Christine Finke, Stadträtin in Konstanz, hat knapp 18.000 Follower*innen auf Twitter. Diese Reichweite nutzte sie am Mittwoch, um ihren Brief an Lisa Paus zu verbreiten, in dem sie vor dem Selbstbestimmungsgesetz warnt. Im Gestus der besorgten Mutter richtet sie sich an die Familienministerin und verpackt transfeindliche Narrative in mitunter watteweiche Formulierungen. Der Brief, den sie mit unangenehmen Rumgekumpel beginnt („vor 4 Jahren liefen wir gemeinsam auf der ersten Demo gegen Kinderarmut mitten durch Berlin und unterhielten uns“) enthält das 1×1 der TERF-Ideologie. Aber der Reihe nach.
„Es bereitet mir, wie Sie auf Twitter vielleicht mitbekommen haben, große Bauchschmerzen, wie wenig beim kommenden Selbstbestimmungsgesetz an die Belange von Frauen, insbesondere traumatisierten Frauen, gedacht wird.“
Finke spricht von „Bauchschmerzen“, also einem körperlichen Unwohlsein, das gleichermaßen unverschuldet wie legitim ist (für Bauchschmerzen kann niemand etwas). Das ist unehrlich. Denn es geht hier nicht um Schmerzen, sondern um eine politische Meinungsäußerung. Indem Finke ihre Einwände als „Bauchschmerzen“ verpackt, entzieht sie sich der Verantwortung für das, was folgt.
Sie stellt in diesem Satz weiterhin die Behauptung auf, beim Selbstbestimmungsgesetz würde nicht, bzw. wenig „an die Belange von Frauen, insbesondere traumatisierten Frauen, gedacht“. Das ist natürlich strategisch, weshalb sie für diese Behauptung auch keine Belege braucht (selbst wenn es welche geben würde). Christine Finke setzt hier das Standard-Framing aus dem TERF-Handbuch: Selbstbestimmung für trans Personen als Gefahr für die Frauen. Diese Absicht wird auch darin deutlich, dass für Finke „Frauen“ gleichbedeutend mit cis Frauen sind. Denn andernfalls müsste sie eingestehen, dass es beim Selbstbestimmungsgesetz sehr wohl um Frauen, insbesondere traumatisierte Frauen geht: trans Frauen.
„Ich habe in den vergangenen Tagen mit einigen grünen Frauen gesprochen (auf allen politischen Ebenen), und fast alle von denen hatten keine Ahnung, um was es bei dem Selbstbestimmungsgesetz und dem sehr lauten Streit darüber eigentlich geht. Das verstehe ich, denn in der Politik gibt es gerade wirklich akute, dringende Themen, und niemand hat Zeit, sich in der Tiefe mit allen Themen zu befassen.“
Dass viele „keine Ahnung“ haben, „um was es bei dem Selbstbestimmungsgesetz“ geht, ist wahrscheinlich sogar wahr. Doch das liegt nicht daran, wie von Finke suggeriert, dass hier etwas Dunkles und Gefährliches lauert. Das Eckpunktepapier zum Selbstbestimmungsgesetz ist relativ klar formuliert und transparent. Christine Finke stellt es nun so dar, als verbürge sich im Gesetz in Wahrheit etwas ganz anderes.
„Natürlich sollen trans Personen Schutz vor Gewalt und Diskriminierung erfahren, und natürlich muss das Transsexuellengesetz reformiert werden. Darüber, dass jeder Mensch Menschenrechte hat, müssen wir nicht diskutieren. Allerdings ist es mir ein wichtiges Anliegen, dass die Neuausgestaltung der Gesetzeslage nicht zulasten von Kindern und Frauen geht.“
Trans Rechte sind Menschenrechte, aber… – Christine Finke spielt hier die abgefledderte Ich-habe-ja-nichts-gegen-XY-Aber-Karte und setzt die Rechte von trans Personen erneut in einen Zusammenhang mit der Gefährdung von Frauen (auch hier wieder: cis Frauen) und (cis!!!) Kindern. Das ist bewusstes Framing. Sie versucht sich zudem von dem Vorwurf der Transfeindlichkeit zu schützen, indem sie schreibt, dass „trans Personen Schutz vor Gewalt und Diskriminierung erfahren“ sollen. Nur ist auch das leider ein klassischer TERF-Move, die ja auch nichts anderes fordern. Nach deren Logik sollen trans Personen Rechte haben, aber eben „Sonderrechte“ und getrennt von cis Frauen und cis Kindern.
