Ein vereitelter Anschlag in Senftenberg, ein grausamer Anschlag in München, ein Abtreibungsparagraf, der nicht gestrichen wird und zwei Massengräber in Libyen. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW7
+++Der Wochenrückblick ist jetzt anders, warum, lest ihr hier+++
Gestern (Donnerstag, 13. Februar) ist ein Mann mit dem Auto in eine Gruppe Streikender gerast und verletzte dabei 36 Menschen zum Teil schwer, darunter auch ein Kleinkind. Die Gewerkschaft Ver.di, die den Streikposten organisierte, zeigte sich „zutiefst bestürzt und schockiert“ und rief unmittelbar nach dem Anschlag dazu auf, sich nicht an Spekulationen zu beteiligen. „Unsere Gedanken sind bei den unschuldigen Opfern und Verletzten und ihren Angehörigen. Noch ist nicht klar, ob es auch Todesopfer gibt. Wir danken allen Helferinnen und Helfern für ihren Einsatz. Dies ein schwerer Moment für alle Kolleginnen und Kollegen. Wir Gewerkschaften stehen für ein solidarisches Miteinander, gerade auch in so einer dunklen Stunde“, erklärte Ver.di-Chef Frank Werneke, viel mehr muss man zu diesem Zeitpunkt dazu eigentlich auch nicht sagen. Es dauerte erwartungsgemäß aber nicht lange, bis die Tat von rechts bis ganz rechts für die eigene rassistische Agenda missbraucht wurde. Der mutmaßliche Täter, ein 24-jähriger Afghane, der 2016 als unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter nach Deutschland kam, bot den Hetzer*innen die willkommene Steilvorlage. Schnell hieß es, der Täter sei „ausreisepflichtig“ gewesen und „polizeibekannt“. Massenhaft wurden diese von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann in die Welt gesetzte Falschmeldung verbreitet und längst nicht nur von Rechtsaußen. Dass der Mann der Polizei lediglich als Zeuge bekannt war, weil er als Ladendetektiv gearbeitet hat, ging im Strudel der „Abschieben“-Rufe unter, genauso wie die Tatsache, dass er eine gültige Aufenthaltserlaubnis besaß. Aber das interessiert in Deutschland ohnehin längst kaum noch wen. Olaf Scholz versicherte im ZDF sofort, dass der Täter abgeschoben wird: „Denn wir werden ihn sicherlich verurteilt sehen von den Gerichten, und noch bevor er das Gefängnis verlässt, wird er dann auch in sein Heimatland zurückgeführt werden“, erklärte der SPD-Kanzler. Das ebenfalls SPD-geführte Innenministerium rühmte sich wenige Stunden nach dem Attentat auf Twitter: „Als einziger Staat in Europa schieben wir trotz der Taliban-Herrschaft wieder nach Afghanistan ab und werden das weiter tun.“ Es ist unfassbar. Menschenrechte haben keinerlei Bedeutung mehr für unsere Regierung, alles was zählt ist „Ausländer raus“.
Die Meldung, dass ein Anschlag auf eine Unterkunft von Geflüchteten in Senftenberg (Brandenburg) gerade so verhindert werden konnte, geht unter im Deutschland-den-Deutschen-Taumel. Ein 21-Jähriger wurde am Mittwoch, 12. Februar, festgenommen unter dem dringenden Verdacht, ein „Explosionsverbrechen“ vorbereitet zu haben. In der Wohnung des Mannes in Meißen (Sachsen) fanden Ermittler*innen „zwei industriell hergestellte pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F4 – sogenannte Kugelbomben – und Schlagringe, Einhandmesser, Munition, Schreckschuss- und Softairwaffen sowie diverse Ausrüstungs- und Bekleidungsgegenstände“. Rechtsextreme Straftaten sind in Deutschland auf einem „Rekordhoch“, so die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage von Die Linke. Im Jahr 2024 seien 41.406 Delikte gezählt worden. Die Zahl könne sich durch Nachmeldungen noch erhöhen. So viele rechtextreme Straf- und Gewalttaten wie noch nie seit Einführung der Statistik 2001. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) sieht in der Hetze gegen Asylsuchende einen der Gründe für den Anstieg: „So fühlen sich rechte Gewalttäter zunehmend in ihrem Handeln legitimiert“, sagte Pau diese Woche zur taz. Es sei „eine Warnung und ein eindeutiger Arbeitsauftrag an den 21. Bundestag“.
Der Arbeitsauftrag wird bei der kommenden CDU-geführten Bundesregierung allerdings direkt im Papierkorb landen. Nicht umsonst hat die CDU/CSU ihr Wahlprogramm entsprechend geändert. Während die Union 2021 noch feststellte „Der Rechtsextremismus bleibt die größte Bedrohung für unsere offene Gesellschaft und freiheitlich-demokratische Grundordnung“ steht im Wahlprogramm 2025 nur noch, dass man dem Rechtsextremismus „die Rote Karte“ zeigen wolle, als handle es sich um ein Spiel.
