Ein antifeministisches Massaker in Kanada vor 31 Jahren kann als Geburtsstunde der Incel-Bewegung verstanden werden. Trotzdem findet das Motiv des Täters bis heute kaum Beachtung.
Es war bloßer Zufall, dass ich auf den Amoklauf aufmerksam wurde, der am 6. Dezember 1989 in Montréal 14 Menschen das Leben kostete. 14 Frauen, um genau zu sein. Das Motiv des Attentäters: Frauenhass. In der Facebookgruppe „Come on over for dinner folks, we’re having inceladas“ (die ein wesentlicher Grund dafür ist, dass ich Facebook noch nicht verlassen habe) postete jemand anlässlich des Jahrestages Fotos der 14 Todesopfer.
Auch wenn ich True Crime mindestens skeptisch gegenüberstehe, hat mich dieser Massenmord, der sich vor 31 Jahren in Kanada ereignete, sofort fasziniert. Nicht wegen seiner Grausamkeit, sondern wegen seiner Unsichtbarkeit verglichen mit anderen Ereignissen dieser Art. Die Popkultur ist voller Referenzen an Massen- und Serienmörder, jedes Kind kennt Ted Bundy und Charles Manson, aber vom Montréal-Massaker haben viele – so wie auch ich bis vorgestern – noch nie etwas gehört.
Ich wollte also mehr darüber erfahren. Und was ich herausfand, ist einfach bestürzend. Ich habe ein paar Tage für diesen Text gebraucht, denn auch wenn die Ereignisse über 30 Jahre zurückliegen, hat mich die Recherche sehr berührt und emotional aufgewühlt. Ich fasse die Geschehnisse hier nochmal zusammen. Wer sensibel auf Gewalt gegen Frauen reagiert und über die Details des Massakers lieber nichts wissen möchte, kann das folgende auch einfach überspringen bzw. mit Klick auf die Überschrift einfach zuklappen.
Ich vermeide es bewusst in diesem Text den Namen des Attentäters zu nennen und folge damit den Empfehlungen der Kampagne Don’t Name Them.
Am 6. Dezember 1989, am letzten Schultag vor den Ferien, betrat ein 25-jähriger Mann, bewaffnet mit einem Gewehr und einem Jagdmesser, die Polytechnischen Hochschule (École polytechnique). Er kam mit der Absicht, Frauen zu töten. In den Klassenräumen, der Cafeteria und in den Gängen tötete er insgesamt 14 Frauen und verletzte vierzehn weitere Menschen, darunter vier Männer.
Im ersten Raum, den der Täter betrat, forderte er die Männer auf, den Raum zu verlassen, bevor er die verbleibenden neun Frauen fragte, ob sie wüssten, warum er gekommen sei. Als sie verneinten, erklärte er „Ich bekämpfe den Feminismus“ und sagte, sie – die Frauen – würden den Männern Arbeitsplätze wegnehmen: „Ihr seid alle Feministinnen und ich hasse Feministinnen!“ Die 23-jährige Nathalie Provost erklärte, sie sei keine Feministin, sie habe auch noch nie gegen Männer gekämpft. Sie seien einfach nur normale Maschinenbau-Studentinnen. Der Täter eröffnete das Feuer auf die Frauen, von links nach rechts feuerte er 30 Kugeln ab. Die Frauen fielen zu Boden, blutend. Nathalie Provost und zwei ihrer Kommilitoninnen überlebten schwer verletzt, sechs starben: Hélène Colgan (23), Nathalie Croteau (23), Annie St-Arneault (23), Barbara Daigneault (22), Sonia Pelletier (28) und Anne-Marie Lemay (22).