„Aber das Gesetz wird Auswirkungen auf vielen Ebenen haben, es geht absolut nicht nur um eine Änderung des Personenstands und des Vornamens, auch wenn dies von Befürwortern gerne so dargestellt wird.“
Auch hier wieder: Angeblich wird das Selbstbestimmungsgesetz als trojanisches Pferd eingeführt, und zwar aus boshafter Absicht der „Befürworter“ (nur zufällig im generischen Maskulinum oder vielleicht doch eher bewusst?), die es anders darstellen würden. Christine Finke lässt hier bewusst aus, dass Befürworter*innen des Selbstbestimmungsgesetzes sehr wohl über mehr reden als nur die Änderung des Namens und des Personenstandes. Zum Beispiel hier, im Kommentar des TransInterQueer e.V. oder hier in der Stellungnahme vom bv trans.
Christine Finke fährt fort mit einer Auflistung der Punkte, die sie „in Sachen Selbstbstimmungsgesetz für besonders problematisch hält“.
„Viele Frauen werden Opfer von Gewalt durch Männer. Etliche Frauen sind traumatisiert, und gerade sie brauchen reine Frauenräume. Dabei meine ich nicht nur Frauenhäuser, die ja Einzelfallentscheidungen bei trans Personen treffen können und dies sicherlich verantwortungsvoll tun, sondern sämtliche Räume, in denen Frauen bisher unter sich sein können.“
Christine Finke macht auch hier wieder deutlich, dass trans Frauen für sie keine Frauen sind. Wenn sie „reine Frauenräume“ sagt, meint sie ausschließlich cis Frauen. Für mich klingt dabei die faschistische Reinheit an, der biologistische Essentialismus aus der TERF-Mottenkiste. „Sämtliche Räume, in denen Frauen bisher unter sich sein können“, welche sind das aus Sicht Christine Finkes? Sie konkretisiert es hier nicht, aber es hört sich nach den üblichen Toilettenräumen und Schwimmbad-Umkleidekabinen an, die jedes Mal bemüht werden, wenn es um trans Frauen geht. Ich kann nicht behaupten, mich an öffentlichen Orten wie diesen jemals „wohl“ gefühlt zu haben. Bei Christine Finke klingt es so, als seien diese Räume momentan absolute Safe Spaces, wo (cis) Frauen sich gegenseitig die Haare kämmen und vertraulich plaudern.
„Schon das Vorhandensein von tiefer Stimme, männlicher Statur und natürlich das der primären Geschlechtsmerkmale kann hier triggern (So ging es auch mir in der Zeit nach der erlebten Gewalt durch meinen Expartner). Gewaltbetroffene Frauen brauchen Zeit, Therapie und Räume, in denen sie sich sicher fühlen – tun sie das nicht, ziehen sie sich zurück. Dabei leben traumatisierte Frauen meist eh schon sehr zurückgezogen.“
In Christine Finkes Welt sind cis Frauen offenbar allesamt von zarter Statur mit glockenhellen Stimmchen und Frauen mit „männlicher Statur“ haben in Frauenräumen nichts zu suchen! Zum Thema „primäre Geschlechtsmerkmale“ – also ich habe noch nie(!) die Genitalien von anderen Personen auf öffentlichen Toiletten gesehen, weder Penisse noch Vulven. Im Schwimmbad habe ich bisher immer Einzelkabinen zum Umziehen benutzt. Was Christine Finke hier wieder versucht ist, eine Gefahr durch trans Frauen zu konstruieren. Als wären nicht trans Frauen auch häufig gewaltbetroffen! Bei Christine Finke sollen sie auch noch schuld daran sein, wenn sich cis Frauen „zurückziehen“.
