Jahresrückblicke sind so mittelbeliebt, würde ich sagen, aber bitte lest trotzdem weiter, denn ich verspreche euch, dass es in diesem (fast) nur gute Nachrichten geben und Corona garantiert nicht erwähnt werden wird.
2021, Jahr eins nach Trump, hielt mehr Positives für uns bereit, als es zunächst scheint. Leider bleiben uns die Katastrophen und Botschaften des Hasses stärker in Erinnerung als die guten Nachrichten. Aber es gab sie:
Der Duden gendert
Für die geschlechtergerechte Sprache war es ein erfolgreiches Jahr. Der Duden hat sein Online-Nachschlagwerk überarbeitet und führt Begriffe nun sowohl in der männlichen als auch in der weiblichen Form. Wo vorher nur „Der Lehrer“ stand, gibt es jetzt auch „Die Lehrerin“ und die Bedeutungen wurden entsprechend angepasst. „Lehrer“ ist nun eine „männliche Person, die an einer Schule unterrichtet“. Das generische Maskulinum ist hier also Geschichte. Auch einige Medienhäuser haben sich dem Thema Gendern gewidmet und ihre Redaktionsstatuten überarbeitet. Und auch im Bundestag wird geschlechtergerechte Sprache in Anträgen, Entschließungsanträgen und Begründungen von Gesetzesentwürfen nicht mehr „herauskorrigiert“.
Zeichen gegen Sexualisierung
Bei der Turn-Europameisterschaft im April in Basel traten die deutschen Turnerinnen erstmals in einem Ganzkörperanzug auf. Eine kleine Revolution, denn bislang war es gang und gäbe, dass die Turnerinnen in sehr knapper, Badeanzug-ähnlicher Kleidung bei Wettkämpfen antraten. Turnerinnen würden sich häufig nicht uneingeschränkt wohlfühlen, sie würden sexualisiert und ihr Schamgefühl würde durch entsprechende Fotos zusätzlich verletzt. Mit dem Auftritt setzten Sarah Voss, Elisabeth Seitz und Kim Bui ein Zeichen gegen die Sexualisierung und für die Selbstbestimmung.
Erste*r nicht-binäre*r Bürgermeister*in weltweit
In dem Städtchen Bangor im Nordwesten von Wales wurde im Mai die weltweit erste nicht-binäre Person Bürgermeister*in einer Stadt. Owen Hurcum, 23, ist jüngste*r Bürgermeister*in in Wales und die erste offen nicht-binäre Person im Amt.
Audre-Lorde-Straße in Berlin
Im Juni wurde beschlossen, dass Berlin-Kreuzberg eine Audre-Lorde-Straße kriegt. Der nördliche Teil der Manteuffelstraße (zwischen Oranien- und Köpenicker Str.) wird umbenannt. Audre Lorde lebte zeitweise in Berlin, sie lehrte als Gastprofessorin an der FU. Die Schwarze, lesbische Feministin (1934-1992) ist auf jeden Fall würdiger, auf einem Straßenschild zu stehen, als der preußische Antidemokrat Otto Theodor von Manteuffel (1805-1882).
Selbstbestimmungsgesetz in Spanien
In Spanien erhalten Menschen über 16 Jahren zukünftig die Möglichkeit, ihren Geschlechtseintrag offiziell ändern zu lassen, ohne dafür ärztliche Atteste oder Zeug*innen vorweisen zu müssen. Spanien wird dann das 16. Land auf der Welt sein, in dem die geschlechtliche Selbstbestimmung Realität wird. In Europa haben Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta und Portugal ähnliche Gesetze verabschiedet. „Das ist ein historischer Tag nach 15 Jahren ohne Fortschritte: trans Personen werden in Spanien endlich nicht mehr als krank angesehen“, sagte Gleichstellungsministerin Irene Montero von Podemos Ende Juni.
