Der 8. März steht vor der Tür und damit auch die jährlich wiederkehrende Frage: wie heißt er denn nun, dieser Tag?
Der offizielle Name ist „Internationaler Frauentag“, seit Clara Zetkin 1910 den Vorschlag machte, diesen weltweit einzuführen. 1921 wurde der Tag erstmals offiziell auf den 8. März gelegt, „zu Ehren der Frauen in der Revolution“.
Weil der Tag kein alternativer Valentins- oder Muttertag ist, sondern auf die revolutionären Kämpfe für Gleichberechtigung und körperliche Selbstbestimmung aufmerksam macht, wird häufig auch von “ Internationaler Frauenkampftag“ gesprochen.
Seit einigen Jahren wird vermehrt (und teilweise hitzig) diskutiert, ob nicht „feministischer Kampftag“ die bessere, zeitgemäßere Bezeichnung für den 8. März sei. Denn es sind längst nicht nur Frauen, die im Patriarchat unterdrückt werden und in den gemeinsamen Kämpfen um Selbstbestimmung und Gleichberechtigung an der Seite von Frauen kämpfen: trans* Männer, nicht binäre und agender Personen sind keine Frauen, erfahren aber genauso geschlechtsspezifische Diskriminierung und Gewalt. Auch inter* Menschen werden häufig übersehen, wenn einzig von „Frauen“ gesprochen wird (es gibt natürlich inter* Frauen, aber eben auch inter* Männer und nicht-binäre inter* Personen).
Begriffsdebatte und Vertrauen
Der Begriff „Frauentag“ macht alle anderen im Patriarchat unterdrückten Gender unsichtbar und wirkt darüber hinaus häufig exkludierend. Denn es geht ja nicht nur um den Namen des Aktionstags. Wäre die Bewegung geeint, würden die Kämpfe Seite an Seite gekämpft – ich behaupte, keine Person würde sich ernsthaft mit einer Begriffsdebatte aufhalten.
Doch die Realität ist nun mal eine andere: die feministische Bewegung ist massiv gespalten. Es gibt nach wie vor eine laute und einflussreiche Fraktion, die behauptet, trans* Frauen seien keine Frauen. Also während auf der einen Seite Feminist*innen fordern, trans* Männer, nicht-binäre, inter* und agender Personen einzuschließen, wird auf der anderen Seite noch zwischen cis und trans* Frauen unterschieden und letztere aus Frauenräumen ausgegrenzt.
Vertrauen spielt hier eine große Rolle. Denn woher sollen wir wissen was drin steckt, wenn „Frauen“ drauf steht? Sind wir, die keine Frauen sind (übrigens auch keine „Frauen*“), willkommen? Sind wir sicher? Wird unsere Identität respektiert, unsere Lebensrealität anerkannt? Und gilt das auch für diejenigen, die nicht als weiblich gelesen werden?
Kennst Du Deine Chromosomen?
Wer entscheidet, wer gemeint ist und wer außen vor bleibt? Wenn wir nachfragen, wird viel zu oft eine bio-essentialistische Auffassung von Geschlecht sichtbar: gemeint seien alle, die „als Frau geboren“ seien (hä? Ich wurde als Baby geboren), die gebärfähig seien (was ist mit Frauen nach der Menopause oder Hysterektomie, was mit denen, die keine Kinder bekommen können?) oder auch „alle mit XX-Chromosomensatz“ (woher zur Hölle soll ich meine Chromosomen kennen?).
Manchmal wird dann auch geantwortet, gemeint seien alle, die „weiblich gelesen“ werden (wer liest? Wer entscheidet, was „weiblich“ ist?) oder „wer sich als Frau identifiziert“ (damit kann ich gar nichts anfangen: cis und trans* Frauen sind Frauen, sie identifizieren sich nicht bloß als solche).
Ich habe auch schon gehört, gemeint seien „alle, die nicht cis männlich sind“ oder auch das berühmte „FLINTA“ und da frage ich mich dann erstens: wieso nennt ihr es dann „Frauen“ und zweitens: was ist mit inter* Männern, die auch cis sein können. (Cis ist nicht das Gegenteil von inter* – das Gegenteil heißt „endo“ oder „dya“).