„Es wird sehr einfach sein, zukünftig als Mann in Frauenräume einzudringen, selbst ohne dass der Mann sich als trans Person identifiziert oder gar eine Änderung seines Personenstands vorgenommen hat.“
Als wäre das nicht bereits jetzt der Fall! Was hat das Selbstbestimmungsgesetz mit gewalttätigen, übergriffigen Männern zu tun?
„Ein biologischer Mann in Frauenräumen kann davon ausgehen, dass sich niemand traut, ihn zu fragen, was er da sucht. Das öffnet Missbrauch Tür und Tor (und der muss nicht unbedingt körperlich sein.) Voyeure, Exhibitionisten, Sexualstraftäter, sie alle dürften sich sehr freuen über die anstehende Gesetzesänderung. (Siehe dazu das Interview des Strafverteidigers Udo Vetter in der nzz vom 18.08.2022).“
Ich glaube, für „Voyeure, Exhibitionisten, Sexualstraftäter“ ist es völlig egal, denn ihr Handeln ist mit oder ohne Selbstbestimmungsgesetz strafbar! Dass Christine Finke auch hier wieder trans Menschen mit Straftätern in Zusammenhang setzt, ist niederträchtig. Das von ihr verlinkte Interview ist es ebenfalls. Ein Experte für Sexualstraftäter ist eben kein Experte für die Rechte von trans Personen. WTF einfach!
„Der komplette Wegfall von Gutachten (das Bundesverfassungsgericht hatte nicht die Existenz von Gutachten per se als verfassungswidrig beanstandet, sondern deren Ausgestaltung) sorgt dafür, dass es keine Instanz gibt, die die Ernsthaftigkeit und Sinnhaftigkeit des Transitionswunsches sachlich beurteilt.“
In dieser Aussage steckt sowohl die Annahme, dass Menschen aus Spaß (mangelnde „Ersthaftigkeit“) transitionieren bzw. irrational / widersinnig / unsinnig handeln (mangelnde „Sinnhaftigkeit“), als auch die Behauptung, dass Dritte (Standesbeamt*innen, Psycholog*innen, …) „sachlich beurteilen“ können, ob ein Mensch Vornamen und Geschlechtseintrag ändern lassen darf oder nicht. Wie kommt Christine Finke darauf? Nach welchen Kriterien soll ihrer Meinung nach „sachlich beurteilt“ werden? Beim Selbstbestimmungsgesetz geht es doch genau darum, dass Menschen das Recht haben sollen, über ihre Geschlechtspräsentation selbst zu bestimmen. Nach aktuell gültigem Transsexuellengesetz, das mit der Einführung des Selbstbestimmungsgesetz abgeschafft werden soll, müssen trans Personen nachweisen, dass sie wirklich trans sind. Das heißt in der Praxis, dass sie sich der gutachtenden Person so präsentieren müssen, dass diese ihnen glaubt. Und zwar unabhängig davon, wie sie sich selbst sehen. Eine trans Frau zum Beispiel, die keine medizinische Transition anstrebt, gilt dann schnell als unglaubwürdig, von nicht-binären Personen ganz zu schweigen. Das hat nichts mit Selbstbestimmung zu tun.
„In familiengerichtlichen Verfahren übrigens müssen Frauen oft sehr viel Geld für gerichtlich angeordnete Gutachten ausgeben, die z.B. ihre Erziehungsfähigkeit und Zurechnungsfähigkeit belegen sollen. Ich sehe hier eine Ungleichbehandlung.“
Was soll dieser Vergleich? Was haben familiengerichtliche Verfahren im Sinne des Kindeswohl mit der geschlechtlichen Selbstbestimmung zu tun? Es ist ein ganz mieser Move, von „Ungleichbehandlung“ zu sprechen, wenn Äpfel mit Birnen verglichen werden. Aber auch das stammt direkt aus dem TERF-Argumentationshandbuch. Trans Rechte sollen in Konkurrenz zu „Frauenrechten“ (=Rechte von cis Frauen) gesetzt werden. Christine Finke bringt hier Mütter ins Spiel, die Zielgruppe ihres Blogs („mama-arbeitet.de“), um zu emotionalisieren. Das ist sehr hilfreich bei der Stimmungsmache.
