheinend schon normal ist, dass die CDU mit der AfD gemeinsame Sache macht. Den großen Aufschrei habe ich jedenfalls nicht vernommen, als die beiden Parteien am Donnerstag gemeinsam einen CDU-Antrag durchbrachten, der Thüringer Landesbehörden auffordert, in offizieller Kommunikation keinerlei gendergerechte Sprache zu verwenden. Rechtlich bindend ist das nicht, der Antrag mit dem Titel „Gendern? Nein Danke“ hat ausschließlich populistischen Wert. Der Chef der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag begründete den Vorstoß so: „In unseren öffentlichen Einrichtungen, ob Schulen, Hochschulen oder Verwaltungen, soll es klare und verständliche deutsche Sprache geben. Eine mit Steuergeld finanzierte Gendersprache lehnen wir in öffentlichen Einrichtungen ab. Wir dürfen die Lebensrealität der Menschen im Land nicht aus den Augen verlieren und ihnen von oben herab eine Sprache aufdiktieren, die die allermeisten nachweislich gar nicht wollen.“ Nun, die einzigen, die hier „von oben herab eine Sprache aufdiktieren“ sind CDU und AfD. Aber klar: Sprachpolizei sind immer die anderen.
Auch am Donnerstag
Auf Lampedusa kam am Donnerstagvormittag ein Boot mit Geflüchteten an. Unter ihnen die Leiche eines 20 Tage alten Babys. Das Kind starb womöglich an Unterkühlung, wie schon einen Tag zuvor eine junge Frau, die kurz nach ihrer Ankunft auf der Insel einen Herzstillstand erlitt. Derzeit sind 1.180 Menschen im Lager auf Lampedusa untergebracht, das eigentlich nur Platz für 400 Personen hat.
Freitag, 11. November
Die Fußball-WM der Männer in Katar steht vor der Tür und während deutsche Firmen genauso wie internationale Großkonzerne mächtig daran verdienen, regt sich bei Fans und auch einigen Teilnehmern (zaghafter) Widerstand gegen das Turnier. Die FIFA versucht jede Kritik mit allen Mitteln zu ersticken und verbietet den teilnehmenden Mannschaften jegliche Statements. Das dänische Team wollte in T-Shirts trainieren, auf denen „Human Rights for All“ steht – zu viel für die FIFA, die den Antrag ablehnte. Menschenrechte für Alle, wo kämen wir dahin?
Samstag, 12. November
Ein Protestcamp der Gruppe „Feminista Berlin“ für Frauenrechte und Demokratie im Iran wurde Samstagabend angegriffen. Ein 26-jähriger Mann soll zuerst Transparente zerstört und anschließend Aktivist*innen mit einem Messer bedroht haben. Die Polizei nahm den Angreifer vorübergehend fest, entließ ihn nach Feststellung der Personalien allerdings wieder. Das Zeltlager befindet sich vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen in Berlin-Mitte. Die Aktivist*innen fordern Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auf, den Iran politisch zu isolieren. Erst vor zwei Wochen wurde die Mahnwache vor der iranischen Botschaft von Unbekannten gewaltsam angegriffen und mit einer Schusswaffe bedroht. Drei Menschen wurden verletzt.
Sonntag, 13. November
In Istanbul hat eine Explosion auf der berühmten Istiklal-Straße sechs Menschen getötet und 53 weitere verletzt. Es ist noch vollkommen unklar, was die Detonation ausgelöst hat oder wer dafür verantwortlich ist.
Das wars für heute mit dem Wochenrückblick. Wie immer: Danke fürs Lesen. Wenn Du kannst und willst, gibt es via PayPal die Möglichkeit, ein Trinkgeld dazulassen. Oder du wirst heute Fördermitglied auf Steady und hilfst mir dabei, meine Arbeit dauerhaft zu finanzieren.