Erste trans Athlet*innen bei Olympia
Bei den Olympischen Spielen in Tokyo gewann erstmals eine offen nicht binäre trans Person eine Medaille, und zwar direkt eine goldene. Quinn, 25, nutzt die Pronomen they / them und hat sich vergangenes Jahr via Instagram geoutet. Mit der kanadischen Fußballnationalmannschaft der Frauen gewann Mittelfeldspieler*in Quinn die Goldmedaille. Dass das nicht so richtig viel Aufsehen erregte, liegt vermutlich daran, dass Quinn nicht im Verdacht steht, unfaire Vorteile gegenüber cis Frauen zu haben, wie es Laurel Hubbard vorgeworfen wurde. Hubbard ist als erste offen trans Athletin bei Olympia im Gewichtheben angetreten. Die Neuseeländerin schrieb damit Geschichte, wurde allerdings im Wettkampf der Gewichtsklasse über 87 Kilo Letzte.
Julian Reichelt ist nicht länger BILD-Chef
Eine der besten Nachrichten dieses Jahr war für mich auf jeden Fall diese: Julian Reichelt ist nicht länger Chefredakteur von BILD. Dass es dafür erst einen Artikel der New York Times brauchte – geschenkt. Reichelt, dem Machtmissbrauch, Belästigungen und Sexismus vorgeworfen werden, hielt sich lange für unantastbar, war er sich doch der Rückdeckung durch Springer-Chef Matthias Döpfner sicher. Tja, falsch gedacht, du Hundebengel.
#metoo kommt in Deutschland an
2021 war auch das Jahr, in dem #metoo so langsam in Deutschland anzukommen schien. Reichelt ist ein Beispiel dafür, aber auch die Initiative #deutschrapmetoo und der Auftritt von Maren Kroymann, Hazel Brugger und Thomas Spitzer beim Deutschen Comedy-Preis. Es bleibt zumindest ein Fünkchen Hoffnung für die Zukunft, dass Männer nicht mehr machen können, was sie wollen, ohne dass es zumindest Aufmerksamkeit erregt. Juristische Konsequenzen sind innerhalb unseres Rechtssystems leider kaum zu erwarten. Hier liegt noch viel Arbeit vor uns.
CDU ist abgewählt
Die 15 Jahre CDU-Regierung fanden in diesem Jahr ein Ende. Ob das eine gute Nachricht ist, darf Jede*r selbst entscheiden. Für mich ist es aufgrund der zukünftigen Koalition mit der FDP keine echte gute Nachricht, aber zumindest auch keine total schlechte. Ich hoffe jedenfalls, dass ich an dieser Stelle 2022 davon berichten kann, dass das transfeindliche TSG endlich durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt wurde und Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt und als Kassenleistung für ungewollt Schwangere kostenlos sein werden. Der Koalitionsvertrag ist hier zumindest vielversprechend.
Neue Gesichter im Bundestag
Die Bundestagswahlen brachten aber auch personell einige Neuerungen. Mit Awet Tesfaiesus ist erstmals ist eine Schwarze Frau Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Und mit Tessa Ganserer und Nyke Slawik sind gleich zwei offen trans Frauen Mitglieder des Parlaments. Es tut sich was, wenn auch nur langsam.
Britney Spears ist frei
Britney Spears ist frei. Seit 2008 stand die heute 39-Jährige unter der Vormundschaft durch einen Rechtsbeistand und bis vor Kurzem auch durch ihren eigenen Vater. Ein Gericht in Los Angeles erklärte diese Vormundschaft im November offiziell für beendet. Britney Spears durfte 13 Jahre lang nicht für sich selbst entscheiden oder über ihr eigenes Leben bestimmen. So sei ihr u.a. untersagt worden, ihren Freund zu heiraten und die eingesetzte Spirale zu entfernen, um noch einmal schwanger zu werden. Fans auf der ganzen Welt feierten mit Britney Spears das Ende der Vormundschaft und auch ich bin glücklich, dass es gelungen ist, die Entmündigung der Sängerin zu beenden. Denn am „Fall Britney“ lässt sich so vieles illustrieren, was im Patriarchat falsch läuft. Während ein männlicher Promi vermutlich als „Rockstar“ oder „Bad Boy“ umso beliebter werden würde, wurde Britney pathologisiert und als „Irre“ verlacht. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass Britney Spears ohne die Vormundschaft, nicht nur die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnt, sondern auch die Deutungshoheit gegen die Hunde der Boulevardmagazine verteidigen kann.
Das waren sie, die guten Nachrichten 2021. Zugegeben, so richtig viele sind mir nicht mehr eingefallen. Ergänzt gerne in den Kommentaren, über welche Nachricht ihr euch dieses Jahr gefreut habt.