Heute war ich in der Gedenkstätte Buchenwald. Es war das erste Mal, dass ich eine Gedenkstätte dieser Größenordnung besucht habe. Auch wenn ich dachte, überdurchschnittlich gut informiert zu sein über den Holocaust, den Schrecken der Nazi-Herrschaft, die Systematik und Präzision der Vernichtung – die rund vier Stunden auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald haben mir sehr eindrücklich bewusst gemacht, dass alles Wissen aus Büchern, Filmen und Museen niemals ausreichen kann, um auch nur annähernd das Grauen zu verstehen, das sich in Deutschland und Europa zugetragen hat. Geplant, organisiert, durchgeführt von Deutschen, meinen Vorfahr*innen.
Vor dem Krematorium zu stehen, den Blick über das 400.000 m² große Gelände schweifend, im Ohr die Zeitzeug*innenberichte ehemaliger Häftlinge über den Audio-Guide: es hat mich schlicht umgehauen. Die Wucht des Ganzen, die Größe, die „Perfektion“, die deutsche Gründlichkeit, das Elend der Inhaftierten, die Quälereien, Hinrichtungen, die Menschenversuche – das alles ist schier unfassbar. Zum Weinen brachte mich letztlich aber nicht die mörderische Grausamkeit der Nazis; es waren die Schilderungen von kleinen und großen Gesten der Solidarität der Häftlinge untereinander, die teilweise verzweifelten Versuche der Sabotage und der Mut der geheimen Widerstandsgruppen.
Zwischen Juli 1937 und April 1945 waren in Buchenwald schätzungsweise 266.000 Menschen inhaftiert, die Zahl der hier Getöteten wird auf 56.000 geschätzt. Es ist noch nicht einmal 100 Jahre her.
Ein Forscher*innenteam des Holocaust Memorial Museums in Washington kam 2013 in einer Studie auf eine Gesamtzahl von 42.500 derartiger Einrichtungen: 980 Konzentrationslager, 30.000 Arbeitslager, 1.150 jüdische Ghettos, 1.000 Kriegsgefangenenlager und 500 Zwangsbordelle richteten die Nazis ein. Niemand kann angesichts dieser Zahlen behaupten, die Deutschen hätten „nichts gewusst“.
Im „Schwur von Buchenwald“ erklärten die Überlebenden nach ihrer Befreiung im April 1945: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“
Heute ist fast keine*r der Zeitzeug*innen mehr am Leben, umso wichtiger ist es, diesen Schwur aufrecht zu erhalten. Wir alle tragen diese Verantwortung. Antifaschistisches Handeln ist unsere Pflicht. Es gibt keine Mitte zwischen Faschismus und Antifaschismus.
Der Schwur gilt nach wie vor
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