Der Attentäter verließ den Klassenraum, schoss im Kopierraum auf drei weitere Personen, einen Mann und zwei Frauen, die verletzt überlebten, und betrat dann einen weiteren Klassenraum und richtete seine Waffe auf eine Studentin. Zu ihrem Glück funktionierte das Gewehr nicht und der Amokläufer zog sich ins Treppenhaus zurück, wo er seine Waffe nachlud. Er kehrte zu dem Raum zurück, wo er zuvor die Studentin erschießen wollte, doch sie hatte die Tür verriegelt und der Attentäter schaffte es nicht, sich Zutritt zu verschaffen. Er ging anschließend durch das Foyer, wo er auf eine Frau schoss, die bei den Aufzügen wartete. Sie konnte sich ins Treppenhaus flüchten. Nachdem er erneut nachgeladen hatte, lehnte er sich im Foyer über einen Schalter, wo sich eine Person versteckte, er schoss zwei Mal auf sie, traf aber beide Male nicht. Der Täter ging weiter durch das Gebäude und fand in einem der Räume Maryse Laganière (25), die in der Buchhaltung arbeitete. Sie hatte versucht, sich vor dem Attentäter zu verstecken, als er sie sah, schaffte sie es noch, die Tür zu verriegeln, doch leider hatte der Raum ein Fenster zum Gang, durch dass der Täter sie erschoss. Der zweite Schuss tötete sie auf der Stelle.
Der Täter begegnete auf seinem Weg durch das Gebäude männlichen Studenten, an denen er, Augenzeugenberichten zufolge, grinsend vorbei ging, die Waffe im Anschlag. Er betrat anschließend die Cafeteria, wo sich zahlreiche Menschen aufhielten, teilweise zum Essen, teilweise zur Feier des letzten Schultags. Sie hatten vom Amoklauf nichts mitbekommen und nahmen den Täter zunächst nicht ernst als er hereinkam. Barbara Klucznik Widajewicz, Studentin der Pflegewissenschaft, war an diesem Tag mit ihrem Ehemann zum Mittagessen in die Cafeteria gekommen. Der Täter erschoss die 31-Jährige in der Schlange der Essensausgabe. Das Ehepaar war erst zwei Jahre zuvor nach Kanada gekommen, in das, aus ihrer Sicht, sicherste Land der Welt. Der Täter verletzte eine weitere Person in der Cafeteria, bevor er in einem angrenzenden Lagerraum Geneviève Bergeron (21) und Anne-Marie Edvard (21) entdeckte, die sich dort verstecken wollten. Die Freundinnen hielten einander im Arm. Er tötete beide.
Anschließend begab sich der Amokläufer in den dritten Stock. Auf dem Weg dahin schoss er auf weitere Personen, verletzte zwei Männer und eine Frau. Im Raum 311 befanden sich 26 Studierende und zwei männliche Lehrer. Drei Studierende hielten gerade eine Präsentation, darunter Maryse Leclair (23). Die Studentin stand gerade in der Tafel, als der Täter den Raum betrat. Er schoss ihr in den Bauch. Sie fiel zu Boden und blieb blutend liegen. Der Täter schoss auf die Studierenden in der ersten Reihe, zwei Studentinnen rannten Richtung Tür, aber der Attentäter schnitt ihnen den Weg ab, schoss auf sie. Michèle Richard (21) und Maud Haviernick (29) starben im Klassenraum. Der Täter schoss noch auf weitere Personen im Raum 311, verletzte drei und tötete Annie Turcotte (20). Er betrat anschließend das Podest, auf dem Maryse Leclair in ihrem Blut lag, er zog sein Jagdmesser und stach ihr drei Mal ins Herz.
Nachdem er das Messer saubergewischt hatte, legte er es mit der verbliebenen Munition und seinem Basecap auf ein Pult, sprach seine letzten Woche und richtete anschließend das Gewehr gegen sich selbst. Das Massaker war zu Ende. 14 Menschen waren tot, 14 weitere verletzt.