Ihr merkt: es ist kompliziert
Die jüngste Erklärung für den Begriff „Frauenkampftag“ kommt dieses Jahr von einer Gruppe¹ aus Berlin, nach eigener Auskunft „eine unabhängige, antikapitalistische Organisation, in der sich junge Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre und trans* Personen organisieren“. Die Gruppe¹ erklärt in einem Statement auf Instagram, der Begriff nehme Bezug auf die Tradition „sozialistischer Frauen und Arbeiterinnen“ und folgt dem „materialistischen Frauenbegriff“ unter den alle fielen, die „in der Gesellschaft als Frauen gelesen werden (…) unabhängig von der persönlichen Identifikation“.
Falls ihr (wie ich) nie so genau wisst, was mit dem „materialistischen Frauenbegriff“ gemeint ist: Der Materialismus ist eine „Weltanschauung, die nur das Stoffliche als wirklich existierend, als Grund und Substanz der gesamten Wirklichkeit anerkennt“. Upsi, sounds like Bio-Essentialismus to me. Frauen, trans* und nicht-binäre Personen, so die Gruppe¹, würden unterdrückt, weil sie von der Gesellschaft als Frauen gelesen würden. Ein trans* Mann mit Cis-Passing erfährt demnach ebensowenig patriarchale Unterdrückung wie eine trans* Frau ohne. Dass das der Realität nicht standhält, sollte kaum anzuzweifeln sein.
Die Bürgis feiern Frauentag
Doch leider bleibt die Gruppe¹ nicht bei der „Stofflichen Existenz“ von Geschlecht als einzig wahre patriarchale Unterdrückungskategorie stehen. Das Statement wird ergänzt mit den Worten: „Wir grenzen uns bewusst von den Versuchen ab, diesen Tag bürgerlich zu vereinnahmen und seine kämpferische Tradition zu verwässern, auch in dem wir eben nicht vom feministischen Kampftag reden.“ Entpacken wir das, wird deutlich, dass die Gruppe¹ meint, dass die „bürgerliche Vereinnahmung“ von denen ausgehe (oder begünstigt würde?) die vom „feministischen Kampftag“ sprechen. In einer Gesellschaft, in der von Aldi-Prospekt bis ZDF-Fernsehgarten der „Frauentag“ zelebriert wird, ist das natürlich eine absolut logische Schlussfolgerung. (Das war Ironie.)
Und die Gruppe¹ geht noch weiter und sagt: „Als revolutionäre Frauen und Subjekte lassen wir uns diesen Tag nicht wegnehmen!“ Da ist es wieder das gute alte Schreckgespenst, Frauen würde irgendwas weggenommen werden, wenn andere von patriarchaler Gewalt betroffene Personen ihren Platz am Tisch einfordern.
Als nächstes bekommen wir wahrscheinlich wieder gesagt, wir hätten doch schon den „International Non-binary People’s Day“. Wer mir ohne zu googlen sagen kann, an welchem Datum der ist, bekommt einen Keks.
Ihr könnt den Frauentag haben
Aber wisst ihr was: ihr könnt den Frauentag haben, liebe Frauen. Es spricht überhaupt nichts dagegen, an einem Tag im Jahr auf die Unterdrückung und Gewalt hinzuweisen, die Frauen weltweit erfahren. Frauen sind real, die Gewalt ist real. Ich unterstütze euch in diesem Kampf, seit ich ein politisches Bewusstsein habe und ich werde es weiterhin tun.
Aber ein paar Bedingungen stelle ich dann doch, den Support gibt es nicht uneingeschränkt einfach so:
- Schließt trans* Frauen ein. Bedingungslos. Trans* Frauen sind Frauen, egal wie sie „von der Gesellschaft gelesen werden“.
- Hört auf, uns zu vereinnahmen oder als Unterkategorie von euch zu sehen. Wir sind nicht-binär, wir sind inter*, wir sind agender, wir sind genderqueer, wir sind trans* männlich. Wenn wir sagen, wir sind keine Frauen, dann sind wir keine Frauen. Auch keine Frauen-Sternchen.
- Erkennt euer Privileg an, das ihr als endo cis Frauen allen Menschen gegenüber habt, deren Geschlecht oder Geschlechtsidentität von der Dominanzkultur abgewertet, negiert und belächelt wird. Ja, die geschlechtsbasierte Unterdrückung von Frauen ist real. Aber weder ist Geschlecht die einzige Unterdrückungskategorie, noch ist es binär.
Happy Frauentag, liebe Frauen. Einen kämpferischen 8. März uns allen.
¹Edit:
In einer früheren Version des Textes habe ich die Organisation benannt. Da der Beitrag aber gelöscht ist, habe ich entschieden, die Gruppe zu anonymisieren. Es geht nicht um die einzelne Organisation.
So true! Danke für den Beitrag!