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Nazis oder Bundis?Man weiß es oft nicht so genau. (Foto: Canva)

„Richtig krasse Sache“

Milliarden für das Militär, ein Attentat eines mutmaßlichen Rechtsextremisten in Mannheim und das Comeback der Baseballschlägerjahre in Brandenburg. Der (heute recht kurze) Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW10

Die Woche begann mit einem weiteren Akt des Terrors. Am Montag (4. März) fuhr ein 40-Jähriger mit seinem Wagen durch die Fußgängerzone in Mannheim. Er tötete zwei Menschen, verletzte weitere schwer. Weil der Täter ein Deutscher ohne Migrationshintergrund ist, beeilten sich offizielle Stellen beeilten, eine politische oder ideologische Motivation auszuschließen. Stattdessen liege die Motivation eher in der Persönlichkeit des Täters, erklärte Baden-Württembergs CDU-Innenminister Thomas Strobl, der mit der ARD-Programmdirektorin Christine Strobl verheiratet ist. Das erklärt vermutlich das Ausbleiben eines ARD-Brennpunkts. „Die Gewalt von Deutschen wird weitgehend ausgeblendet“, sagt der Journalistikprofessor Thomas Hestermann in einem Interview mit Zeit Online: „Der Journalismus hat sich von der AfD treiben lassen.“ Im Falle vom Mannheimer Attentat zeigt sich ganz grundlegend, wie rechter Terror in Deutschland verleugnet und verharmlost wird. Obwohl schnell bekannt war, dass gegen den Attentäter bereits wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt wurde. Das Delikt komme aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität rechts, erklärt der zuständige Oberstaatsanwalt, der Mann sei bislang „nicht in nennenswertem Umfang in Erscheinung getreten“, es habe u.a. „ein paar Vorstrafen“ wie Körperverletzung mit einer „kurzen Freiheitsstrafe“ gegeben. Wie sehr kann man etwas herunterspielen? Das antifaschistische Recherche-Portal Exif wusste schnell mehr über den Täter und veröffentlichte eine umfassende Analyse. Demnach ist der 40-Jährige Teil eines Reichsbürger-Netzwerks (gewesen) und nahm 2018 an einem NPD-Aufmarsch unter dem Motto „Wir für Deutschland“ in Berlin teil. Doch in der breiten Berichterstattung wird nicht nur der politische Hintergrund des Attentäters ignoriert, es wird sogar noch versucht, die grausame Tat doch noch irgendwie „den Ausländern“ in die Schuhe zu schieben: „Kopierte Alexander S. den Islamisten-Terror?“, schrieb beispielsweise der Focus und Alice Schwarzer kommentierteDie importierte Methode findet Nachahmer“.

Der Kriegstaumel in diesem Land, selbst in linken, progressiven Lagern, ist nichts weniger als massiv beängstigend. Es wird gerade der Eindruck erweckt, dass jede Diplomatie unmöglich geworden sei, dass der Dritte Weltkrieg bevorstünde und Russland kurz vorm Einmarsch durchs Brandenburger Tor stehe. Und ja, die Bedrohung einer Ausweitung der Kriege (nicht nur gegen die Ukraine, falls ich euch erinnern darf) ist real. Wir brauchen mehr denn je eine an Frieden orientierte Weltpolitik, wie sie bspw. die UN betreiben. Doch stattdessen wird Deutschland „kriegstüchtig“ gemacht. Am Dienstag (5. März) erklärten CDU/CSU und SPD die Schuldenbremse für Militärausgaben außer Kraft zu setzen. Also gilt die  Schuldenbremse weiter, außer für die Bundeswehr. „Das ist eine richtig krasse Sache“, kommentierte die Journalistin Katharina Hamberger auf Instagram. Denn die künftige Bundesregierung will diese Entscheidung schon in der kommenden Woche treffen. Denn sie braucht dafür eine Zweidrittelmehrheit, also auch die Zustimmung von FDP und Grünen. Die Linke prüft deshalb eine Verfassungsklage. Es müsse sich zeigen, „ob eine solche Abstimmung über mehrere hundert Milliarden im gerade abgewählten alten Bundestag überhaupt verfassungskonform ist“, erklärte die Partei. Parallel kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, die Verteidigungsausgaben des Staatenbündnisses um 800 Milliarden Euro erhöhen zu wollen. Und weil es für die künftigen Kriege natürlich vor allem Menschen braucht, die darin verheizt werden, fordern Union und der Bundeswehrverband die Wiedereinführung der Wehrpflicht noch in diesem Jahr.

Die 90er sind zurück – zumindest wenn man das Erstarken rechtsextremer Jugendkultur betrachtet. Die als „Baseballschlägerjahre“ bezeichnete Zeit, in der Neonazis die Provinz terrorisierten, erlebt momentan zweifellos ein Revival. In Senftenberg wurde am vergangenen Wochenende der alternative Jugendclub JAMM von ca. 40 Nazis aus dem Cottbusser Fußballumfeld angegriffen. Ebenfalls in Brandenburg, in Neuruppin, wurde in der gleichen Nacht versucht ins Jugendzentrum „JWP Mittendrin“ einzubrechen. Dabei sei die Vordertür beschädigt, ein Flyerhalter zerstört und ein Sessel umgestoßen worden. Die Täter seien in einem Auto geflohen, als sie bemerkt worden seien. De Angriffe seien keinesfalls Einzelfälle. In den letzten drei Wochen habe es Attacken auf vier alternative Zentren in Brandenburg gegeben. Rechte Gruppen riefen offen dazu auf, linke Einrichtungen anzugreifen, erklärt das JWP Mittendrin in einer Stellungnahme: „Auch wenn keine direkten Zusammenhänge zum Angriff auf das Jamm e.V. bekannt sind, zeigt sich erneut, dass linke und alternative Räume immer wieder Ziel von Angriffen und Einschüchterungsversuchen werden. Organisiert euch, schützt eure Räume!“,

Weitere Meldungen diese Woche

Im US-Bundesstaat Iowa sind trans Menschen künftig nicht mehr vor Diskriminierung geschützt. Das Merkmal „geschlechtliche Identität“ wurde aus dem Civil Rights Act, der Diskriminierung unter anderem in den Bereichen Beschäftigung, Vermietung, Bildung und öffentlicher Unterkunft verbietet, gestrichen. (Queer.de)

Dass Streiks nicht per se unterstützenswert sind, zeigt sich gerade in New York. Über 8.000 Gefängniswärter*innen legten bereits Mitte Februar die Arbeit nieder, um für die „Straflosigkeit der eigenen Gewaltanwendung“ zu kämpfen. Seit dem sind bereits sieben Menschen gestorben: „aufgrund fehlender medizinischer Versorgung, Suizid oder durch direkte Gewalt von Wärtern“, berichtet das ND.

Der im Untergrund lebende und als „RAF-Terrorist“ geltende Burkhard Garweg hat im ND einen (seeeeehr langen) Brief veröffentlicht, in dem er „sozialrevolutionäre Alternativen“ zur „bürgerlichen Demokratie als einer Facette des Kapitalismus“ vorschlägt. Spannend und lesenswert!

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