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Kein Support für Femen

Femen- das sind die mit den Parolen auf den nackten Brüsten. Meistens weiß, fast immer schlank. Femen sehen sich selbst als die „Speerspitze der militanten Einheit“ des Feminismus. Warum Femen in meinem Feminismus keinen Platz hat erkläre ich hier.

Was ist Femen?

Das Markenzeichen von Femen sind die öffentlichen Auftritte von Aktivistinnen, die ihre nackten Oberkörper mit Parolen bemalt haben und völkisch-anmutende Blumenkränze im Haar tragen. (Die Erklärung: „Flower crown is a symbol of femininity“.) Femen wurde 2008 in der Ukraine gegründet. Inzwischen sind Femen-Aktivistinnen international aktiv. Femen bezeichnet sich selbst als neue globale Frauenbewegung. Symbolik und Sprache sind oft militaristisch, genauso wie die hierarchischen Organisationsstrukturen nationalistisch und militärisch anmuten. Femen-Aktivistinnen werden in „Trainingszentren“ ausgebildet.

Der Mann hinter Femen

Ein Dokumentarfilm der australischen Regisseurin Kitty Green brachte ans Licht, dass bis Mitte 2012 ein Mann hinter Femen stand: Wiktor Swjatskyj. Er soll treibende Kraft bei der Gründung gewesen sein und die Gruppe kontrolliert und gesteuert haben. Führende Mitglieder von Femen bestätigen die Rolle des „Patriarchen“. Inzwischen habe man sich von seinem Einfluss befreit. Die Ästhetik aber ist geblieben: Normschöne Frauenkörper mit nackten Brüsten, um maximale Aufmerksamkeit zu generieren.

„Their rules were: the sexier the girls are, the more photographers we’ll get, the more press we’ll get. So it did become a kind of a case, where unattractive girls or chubbier girls, or girls, that weren’t that comfortable with their bodies, were kinda pushed out or felt like they couldn’t be part of the movement.“

Regisseurin Kitty Green 2014 in einem TV-Interview

Die Themen von Femen

Femen selbst nennt die Oben-Ohne-Auftritte „Sextremismus„. Die Protestaktionen richten sich vor allem gegen Prostitution und Menschenhandel, Religion (insbesondere gegen den Islam), sexualisierte Gewalt und Femizide. Femen setzt dabei auf die stets gleichen Bilder, nackte Brüste und Blumenkränze. Die Aktivistinnen sind der Meinung, dass nur so die Aufmerksamkeit auf die Themen gelenkt werden könnte. Sie sehen sich selbst als „the special force of feminism, its spearhead militant unit, modern incarnation of fearless and free Amazons“.

Die Kritik an Femen

Die Kritik an Femen ist vielfältig. Und ich finde es wichtig, an dieser Stelle zu betonen, dass nicht alles mit dem gleichen Maßstab gemessen werden kann. Feminismus war in der Ukraine sehr lange kein Thema. Ich bin mir sicher, dass Femen in dieser Hinsicht zumindest einen Anstoß gegeben hat, dass öffentlich über feministische Anliegen gesprochen wurde. Ich möchte außerdem ganz deutlich sagen, dass ich westdeutsch sozialisiert wurde und kaum Kenntnisse von osteuropäisch oder slawisch geprägtem Feminismus habe. Ich beziehe mich in meiner Kritik deshalb in erster Linie auf den deutschen Femen-Ableger. Völkische und Nationale Symbolik hat in Deutschland möglicherweise eine andere Bedeutung bzw. wird anders rezipiert als bspw. in der Ukraine. Wenn deutsche Feministinnen Sexarbeit mit dem Holocaust vergleichen, ist das in jeder Hinsicht inakzeptabel.

Kritikpunkt 1: Protest als Marketing

Femen geriert sich als Erfinderin des Oben-Ohne-Protests. Das ist natürlich Quatsch. Feminist*innen haben seit Jahrzehnten Nacktheit als Protestform eingesetzt. Femen hat es allerdings geschafft, daraus eine Marketing-Strategie zu machen und eine Hochglanz-Ästhetik junger, normschöner Körper geprägt. Ein Blick in den „Femen Store“ genügt, um den Sell-Out-Gedanken dahinter zu erkennen. Tassen, Handyhüllen oder auch „Boob-Prints“, also farbige Brustabdrücke auf Papier, sind dort käuflich zu erwerben. Femen wirkt in vielerlei Hinsicht wie ein Produkt, die Proteste sind streng choreografiert, nichts scheint dem Zufall überlassen. Am Ende steht das Bild, das hoffentlich von möglichst vielen Medien gedruckt wird und Aufmerksamkeit auf die Gruppe zieht.