Es erscheint dabei wie Hohn, dass heute (Freitag, 14. Februar) öffentlich wurde, dass die Sächsische Polizei fast 190.000 Schuss Munition und mehrere Waffen vermisst. Das ist das Ergebnis einer Inventur der Hochschule der Polizei und kam nur ans Licht, weil die Linksfraktion im Landtag mal nachgefragt hat. Das Sächsische Innenministerium kündigte nun eine „Tiefenprüfung aller Dienststellen“ an.
Schwangerschaftsabbrüche bleiben in Deutschland verboten, die Hoffnung auf eine Abschaffung des Paragrafen 218 ist diese Woche vorerst begraben worden. Es bestand die historische Chance, Abtreibungen zu legalisieren und außerhalb des Strafgesetzbuchs zu regeln, doch CDU und FDP haben andere Pläne. Auch wenn eine überwältigende Mehrheit der Deutschen (80 Prozent) der Meinung ist, dass Schwangere Personen selbst über ihren Körper bestimmen sollen, wurde am letzten Sitzungstag des Parlaments am Mittwoch, 12. Februar, nicht über den Gesetzesentwurf zur Streichung von §218 abgestimmt. Im Hinblick auf die künftige Bundesregierung besteht nun die berechtigte Sorge, dass wir selbst das derzeit geltende Recht (Straffreiheit von Abtreibungen in den ersten 12 Wochen) gegen antifeministische Pläne verteidigen müssen, bevor wir überhaupt wieder für das Recht auf legale, sichere und kostenfreie Abtreibungen kämpfen können.
In Libyen wurden in zwei Massengräbern die Leichen von rund 50 Menschen entdeckt. Das berichtete die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Montag, 10. Februar. Es soll sich dabei um Geflüchtete handeln, die möglicherweise zuvor in „irregulären“ Gefängnissen interniert waren. Menschen, überwiegend aus Ländern südlich der Sahara, werden auf der Flucht gekidnappt und ihre Familien erpresst. Nur wer Lösegeld zahlen kann, wird freigelassen. Diese Praxis und die Existenz der Folterlager sind den Behörden bekannt, auch in der EU. Dennoch zahlt die Europäische Union dem libyschen Regime Geld und liefert Waffen, damit dieses wiederum die Menschen an der Weiterflucht nach Europa hindert. Die EU nennt das „Migrationspakt“.
Und wenn wir schon bei menschenverachtenden Praxen sind: Das Justizministerium in Baden-Württemberg will Asylbewerber*innen ihre „Wertgegenstände“ wegnehmen. Künftig sollen Menschen in Aufnahmeeinrichtungen durchsucht werden und wer mehr als 200 Euro besitzt, muss das Geld abgeben. Auf diesem Weg soll dann beispielsweise auch Schmuck beschlagnahmt werden.
Weitere Meldungen diese Woche:
- Auf Druck des Regierenden Bürgermeisters hat die FU Berlin einen Vortrag der UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten Gebiete Palästinas, Francesca Albanese, abgesagt. (junge Welt)
- In Offenburg ist am Dienstag eine 37-jährige Frau mutmaßlich von einem 42 Jahre alten Mann getötet worden. Ersten Ermittlungen zufolge kannten sich Täter und Opfer, die Getötete soll Psychotherapeutin gewesen sein, der Täter ihr ehemaliger Patient. (SWR)
- In Hamburg kündigten Bewohner*innen einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete einen Hungerstreik an, sollten sich die unaushaltbaren Zustände nicht ändern. In dem Lager leben rund 1.200 Menschen in einer ehemaligen Markthalle bzw. in Zelten auf dem Parkplatz davor. Zwischen vier und zwölf Menschen leben in den einzelnen Räumen, die nur durch Pappstellwänden voneinander getrennt sind. (taz)
- Das ZDF hat Max Uthoff, Gesicht der politischen Satire-Sendung „Die Anstalt“, vorübergehend suspendiert, weil dieser zuvor in den Sozialen Medien mitgeteilt hatte, bei den Bundestagswahlen sein Kreuz bei „Die Linke“ zu machen. Die letzte Sendung vor der Wahl musste Uthoff deshalb aussetzen; zu politisch. Dieter „Das Problem ist, dass man Linke und Nazis kaum noch unterscheiden kann“ Nuhr macht währenddessen weiter Propaganda in seiner eigenen ARD-Sendung. (junge Welt, Berliner Zeitung)
Das wars für heute, ich danke euch wie immer fürs Lesen. Wer kann und will: via PayPal gibt es die Möglichkeit, ein Trinkgeld dazulassen. Oder du wirst heute Fördermitglied auf Steady und hilfst mir dabei, die Arbeit am Wochenrückblick dauerhaft zu finanzieren.
Hier den (kostenlosen!) Newsletter abonnieren