Nach dem Massaker
Im Nachgang der Tat ging es zunächst vor allem um die Versäumnisse der Polizei. Das Motiv des Attentäters, der fundamentale Hass auf Frauen, wurde sowohl von zahlreichen Medien als auch von offiziellen Stellen zum großen Teil ignoriert oder sogar geleugnet. Und das, obwohl der Täter während der Tat mehrfach rief, dass er Frauen töten und den Feminismus bekämpfen wolle. In seinem „Abschiedsbrief“, den die Polizei zunächst unter Verschluss hielt, erklärt der Attentäter detailliert seine „politischen Gründe“. Er greift der Berichterstattung vor, indem er deutlich sagt, er sei kein „mad killer“, sondern handle vollständig rational.
Das 1 x 1 der Antifeministen
Der Attentäter erklärt, Feministinnen hätten ihn schon immer wütend gemacht. Frauen wollten ihre Privilegien behalten, wie vergünstigte Eintrittspreise und Mutterschaftsurlaub, aber griffen nach den Vorrechten der Männer. Feministinnen seien opportunistisch, sie würden vom Wissen profitieren, das Männer über die Jahrhunderte angehäuft hätten, würden aber immer versuchen Männer schlecht dastehen zu lassen. Er echauffiert sich darüber, dass Feministinnen die „kanadischen Männern und Frauen“ feierten, die während der Weltkriege an den Frontlinien gekämpft hätten, obwohl es doch offensichtlich keine Frauen an der Front gegeben hätte. Was kommt als nächstes, fragt er rhetorisch? In seinem „Abschiedsbrief“ reiht sich ein antifeministischer Klassiker an den nächsten. Schaut man heute in die Kommentarspalten auf Social Media, finden sich dort viele der „Argumente“ des misogynen Massenmörders wieder.
Der „Suicide Note“ beigefügt war eine Liste mit den Namen von 19 Frauen, die der Amokläufer für Feministinnen hielt und die er deshalb töten wollte. Er habe nur nicht ausreichend Zeit gehabt, weil er zu spät begonnen habe.
Ein Jahr nach der Tat gelangte diese Liste an die Presse. Die Zeitung „La Presse“ veröffentlichte die Namen und Fotos der Frauen, darunter eine Politikerin, sechs Polizistinnen, eine Gewerkschaftsführerin, eine Journalistin und Quebecs erste Feuerwehrfrau. Teilweise erhielten die Genannten nach der Veröffentlichung anonyme Drohungen.
Die stummen Töchter
In den Medien wurden die 14 Todesopfer mehrheitlich nur als die „Töchter“ bezeichnet. So als wären es nicht eigenständige erwachsene Frauen gewesen, sondern lediglich die weiblichen Familienangehörigen von Dritten. Andere Medien leugneten aktiv, dass das Massaker etwas mit dem Geschlecht der Opfer zu tun gehabt hätte. Sie bezeichneten es als „Angriff gegen die Menschheit“. Nach dieser Lesart sei die Gewalt an sich das eigentliche Problem. Der Täter wurde als „mad man“, als Verrückter, Geisteskranker, dargestellt. In einem Zeitungsbericht wurde ein Psychologe zitiert, der den Attentäter als „genauso unschuldig wie seine Opfer“ bezeichnete, als ein „Opfer einer gnadenlosen Gesellschaft“. So wurden die Taten entpolitisiert. Die Medien bemühten sich nach Kräften, Details über das Leben des Amokläufers in Erfahrung zu bringen. Sie ließen ihn sympathisch wirken, zeichneten das Bild der „schweren Kindheit“. In Kanada kannte jeder seinen Namen, während die Opfer überwiegend namenlos und unbekannt blieben.
Die Trauerfeier, die fünf Tage nach der Tat in Montréal stattfand, wurde von männlichen Rednern dominiert. Frauen spielten einzig als stumme Särge eine Rolle. Die Frauen, mit ihren individuellen Geschichten, Persönlichkeiten, Zielen und Träumen, wurden als Schneewittchen in weißen Särgen inszeniert.
