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Illustration, Foto und Montage von mir.

Don’t mess with us, Klaus Günther!

Kristina Hänel wehrt sich vor Gericht gegen Klaus Günther Annen, der seit Jahren Ärzt*innen verleumdet und belästigt, in Brasilien wird ein zehnjähriges Vergewaltigungsopfer von Abtreibungsgegner*innen bedroht, Kanada bekommt eine Finanzministerin und auf Radio Fritz wird nun geschlechtergerecht gesprochen. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW34

Montag, 17. August
In Brasilien wird eine Zehnjährige von radikalen Abtreibungsgegner*innen bedroht. Das Mädchen wurde seit ihrem sechsten Lebensjahr von ihrem Onkel vergewaltigt und hat eine daraus entstandene Schwangerschaft abgebrochen. Für den Eingriff musste sie 900 km weit reisen, da ihr der Eingriff vom Krankenhaus in ihrem Bundesstaat verwehrt wurde.

Die rechtskonservative Politikerin Sara Winter hatte den Namen des Mädchens und die Klinik, in der die Abtreibung durchgeführt werden sollte, im Internet veröffentlicht. Winter, die bis vor Kurzem im Frauen- und Familienministerium für „Mutterschaftspolitik“ verantwortlich war, ist eine radikale Abtreibungsgegnerin und steht dem Machthaber Bolsonaro nahe. Auch die aktuelle Frauen- und Familienministerin, Damares Alves, eine evangelikale Priesterin und Bolsonaro-Anhängerin, machte ihr Bedauern über das Recht des Mädchens auf den Schwangerschaftsabbruch öffentlich.

Radikale Abtreibungsgegner*innen versammelten sich daraufhin vor dem Krankenhaus und versuchten einzudringen. Den zuständigen Arzt bezeichneten sie als „Mörder“.

Feministische Gruppen und Einzelpersonen zeigten sich solidarisch und unterstützen das Mädchen. Sie kamen auf der Straßen zusammen und skandierten Sprechchöre, die an die aus Chile stammende Protest-Performance „Un violador en tu camino” erinnern.

Elisa Aníbal, eine feministische Aktivistin aus dem Bundesstaat Recife sagte zum Guardian: „By the end of the day there were more than 150 people there supporting that girl … women, trans people, black people, young people … and when we looked at the other group they were mostly old white men in suits, with just few women among them.“

In Brasilien werden stündlich vier brasilianische Mädchen unter 13 Jahren vergewaltigt, meistens von Verwandten, heißt es im „Jahrbuch für öffentliche Sicherheit“. Dem Guardian zur Folge, werden in Brasilien eine halbe Million Schwangerschaften illegal abgebrochen, das heißt, dass jede Minute eine Frau eine illegale Abtreibung durchführt. Die brasilianischen Abtreibungsgesetze stammen größtenteils aus den 1940er Jahren und verbieten Schwangerschaftsabbrüche bis auf wenige Ausnahmen.

Dienstag, 18. August
Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau will Medienberichten zufolge die 52-jährige Chrystia Freeland zur neuen Finanzministerin machen. Die stellvertretende Regierungschefin wäre dann die erste Frau im Amt.

In der Bundesrepublik Deutschland gab es noch nie eine Finanzministerin. Und mit Brigitte Zypries auch erst eine einzige Wirtschaftsministerin. Bestimmte Ministerien scheinen weniger für eine weibliche Führung geeignet zu sein als andere. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, das Verhältnis von weiblichen und männlichen Minister*innen seit 1949 (einige Ministerien wurden erst später gegründet) darzustellen. Spoiler: Vier von 14 aktuellen Bundesministerien wurden bislang ausschließlich von Männern geführt.

Mittwoch, 19. August
Radio Fritz, auch bekannt als der „Jugendsender“ des RBB, hat angekündigt, ab dem 1. September in allen Nachrichtensendungen das „Gendersternchen“ zu sprechen. Damit ist Fritz der erste (öffentlich-rechtliche) Radiosender in Deutschland, der eine geschlechtergerechte Sprechweise konsequent umsetzen will, zumindest in den Nachrichten. Den übrigen Moderator*innen soll es freigestellt sein, ob und wie sie die Geschlechtergerechtigkeit in der eigenen Sprache umsetzen.

Die Programmchefin Karen Schmied erklärte, der Wunsch nach geschlechtergerechter Nachrichtenmoderation sei aus der Redaktion selbst gekommen und sie glaubt daran, dass es auch dem Wunsch der Zielgruppe entspricht. Trotzdem rechnet sie auch mit Beschwerden von Hörer*innen, die sich mit der neuen Sprechweise (kurze Pause vor dem „innen“) nicht abfinden wollen.

Das wird auch schon auf Twitter deutlich, wo sich (überwiegend) männliche Nutzer über diese „Zwangsweise Volkserziehung“ und „Sprachvergewaltigung“ echauffieren. Tja, Pech, Jungs, gewöhnt euch doch einfach dran.