„Frauenförderung, Frauenpreise und -stipendien, Frauensport und Frauenquoten sind damit in meinen Augen im Grunde hinfällig. Aber leider nicht, weil wir sie nicht mehr brauchen, sondern weil sich jedermann dort hinein identifizieren kann.“
Langsam fallen hier auch die letzten mühsamen Verschleierungen: „hinein identifizieren“ ist 1-A-TERF-Sprech und auch das Argument ist nur wieder das alte Lied. Wie kommen TERF darauf, dass Männer den Aufwand betreiben, den Namen und den Personenstand zu ändern, um sich auf „Frauenförderung, Frauenpreise und -stipendien“ zu bewerben? Aus den Ländern*, in denen es Selbstbestimmungsgesetze gibt, ist jedenfalls nichts derartiges bekannt. Auch „Frauensport und Frauenquoten“ sind in diesen Ländern nicht „hinfällig“ geworden. Und an dieser Stelle sei auch mal erwähnt, dass die Änderung von Namen und Personenstand bei weitem nicht so easypeasy ist, wie TERF sich das offenbar vorstellen. Neben der offiziellen (und bürokratisch aufwändigen) Änderung auf dem Standesamt, müssen anschließend die Angaben auch u.a. beim Finanzamt, bei Kranken-/Rentenversicherung (neue Sozialversicherungsnummer!), anderen Versicherungen, Telefon- Stromanbieter, Bank, etc. und beim Arbeitgeber geändert werden. Dazu müssen ein neuer Personalausweis, Reisepass, Führerschein und ggf. weitere Scheine (Angel-, Jagd-, Waffenschein z.B.) beantragt (und bezahlt!) werden.
„Selbst wenn es sich um eine trans Person handelt, so hat diese als Transfrau z.B. im Frauensport körperliche Vorteile, die fairen Wettbewerb nicht zulassen.“
„Selbst wenn“ ist eine schöne Formulierung dafür, dass für Christine Finke trans Frauen im Sport erstmal im Verdacht stehen, in Wahrheit Männer zu sein. Weiterhin behauptet sie, dass trans Frauen per se „körperliche Vorteile“ gegenüber cis Frauen haben, „die einen fairen Wettbewerb nicht zulassen“. Das ist ein weitverbreiteter Mythos, der nur dazu dient, trans Frauen (und Mädchen!) vom Sport auszuschließen. Wäre es tatsächlich so wie von TERFs behauptet, wären überall nur trans Frauen an der Spitze, denn trans Frauen sind längst Teil des Sports. Es würde zu weit führen, hier auf das Thema trans Sportler*innen einzugehen, ich habe mich auf Instagram schon mal ausführlich dazu geäußert.
„Es gäbe noch mehr und vieles zu sagen, und eigentlich können das Andere viel besser, die sich als Aktivistinnen tief in das Thema eingearbeitet haben. Diese Frauen finden Sie auch in den Reihen ihrer eigenen Partei.“
Mit den „Aktivistinnen“, die sich „tief in das Thema eingearbeitet haben“, meint Christine Finke natürlich TERF. Vermutlich spielt sie mit den „Frauen (…) in den Reihen ihrer eigenen Partei“ auf Eva Engelken an, Grünen-Politikerin, die sich regelmäßig mit transfeindlichen Aussagen und Aktionen hervortut. Nyke Slawik und Tessa Ganserer, die ebenfalls bei den Grünen sind, meint Christine Finke hier vermutlich nicht. Denn sie konkretisiert:
„Vielleicht sprechen Sie auch mal mit Inge Bell von Terre de Femmes Deutschland, wo gerade wegen eines angeblich transfeindlichen Positionspapiers zum Selbstbestimmungsgesetz ein großer Streit zwischen Vorstand und Basis tobt.“
Auch Inge Bell ist ein prominentes Sprachrohr der anti-trans Bewegung in Deutschland. Sie ist keinesfalls eine Expertin, wenn es um die Selbstbestimmung von trans Personen geht.
