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Lisa Montgomery ist die erste Frau seit 70 Jahren. die auf US-Bundesebene hingerichtet wurde. Illustration von mir.

Gerechtigkeit für wen?

Die Trump-Regierung hat mehr Menschen hinrichten lassen als jede andere US-Regierung seit dem 20. Jahrhundert. Eine von ihnen, Lisa Montgomery, wurde gestern Nacht mit der Giftspritze getötet. Es war das Ende eines Lebens voller Gewalt.

Lisa Montgomery wurde hingerichtet. Es war die erste Vollstreckung der Todesstrafe gegen eine Frau auf Bundesebene in den USA seit fast 70 Jahren. Lisa Montgomery bekam im Bundesgefängnis in Indiana eine Giftspritze und wurde am Mittwoch um 1:31 Uhr (Ortszeit) für Tod erklärt.

Trotz der massiven Zweifel an der psychischen Gesundheit von Montgomery und dem Bemühen ihrer Anwält*innen machte der Supreme Court den Weg für die Hinrichtung frei. Noch-Präsident Trump ignorierte das Gnadengesuch.

Inhaltswarnung: Mord und (sexuelle) Gewalt

Die 52-Jährige war wegen des Mordes einer schwangeren Frau zum Tode verurteilt worden. Sie hatte im Dezember 2004 die 23-jährige Bobby Jo Stinnett erwürgt, das Baby aus ihrem Bauch geschnitten und anschließend versucht, es als ihr eigenes auszugeben. Ein absolut grausames Verbrechen, für das die Täterin selbstverständlich bestraft werden muss. Jedoch ist die Todesstrafe niemals der richtige Weg, schon gar nicht bei einer psychisch schwer kranken Frau, die stark traumatisiert wurde.

Lisa Montgomery kam mit einer dauerhaften Hirnschädigung zur Welt, nachdem ihre Mutter in der Schwangerschaft getrunken hatte. Schon als Kleinkind erfuhr sie massive Misshandlungen durch ihre Mutter. Sie wurde geschlagen, ihr Mund wurde mit Klebeband zugeklebt, wenn sie ins Bett gemacht hatte, wurde sie mit eiskaltem Wasser abgeduscht und nackt verprügelt. Sie wurde von ihrem Stiefvater schon als Kind vergewaltigt.

Während ihre Schwester in eine Pflegefamilie kam, blieb Lisa Montgomery zurück. Mit 13 begann sie zu trinken. In ihren frühen Teenagerjahren wurde sie von ihrer Mutter zur Prostitution gezwungen, um etwas zum Haushaltseinkommen beizutragen. Ihre Mutter verkaufte sie an Männer, die sie in jeder Form vergewaltigten und misshandelten. Oft mehrere Male hintereinander. In dieser Zeit entwickelte Lisa Montgomery eine dissoziative Störung, als Reaktion auf die unerträgliche Belastung, der sie ausgesetzt war. Sie verlor damals den Kontakt zur Realität. Mit 18 Jahren heiratete sie ihren Stiefbruder, der ihr ebenfalls viele Jahre lang (sexuelle) Gewalt antat. Von ihm bekam sie vier Kinder, die sie vernachlässigte.

Kein fairer Prozess

Schon im Prozess wurde der geistige Zustand von Lisa Montgomery nur unzureichend berücksichtigt. Ihre männlichen Anwälte hatten keine Erfahrung mit Mandantinnen mit solch einer Geschichte. Die Anklage zeichneten das Bild einer schlechten Mutter und Hausfrau, die nicht zu den Schulaufführungen ihrer Kinder gegangen sei, nicht gekocht oder geputzt habe. Vorgebrachte Beweise ihrer jahrelangen schweren Gewalterfahrungen wurden trivialisiert und als „Ausreden“ abgetan.

Lisa Montgomery wurde ihr Leben lang misshandelt und vergewaltigt. Weder Lehrer*innen oder Nachbar*innen noch Polizei oder Jugendämter schützten sie vor diesem grausamen Leben. Natürlich kann nichts das schreckliche Verbrechen entschuldigen, dessen Opfer Bobby Jo Stinnett im Dezember 2004 wurde. Aber es gibt Erklärungen dafür, wie es zu dieser Tat kommen konnte.

Keine Gnade am Ende eines Lebens voller Gewalt

Lisa Montgomery hatte nie eine faire Chance auf ein normales, gesundes, glückliches Leben. Ihren Anwält*innen zufolge war sie angesichts der traumatischen Vorgeschichte und der psychischen Erkrankung nicht in der mentalen Verfassung, zu begreifen, dass sie hingerichtet werden würde. Ihre Anwältin Kelley Henry erklärte: „Unsere Verfassung verbietet es, jemanden hinzurichten, der nicht in der Lage ist, die Hinrichtung rational zu verstehen. Die Behörden wissen das. Und doch haben sie sie getötet.“

Eine Frau, die ihr Leben lang grausame Gewalt erfahren hat, wurde letzte Nacht von vier Männern an Armen, Beinen und der Brust auf eine Trage gefesselt und dort festgehalten, bis das Gift in ihrem Körper seine Wirkung tat. Ein Leben voller Gewalt endete gewaltsam. Ist das die Gerechtigkeit, die wiederhergestellt werden soll?

Quellen:

ZDF.de

CORNELL CENTER ON THE DEATH PENALTY WORLDWIDE

The Female Activists auf Instagram

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