Die Logik der Misogynie
Die Frauen, die vom Amokläufer getötet wurde, wurden nicht deshalb getötet, weil sie die Töchter, Freundinnen, Ehefrauen von jemandem waren, sondern weil sie selbstbewusste Frauen in einem von Männern dominierten Umfeld waren. Der Täter hatte die polytechnische Hochschule bewusst ausgewählt. Er wählte keine Mädchenschule, sondern eine Ingenieurs-Hochschule, um diejenigen Frauen zu töten, die es „wagten“ einen „Männerberuf“ zu studieren.
Hier liegt die „Logik der Misogynie“ begründet, die auch die Wissenschaftlerin Kate Manne in ihrem gleichnamigen Buch beschreibt. Ein Frauenhasser hasst nicht notwendigerweise alle Frauen. Er hasst diejenigen, die sich von der ihnen zugeschriebenen Rolle abweichend verhalten. Kate Manne schreibt: „Deshalb richten sich misogyne Feindseligkeiten häufig selektiv gegen bestimmte Frauen, nicht gegen alle, und können bei einzelnen Akteuren aus vielen verschiedenen Gründen erwachsen.“ So auch im Falle des Montréal-Massakers. Der Attentäter hatte sich um einen Studienplatz an der Polytechnischen Hochschule beworben, war aber abgelehnt worden, weil ihm ein Vorkurs fehlte. Möglicherweise wollte er sich an den Frauen rächen, die im Unterschied zu ihm einen Platz erhalten hatten. Doch unabhängig von diesem möglichen Zusammenhang, muss der Frauenhass des Täters als global verstanden werden. Zeug*innen zufolge hatte er sich schon Jahre vor dem Attentat mehrfach misogyn geäußert. Er verachtete „Karrierefrauen“. Der Täter verfolgte mit seinen Taten eine politische Agenda. Kate Manne schreibt: „Denn obwohl Misogynie häufig einen persönlichen Ton anschlägt, ist es am produktivsten, sie als politisches Phänomen zu begreifen. Ich vertrete insbesondere die Ansicht, dass Misogynie als System zu verstehen ist, das innerhalb der patriarchalischen Gesellschaftsordnung dafür sorgt, dass die Unterwerfung von Frauen durchgesetzt und kontrolliert und die männliche Herrschaft aufrechterhalten wird.“
Incel ohne Bewegung
Der Massenmörder von Montréal erfüllt viele Kriterien, um ihn als Incel zu kategorisieren. Der Begriff Incel ist ein Neologismus, kreiert aus dem englischen Ausspruch „involuntary celibate“, also unfreiwillig zölibatär. Es ist eine Selbstbezeichnung von Männern, die sich seit den frühen 2000er Jahren in Internet-Communitys über ihren Hass auf Frauen austauschen. Die Autorin Veronika Kracher sagt: „Vor allem drei Aspekte zeichnen die ‚Incel‘-Szene aus: Frauenhass, Selbstmitleid und ein fast pathologisches Opferdenken. ‚Incels‘ sehen sich als Opfer von de facto allem.“ So auch der Attentäter von Montréal. Feministinnen hätten sein Leben zerstört schriebt er in seinem „Abschiedsbrief“, er gab Frauen die Schuld daran, dass er nicht zu den kanadischen Streitkräften zugelassen wurde. Als Jugendlicher wurde er u.a. wegen seiner Akne gehänselt. Er habe sich eine Freundin gewünscht, sei aber bei Mädchen nie gut angekommen. Die heutige Incel-Bewegung zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass ihre Anhänger glauben, aufgrund ihres Aussehens von Frauen diskriminiert zu werden. Vor der angeblichen „sexuellen Revolution“ hätten auch unattraktive Männer eine Partnerin gefunden, nun aber habe der Feminismus dafür gesorgt, dass Frauen nur mit den gut aussehenden Männern ins Bett gehen würden. „Man soll die Augen