„Auch mir wird nachgesagt, transfeindlich zu sein, so wie auch allen anderen Frauen, die Fragen und Kritik zum geplanten Gesetzesvorhaben haben. Wir werden als „Terfs“ entmenschlicht und beschimpft, in eine rechte Ecke gerückt, mit Nazis verglichen, und sämtliche Einwände werden als faschistoid dargestellt. Das ist ein zutiefst undemokratisches Verhalten, das mich als ehrenamtliche Kommunalpolitikerin entsetzt.“
Oh, here we are: Der Klassiker ist da! Christine Finke greift der berechtigten Kritik an ihrem Schreiben vorweg und versucht diese als verleumderisch und „undemokratisch“ hinzustellen. Sie bedient sich dabei am gern genutzten Narrativ des „Silencing“, das angeblich „allen (…) Frauen, die Fragen (…) haben“ widerfahre. Das ist die gleiche Opfererzählung, die auch Rechte anwenden, wenn sie mit Kritik konfrontiert werden. Interessant ist hier, dass Christine Finke (bewusst?) passiv formuliert. „Wir werden als ‚Terfs‘ entmenschlicht und beschimpft“, schreibt sie, aber nicht von wem. Sie imaginiert eine ominöse Gruppe von Angreifer*innen. Weniger subtile TERF sprechen da ganz offen von der „Translobby“ oder den „TRA“ (= trans rights activists, nicht zufällig dem Akronym MRA ähnlich, den men’s rights activists). Auch die Tatsache, dass Finke hier „Terfs“ schreibt, also nicht das Akronym verwendet, das keinesfalls „entmenschlicht“, sondern schlicht die Position der so bezeichneten Personen kenntlich macht (trans ausschließende Radikalfeminist*innen). Finkes gesamter Brief enthält keinerlei(!) Empathie für trans Personen, sie schreibt über die Menschen und ihre Rechte ohne ein Wort der Wertschätzung oder Anerkennung. Viel mehr lässt sie überall durchblitzen, dass sie hinter trans Frauen in Wahrheit „Männer“ bzw. „Voyeure, Exhibitionisten, Sexualstraftäter“ vermutet (ihre Worte, nicht meine!). Wenn das nicht entmenschlichend ist.
„Es ist auch kein Zufall, dass ich vornehmlich auf Männer und Transfrauen eingehe in diesem Brief, denn weder sind Transmänner eine besonders aggressive und politisch laute Gruppe, noch geht von ihnen eine nennenswerte Gefahr für Frauen und Kinder aus.“
Es ist einfach nur niederträchtig, wie Christine Finke hier schon wieder „eine nennenswerte Gefahr für Frauen und Kinder“ durch „aggressive“ „Transfrauen“ (kein Zufall, dass sie trans nicht als Adjektiv verwendet) konstruiert. Es ist das typische TERF-Narrativ der „gefährlichen“ trans Frauen und der „harmlosen“ trans Männer. In dieser Logik sind trans Männer schützenswerte Opfer der bösen „Trans-Ideologie“, in Wahrheit eigentlich Frauen, klar. Das biologistische Weltbild lässt nichts anderes zu als „böser Mann“, „arme Frau“.
„Es war ein Transmann, der sich bei dem gewaltsamen Vorfall auf dem CSD in Münster schützend vor die Lesben stellte, die ein männlicher Täter anpöbelte und angriff.“
Das Christine Finke es wagt, den Tod von Malte C. für ihr transfeindliches Pamphlet zu instrumentalisieren, ist an Unverfrorenheit nicht mehr zu überbieten.