Wer noch Schwierigkeiten mit der Aussprache des Gendersternchens hat, kann mit anderen Worten üben, wie „be*inhalten“, „Hühner*ei“ oder „Heb*amme“. Diese kurze Sprechpause wird in der Phonetik „Glottisschlag“ genannt.

Donnerstag, 20. August
Die Deutsche Welle hat eine lesenswerte Kolumne von Anabel Hernández über Femizide in Mexiko veröffentlicht. Offiziell gelten 56 % des mexikanischen Staatsgebietes als gefährlich für Frauen, zwischen 2015 und Juni 2019 wurden mindesten 3080 Frauen ermordet. Die Kolumne versucht sich an der schwierigen Analyse der Gründe für diese extreme Gewalt. Anabel Hernández fordert eine fundierte Untersuchung, an der sich sowohl nationale als auch internationale Organisationen beteiligen müssen, aber auch Journalist*innen und die Zivilgesellschaft.

Freitag, 21. August
Die Gießener Ärztin und feministische Heldin Kristina Hänel hat eine Unterlassungsklage gegen den fanatischen Abtreibungsgegner Klaus Günther Annen eingereicht. Am Freitag fand der Prozess am Hamburger Landgericht statt. Der evangelikale Christ Annen vergleicht Schwangerschaftsabbrüche auf seiner widerlichen Webseite „Babycaust.de“ mit dem Holocaust und zeigt unter Berufung auf § 219a StGB seit Jahren immer wieder Ärzt*innen an, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Kristina Hänel reichte es jetzt.

„Klaus Günter Annen stellt mich und andere Ärztinnen und Ärzte auf eine Stufe mit den Verbrechern des Nationalsozialismus, die in den Konzentrationslagern Millionen Menschen unter schrecklichsten Bedingungen gequält und getötet haben. Er bezeichnet mich u.a. als „Entartete“. Mit seinen Holocaustvergleichen diffamiert Herr Annen nicht nur uns medizinische Fachkräfte, sondern auch jede ungewollt Schwangere. Sie bekommt vermittelt, dass das, was sie tut, schlimmer sei als die Verbrechen der Nationalsozialisten.“

Kristina Hänel in einer Pressemitteilung

Laut ihrem Rechtsanwalt wird das Gericht am Montag „ein Versäumnisurteil gegen Annen erlassen, ihm alle Holocaust-Vergleiche gegen unsere Mandantin verbieten und ihn zu einer Geldentschädigung verurteilen.“

Samstag, 22. August
Eigentlich hätte heute in Hanau eine große Gedenkveranstaltung für die Opfer des rassistischen Attentats am 19. Februar stattgefunden. Doch der Hanauer SPD-Oberbürgermeister verhängte am Vorabend ein Verbot der Demonstration, angeblich wegen der ansteigenden Zahl von Corona-Neuinfektionen. Zur Hanauer Demo wurden 3.000 bis 5.000 Teilnehmende aus mehr als 30 Städten erwartet, die Veranstalter*innen hatten der Stadt ein umfassendes Hygienekonzept vorgelegt. Während über Fußballspiele mit Zuschauer*innen diskutiert wird, Sarah Connor in weniger als zwei Wochen vor 13.000 Leuten in Düsseldorf auftreten will und Corona-Leugner*innen zu Demos durchs ganze Land reisen, wird das Gedenken von Opfern rechter Gewalt behindert und verboten. Es ist ein deutliches Zeichen, wo Deutschland seine Prioritäten setzt: Gewalt und Terror gegen Migrant*innen? Wen interessiert’s?!

Auffällig ist in diesem Zusammenhang nicht nur, aus welcher Ecke die Empörung über diesen würdelosen Umgang mit den von Rassismus betroffenen Menschen geäußert wird (überwiegend BIPoCs), sondern auch, welche Medien sich dem Thema widmen. Es sind vor allem die als „Jugendmedien“ belächelten Formate, wie bento, jetzt.de und ze.tt, die auch sechs Monate später noch über den Anschlag, die Opfer, die Hinterbliebenen und das Motiv (Rassismus) sprechen.

Bei Bento gibt es gerade eine eindrucksvolle Artikel-Serie unter dem Titel „Saying Their Names: Was die Familien der Opfer von Hanau zu sagen haben“. Franziska Bulban und Carolina Torres haben jeweils zweistündige Gespräch mit Angehörigen geführt und veröffentlichen die sehr berührenden Protokolle nach und nach.

Sonntag, 23. August
Die ARD teasert den Film „Alles ist gut“ in der Mediathek mit folgendem Text: „Wenn man die Dinge nicht zum Problem macht, hat man auch keins. Mit dieser Haltung begegnet Janne auch dem Umstand, dass der Schwager ihres neuen Chefs gegen ihren Willen mit ihr geschlafen hat.“ Bitte was?! Das ist eine Vergewaltigung, liebe ARD. Nennt es auch so.

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