aufmachen, die starke natürliche Männlichkeit zurückholen und Frauen ihrem Platz zuweisen – nämlich als Hausfrau, Mutter und fickbares Objekt“, sagt Veronika Kracher über die Ideologie der Incels. Als der Attentäter von Montréal sein Massaker verübte, gab es noch keine Incel-Foren. Er fühlte sich vermutlich ziemlich allein mit seinen hasserfüllten Gedanken. Doch weder hat er den Hass auf Frauen erfunden, noch sind seine Überzeugungen mit ihm gestorben. Weitere antifeministische Attentate folgten, von denen vor allem die Isla-Vista-Morde aus dem Jahr 2014 und die Amokfahrt von Toronto 2018 Aufsehen erregten. Auch bei den Terrorakten von Oslo und Utøya (2011), Halle (2019), Christchurch und Hanau (2020) waren Antifeminismus und Hass auf Frauen Teil der Motivlage. Veronika Kracher glaubt, dass solche Anschläge „eine Wiedergutmachung der narzisstischen Kränkung sind“, sozusagen „ein konsequenter Moment der Mannwerdung“. Die Täter seien „Männer, die sich permanent davon gekränkt fühlen, keinen Sex zu haben. Sie glauben, dass ihnen etwas zustünde und wollen als Soldaten in ihren Krieg gegen die Moderne ziehen – sei das in einen Krieg gegen Migranten, Juden oder den Feminismus. Diese Männer sehen sich zu Größerem berufen, müssen aber permanent erfahren, dass sie nur Würmer im Kompost des Spätkapitalismus sind.“ So wie der Attentäter von Montréal am 6. Dezember 1989.
Unvergessen: Die Opfer des Montréal-Massakers
Geneviève Bergeron
Geneviève Bergeron wäre heute 52 Jahre alt. Als sie getötet wurde, studierte sie Bauingenieurwesen. Sie arbeitete gerade an einem Computer-Projekt. Von ihrer Schwester wurde sie als „Sonnenschein“ beschrieben. Sie war Stipendiatin, spielte Klarinette und sang in einem professionellen Chor. Sie war sich noch nicht sicher, ob sie nach dem Abschluss Ingenieurin sein wollte oder doch Musikerin.
Hélène Colgan
Hélène Colgan wäre heut 54 Jahre alt. Als sie getötet wurde, studierte sie Maschinenbau. Sie hatte bereits drei Jobangebote für die Zeit nach dem Abschluss. Sie war die beste Freundin von Nathalie Croteau.
Nathalie Croteau
Nathalie Croteau wäre heute 54 Jahre alt. Als sie getötet wurde, war sie im letzten Jahr ihres Maschinenbau-Studiums. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Hélène Colgan wollte sie in den bevorstehenden Ferien einen zweiwöchigen Urlaub in Cancún, Mexiko, machen.
Barbara Daigneault
Barbara Daigneault wäre heute 53 Jahre alt. Als sie getötet wurde, stand sie kurz vor ihrem Abschluss als Maschinenbau-Ingenieurin. Sie teilte sich ein Appartement mit ihrem Bruder. Ihr Vater lehrte Maschinenbau an einer anderen Hochschule in Montréal. Barbara assistierte ihm gelegentlich.
Anne-Marie Edward
Anne-Marie Edward wäre heute 52 Jahre alt. Als sie getötet wurde, studierte sie Chemieingenieurwesen. Sie war sehr sportlich, liebte Skifahren, Tauchen und Reiten. Sie hatte einen großen Freundeskreis und war gerade erst für das Ski-Team der Hochschule nominiert worden.
Maud Haviernick
Maud Haviernick wäre heute 60 Jahre alt. Als sie getötet wurde, studierte sie Werkstofftechnik. Sie hatte bereits einen Abschluss in Umweltdesign, war aber zurück an die Hochschule gegangen, um sich ihren Traum zu erfüllen und Ingenieurin zu werden. Sie hatte zwei Schwestern und lebte mit ihrem Langzeit-Freund zusammen. Sie galt als „energiegeladen“.