Kritikpunkt 2: Bilder statt Inhalte

Femen sieht den Feminismus „vor Femen“ als gescheitert an. Dieser sei zu theoretisch, zu verkopft, sei in den Universitäten stecken geblieben. Femen tut so, als seien sie diejenigen, die nicht nur reden, sondern handeln. Ihre Selbstinszenierung als Soldatinnen im feministischen Kampf ist aber vor allem das: Inszenierung. Es geht um die Bilder, die maximale Aufmerksamkeit. Inhaltlich bleibt es ziemlich dünn, eine Diskussion feministischer Theorien oder echte Herrschaftskritik finden nicht statt. Der erklärte Kampf gegen das Patriarchat bleibt ein oberflächliches „Seht her!“, hübsch verpackt, so wie es die Medien sich wünschen.

Kritikpunkt 3: Femen sind SWERF

Zentrale Themen von Femen sind Prostitution und Menschenhandel. Allerdings: Differenziert wird hier nicht. Jede Form der Sexarbeit wird als Gewalt angesehen. Sexarbeiter*innen sind nach Femen-Logik grundsätzlich unterdrückt und müssen befreit werden. Femen setzt sich in Deutschland für das „Nordische Modell“ ein, also faktisch für ein Verbot von Prostitution. Femen arbeitet mit SWERFs wie Sisters und Netzwerk Ella sowie mit den transfeindlichen Störenfriedas zusammen. Sexarbeiter*innen werden entweder infantilisiert, ausschließlich auf ihre Opferrolle reduziert und bevormundet oder als traumatisiert ferndiagnostiziert und nicht ernstgenommen. Femen zog mit Fackeln über die Reeperbahn und zeigte Plakate mit „Arbeit macht frei“ und „Prostitution ist Genozid“. Geschichtsrevisionismus ist kein Feminismus.

Kritikpunkt 4: Bevormundung & Anmaßung

Femen sieht sich selbst als „antireligiös“. Das ist absolut legitim, allerdings überschreiten Femen-Aktivistinnen bei ihrem Kampf gegen die Religion häufig Grenzen. Muslima werden als unter-drückte Gruppe pauschalisiert und infantilisiert. Femen sieht sich als Befreierin muslimischer Frauen. Diese lehnen die Bevormundung jedoch ab. Als Femen (auch) in Deutschland am „Topless Jihad Day“ oberkörperfrei vor Moscheen protestierten, wehrten sich Muslima in einem offenen Brief gegen Femen: „We don’t need you.“ Eine der führenden (ehemaligen) Femen-Aktivistinnen in Deutschland, Zana Ramadani, die u.a. am Protest gegen Germany’s Next Topmodel und der geschichtsrevisionistischen Aktion auf der Reeperbahn beteiligt war, ist CDU-Mitglied, regelmäßige Autorin des rechten Blogs „Die Achse des Guten“ und positioniert sich immer wieder mit antimuslimischem Rassismus in der Öffentlichkeit.

Kritikpunkt 5: Binarität und Transfeindlichkeit

Femens Realität ist schlicht binär. Frauen sind unterdrückt, Männer unterdrücken. Frauen haben Brüste (und setzen sie „als Waffe“ gegen das Patriarchat ein). Um bei Femen mitmachen zu dürfen, muss eine Aktivistin Brüste haben und bereit sein, diese zu zeigen. „Die Brüste gelten dabei als Symbol der Befreiung, das alle Frauen verbindet“, sagte Femen-Aktivistin Josephine Witt 2014 im Interview mit der taz. Femen folgt auf Twitter transfeindlichen Personen und Gruppen. Femen-Aktivistinnen sind schon häufiger mit transfeindlichen Statements oder durch Solidarisierung mit TERF aufgefallen. Eine Distanzierung davon fand und findet nicht statt.

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