„Und an dieser Stelle sei noch gesagt, dass ich viele Lesben in meinem Freundeskreis habe, die sich von den aktuellen Entwicklungen bedroht sehen, denn es gibt Transaktivisten, die Lesben als sexuelle Orientierung ablehnen und diesen mit sehr viel Aggressionen begegnen. Schon mehrfach kam es in jüngster Zeit dabei zu körperlichen Auseinandersetzungen, bei denen die Lesben attackiert wurden.“
Schöner (im Sinne von nicht-schöner) Schachzug, hier irgendwelche vermeintlichen Freund*innen zu bemühen, die sich angeblich bedroht sehen. Ist natürlich privat, keine Belege nötig. „Transaktivisten“ (auch hier generisch maskulin), „die Lesben als sexuelle Orientierung ablehnen und diesen mit sehr viel Aggressionen begegnen“ – auch hier keine Quelle, stattdessen: Behauptung. Mir ist in der Tat keine trans Person bekannt, „die Lesben als sexuelle Orientierung“ ablehnen. Ich freue mich über jeden sachdienlichen Hinweis. Die von Finke (ohne Belege) angeführten mehrfachen „körperlichen Auseinandersetzungen, bei denen Lesben attackiert wurden“ habe ich auch nicht mitbekommen. Ich erinnere mich aber noch gut an die Störaktionen von TERF bei den Dyke Märschen in Hamburg, Berlin und Köln. In einer Stellungnahme der Veranstalter*innen aus Köln heißt es dazu, „dass die Äußerungen besagter Lesben explizit transfeindlich waren und dass sie es waren, die die Situation körperlich eskalieren ließen“.
„Ich beobachte – auch im Umkreis meiner eigenen Kinder – immer öfter, dass Kinder mit Depressionen, Autismus, Vergewaltigungserfahrung oder anderen Traumatisierungen durch den Einfluss der sozialen Medien und ihrer Peer Group zu der Annahme kommen, sie seien trans oder non binary. Teilweise sind es auch einfach Jugendliche, die den üblichen Geschlechterklischees nicht entsprechen wollen und nun denken, sie gehörten deswegen zum anderen Geschlecht. Sie erhalten dafür viel Zuspruch und erleben ein Gefühl der Zugehörigkeit, das ihnen Auftrieb gibt.“
Mir gehen langsam die Synonyme für den Unsinn aus, den Christine Finke hier verzapft. Trans sein ist kein Trend! Trans Kinder und Jugendliche leiden häufig massiv unter der Ablehnung, die ihnen entgegenschlägt. So zu tun, als wollten Kinder trans sein, weil ihnen das „Auftrieb“ gibt, ist so hanebüchen. Christine Finke bedient sich auch hier wieder einer classic TERF-Story, nach der insbesondere trans Männlichkeiten (also Menschen, die bei der Geburt als weiblich einsortiert wurden), die Transition aufgrund von erlebten Traumata anstreben würden. Dafür gibt es keinerlei Belege. Kinder, trans und cis, müssen in erster Linie ernstgenommen werden und nicht von Menschen wie Christine Finke pathologisiert.
„Hier halte ich sehr viel mehr von einer guten therapeutischen/psychiatrischen Begleitung als von einfachen Lösungen wie einem geänderten Geschlechtseintrag. Vor allem aber, so habe ich Sie in der Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung des Eckpunktepapiers verstanden, sollten Kinder keine irreversiblen geschlechtsangleichenden Maßnahmen vornehmen lassen oder folgenreiche hormonelle Behandlung wie Pubertätsblocker ohne intensive medizinische Begleitung und Beratung erhalten. (Siehe dazu die neuesten Entwicklungen in Schweden und England, wo man zurückrudert.) Zumindest ist das vom Gesetz her nicht vorgesehen – aber wie sich das dann in der medizinischen Praxis auswirkt, kann ich nicht beurteilen. Ich baue darauf, dass gerade die Kinder vom Gesetzgeber besonders geschützt werden.“
Im Selbstbestimmungsgesetz geht es exakt nullkommanull um die Wege der medizinischen Transition. Das weiß Christine Finke, das schreibt sie auch, aber sie möchte eben trotzdem die viel gefürchteten „Pubertätsblocker“ ins Spiel bringen. Die klingen ja auch so schön gruselig. (An dieser Stelle sei angemerkt, dass auch in Schweden oder Großbritannien keine Genitaloperationen bei unter 18-Jährigen durchgeführt werden**. Das Märchen, dass sich Minderjährige geschlechtsangleichenden Operationen unterziehen, ist eins, das in der Giftkammer der TERFs gekocht wurde.