Barbara Klucznik-Widajewicz
Barbara Klucznik-Widajewicz wäre heute 62 Jahre alt. Als sie getötet wurde, war sie Studentin der Pflegewissenschaft. Sie war erst zwei Jahre zuvor mit ihrem Ehemann aus Polen nach Kanada gekommen. An ihrem Todestag waren sie in der Cafeteria, weil sie beschlossen hatten, dort gemeinsam zu essen.
Maryse Laganière
Maryse Laganière wäre heute 56 Jahre alt. Als sie getötet wurde, arbeitete sie als Angestellte in der Buchhaltung der Hochschule. Sie hatte erst kürzlich geheiratet und ihr Ehemann wartete am Tag des Massakers vor der Hochschule, um sie von der Arbeit abzuholen.
Maryse Leclair
Maryse Leclair wäre heute 54 Jahre alt. Als sie getötet wurde, studierte Werkstofftechnik. Sie hatte noch ein Jahr bis zu ihrem Abschluss vor sich und war eine der besten Studierenden an der Hochschule. Die älteste von vier Schwestern wurde als „brillant“ und als „eine Frau von Charakter“ beschrieben. Ihr Vater war Kommunikationsdirektor der Polizei von Montréal. Aus beruflichen Gründen war er als einer der ersten am Tatort. Er fand die Leiche seine Tochter.
Anne-Marie Lemay
Anne-Marie Lemay wäre heute 53 Jahre alt. Als sie getötet wurde, studierte sie Maschinenbau. Sie war als hilfsbereit bekannt und hatte eigentlich Medizin studieren wollen, aber ihre Noten reichten dafür nicht aus. Sie war Sängerin in einer Band und sammelte Sponsoringgelder, um eine Klassenfahrt nach Übersee zu realisieren.
Sonia Pelletier
Sonia Pelletier wäre heute 59 Jahre alt. Als sie getötet wurde, studierte sie Maschinenbau. Sie war das jüngste von acht Kindern und Klassenbeste. Der Tag ihres Todes war ihr letzter Schultag vor den finalen Prüfungen. In der Woche danach hätte sie ein Vorstellungsgespräch gehabt.
Michèle Richard
Michèle Richard wäre heute 52 Jahre alt. Als sie getötet wurde, studierte sie Werkstofftechnik im zweiten Jahr. Von ihrer Familie wurde sie „Mimi“ genannt. Sie war die Tochter einer stolzen Alleinerziehenden und hatte eine jüngere Schwester. Sie war kurz davor zu heiraten und hatte anlässlich dessen wieder Kontakt mit ihrem Vater aufgenommen. Sie hoffte, dass er zu ihrer Hochzeit kommen würde. Ein Jahr nach dem Massaker nahm sich ihr Vater das Leben.
Annie St-Arneault
Annie St-Arneault wäre heute 54 Jahre alt. Als sie getötet wurde, studierte sie Maschinenbau im letzten Jahr. Am Folgetag hätte sie ein Vorstellungsgespräch gehabt. Neben ihren Karriereplänen hatte sie vor, ihre Jugendliebe zu heiraten.
Annie Turcotte
Annie Turcotte wäre heute 51 Jahre alt. Als sie getötet wurde, war sie im ersten Jahr ihres Werkstofftechnik-Studiums. Sie lebte mit ihrem Bruder in einer kleinen Wohnung unweit der Hochschule. Sie war eine begabte Studentin und hatte ein Stipendium. Sie liebte es, an Autos herum zu basteln und das gemeinsame Backen mit ihrer Mutter. Sie wurde als sanftmütig und sportlich beschrieben. Sie träumte davon, die Welt besser zu machen.
Relevante Quellen:
- Canadian True Crime Podcast
- Kate Manne: Down Girl. Die Logik der Misogynie, Suhrkamp Verlag 2019.
- Maureen Bradley: Reframing the Montreal Massacre (1995)
- CBC News Interview mit École Polytechnique survivor Nathalie Provost.
Vielen Dank für die Erinnerung an die Opfer.