Christine Finke beendet ihren Brief mit der Hoffnung auf „ein Selbstbestimmungsgesetz, das der gesamten Gesellschaft gerecht wird und nicht nur Partikularinteressen bedient“. Mir stellt sich die Frage, warum ein Gesetz, bei dem es explizit um die Rechte von trans Personen geht, die Belange von cis Personen berücksichtigen soll. Erwartet Christine Finke auch, dass ein Gesetz, das die Rechte von Frauen betrifft, auf die Bedürfnisse von Männern eingeht?! Nochmal: Beim Selbstbestimmungsgesetz geht es darum, dass trans Personen die Möglichkeit erhalten, ihren Namen und Personenstand ändern zu lassen, ohne sich entwürdigenden Prüfungen unterziehen zu müssen. Das Ganze hat mit cis Personen einfach nichts zu tun. Auch das weiß Christine Finke vermutlich, aber für sie sind trans Rechte eben nichts weiter als „Partikularinteressen“, die ignoriert / herabgewürdigt / eingeschränkt werden dürfen.
Warum Christine Finke am Ende noch
„P.S.: Ich bin seit 1995 offen bi und schon auf etlichen CSDs mitgelaufen.“
hinterherschiebt, bleibt mir ein Rätsel. Was hat ihre sexuelle Orientierung mit ihrer Stimmungsmache gegen trans Menschen zu tun? Schreibt mir eure Mutmaßungen gerne in die Kommentare, hehe.
*Ein dem Selbstbestimmungsgesetz vergleichbares Gesetz gibt es in Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Island, Luxemburg, Malta, Neuseeland, Norwegen, Portugal, Schweiz und Uruguay.
**Genitaloperationen werden allerdings bei inter* Kindern durchgeführt, um sie für eins der beiden binären Geschlechter „passend“ zu machen. „Wie aus einer Auswertung der Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes hervorgeht, wurden zwischen 2005 und 2016 im Schnitt jährlich 1871 ‚normangleichende‘ Operationen an unter 10-Jährigen in Deutschland verzeichnet.“ (Quelle: Deutsches Institut für Sozialwirtschaft)
zum Thema „Lesben als sexuelle Orientierung“. Die Begriffe „lesbisch“ und „Lesbe“ sind aus verschiedenen Gründen problematisch. Erstmal kombinieren sie Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung. Eine Lesbe ist eine Frau, die Frauen attraktiv findet. Das wird am Beispiel einer Transfrau deutlich, die jahrelang gesellschaftlich als Mann lebt und Frauen liebt und als heterosexuell gilt, dann nach der Transition immer noch Frauen liebt aber plötzlich lesbisch genannt wird, obwohl sich ihre sexuelle Orientierung nicht geändert hat.
Zum zweiten sind die Begriffe auch in einem binären Bild von Geschlecht verwurzelt. Du bist eben entweder Mann oder Frau, magst entweder Männer oder Frauen. Wie heisst ein(e) enby die Frauen liebt? Genau.
Was das alles natürlich nicht bedeutet ist dass Transmenschen irgendwas gegen Lesben haben. Wir haben gelernt jede identitätsstiftende Selbstbezeichnung zu akzeptieren. Nur gibt es halt für jede die sich dort aufgehoben fühlt auch eine die es als ausschliessend empfindet.
Dass Frau Finke ihre Bisexualität erklärt und klar macht, auf vielen CSDs mitgelaufen zu sein, hat vermutlich einen ganz einfachen Grund. Es soll vermutlich sagen.
Liebe Welt schau mal, ich kacke doch nicht ins eigene Nest, aber ich bin sehr besorgt. Und das werde ich doch mal sagen dürfen.
Und das kann mensch ihr dann ja nun wirklich nicht übel nehmen… hofft sie.
Was für ein Strohmann-Feuerwerk….hahaha
Also ja, Trojanisches Pferd trifft es schon….
Neues von der Finke – sie mag die „Inter* Inclusive Pride“-Flagge wohl ebensowenig wie gleichberechtigte Transmenschen.
Siehe ihren Kommentar unter folgendem Artikel:
https://www.seemoz.de/was-ist-auf-der-rheinbruecke-los/