Ein 21-Jähriger wurde an Ostern von der Polizei erschossen, der tote Papst wird verherrlicht, die Baseballschlägerjahre sind wieder da und ein Gynäkologe klagt gegen ein christliches Krankenhaus. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW17
Wieder wurde ein Mensch von der Polizei erschossen. Wieder war es ein Schwarzer Mensch. Wieder versucht die Polizei, die Tat zur rechtfertigen. Wieder verbreiten die Medien die Polizeimeldung ungeprüft weiter. Dass die Polizei einen Menschen tötet, ist kein Einzelfall. 11 Menschen wurden dieses Jahr schon von den Cops erschossen. Im gesamten letzten Jahr waren es 22, so viele wie zuletzt vor 25 Jahren. Keine Einzelfälle – und doch – jedes Mal ein Individuum. Der am frühen Morgen am Ostersonntag in Oldenburg Getötete hieß Lorenz. Er war 21 Jahre alt, in Deutschland geboren und aufgewachsen, das einzige Kind seiner Eltern. In Oldenburg spielte er Basketball, hatte einen großen Freundeskreis. „Jeder kannte ihn“, sagen Menschen aus Oldenburg in einem Tagesschaubeitrag, er sei „hilfsbereit“ gewesen, „jeder mochte ihn“. Sein Onkel sagte zur Bildzeitung, Lorenz habe Tischler werden wollen. Jetzt ist Lorenz tot, erschossen von einem 27-jährigen Polizisten gegen 2.40 Uhr am Ostersonntag (20. April). Der Täter war auf Streife mit einem Kollegen. Die Obduktion ergab, dass er fünfmal auf Lorenz geschossen hat, eine Kugel streifte seinen Oberschenkel, drei trafen ihn von hinten: in Hüfte, Oberkörper und Kopf. Zuvor soll Lorenz am Einlass einer Diskothek mit den Türstehern sowie einer Gruppe in Streit geraten sein. Angeblich habe Lorenz Pfefferspray versprüht und sei daraufhin von der Gruppe verfolgt worden. Laut Polizeibericht habe Lorenz die Verfolger mit einem Messer bedroht. Als Lorenz zum ersten Mal auf eine Polizeistreife traf, sei er „davongerannt“, als er kurz darauf wieder der Polizei begegnete, soll er angeblich „Reizgas“ versprüht haben, er sei aggressiv gewesen. Die Bildzeitung übernahm direkt die Polizeiversion, titelte „Polizist erschießt Messer-Angreifer“ und behauptete „Er ging bedrohlich auf die Polizisten zu und sprühte erneut Reizstoff.“ Der NDR verbreitete die Falschmeldung, Lorenz habe die Beamten mit einem Messer angegriffen. Die Bodycam der Polizisten war natürlich ausgeschaltet, wie immer. Die Videoaufzeichnung einer Überwachungskamera werde derzeit ausgewertet. Gegen den Todesschützen wurde standardmäßig ein Verfahren eingeleitet. Die Ermittlungen übernimmt „aus Neutralitätsgründen“ die Polizeidienststelle in Delmenhorst. Also die Dienststelle, in der vor vier Jahren der 19-jährige Qosay K. nach Polizeigewalt verstorben ist. Damals hatten die Kolleg*innen aus Oldenburg die Ermittlungen übernommen und schnell eingestellt. Zeit für die Delmenhorster, sich zu revanchieren: Es wäscht wieder mal die eine Hand die andere.
Die Initiative Gerechtigkeit für Lorenz fordert umfassende Aufklärung und sammelt Geld für die Beisetzung und „alles, was jetzt auf uns zukommt“.
Apropos rassistische Cops. In Hamburg ist eine rechtsextreme Chatgruppe von Beamt*innen aufgeflogen. Deren Inhalt sei „derart menschenverachtend, sie sollen hier nicht im Detail zitiert werden“, schreibt die Zeit in einem Artikel von Mittwoch (23. März). Ein Meme soll Wehrmachtssoldaten an einem Maschinengewehr zeigen, dazu die Worte: „Wir entstauben unsere Waffen und stellen die Ordnung wieder her.“
Der Papst ist tot, es lebe die Verklärung! Am Montag (21. April) starb Jorge Mario Bergoglio, besser bekannt als Papst Franziskus, im Vatikan. Und wie nicht anders zu erwarten überschlugen sich die Huldigungen und Lobgesänge auf einen Mann, der Menschen, die Abtreibungen durchführen als „Auftragsmörder“ bezeichnete, sich über „Schwuchteln“ im Priesterseminar beschwerte und die „Gender-Ideologie“ die schlimmste Gefahr für die Menschheit nannte. Seiner Meinung nach seien Männer und Frauen grundsätzlich wesensverschieden, die „Frau ist fruchtbares Empfangen, Sorge, lebendige Hingabe“ und entsprechend dazu bestimmt, zu gebären und zu versorgen. Es sei „hässlich, wenn die Frau sich zum Mann machen will“, geschlechtsangleichende Operationen seien „schwere Verstöße gegen die Menschenwürde“. Für den taz-Autor Philipp Gessler offenbar alles nicht so wichtig, er nennt den Papst in seinem Nachruf einen „der wichtigsten Verfechter der freien und gerechten Welt“. Frei und gerecht für hetero-cis Männer, das reicht Gessler, der mit seinem taz-Kumpel Jan Feddersen ein alte-weiße-männer Sachbuch über angebliche Cancel Culture und „Wokeness“ veröffentlicht hat. Aber die Verherrlichung des Oberhaupts der katholischen Kirche, der den systematischen sexuellen Missbrauch innerhalb seiner Institution lediglich hin und wieder mal verbal adressierte, machte sich auch links der Mitte breit. Gilda Sahebi trauerte auf Social Media um „eine der wenigen global gehörten Stimmen, die noch an Demut und Mitgefühl erinnert hat, die noch gemahnt hat“ und erklärte „Solche Stimmen braucht es mehr denn je“. Die Linke postete ein schwarz-weiß Foto des Verstorbenen und schrieb: „Mit Papst Franziskus verliert die Welt einen Anwalt der Armen und Ausgegrenzten.“ Franziskus sei einer gewesen, der „seinen Einfluss stets auch dafür“ genutzt habe, „Dinge zu sagen, die viele nicht hören wollten“. Was der Papst konkret, über warme Worte hinaus, für die „Armen und Ausgegrenzten“ getan hat, für die er angeblich ein „Anwalt“ war, kann keiner sagen. Fest steht: Der Papst war ein überzeugter Antifeminist. Und sein Nachfolger wird auch einer sein. Das ist so sicher wie das sprichwörtliche Amen in der Kirche.

Im Landkreis Limburg-Weilburg wurden ein 59 Jahre alter Mann und sein 17-jähriger Sohn festgenommen. Gegen sie wird unter anderem wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz, das Sprengstoffgesetz sowie wegen Volksverhetzung, Bedrohung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt, erklärte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag (24. April). Es sei ein „umfangreiches Waffenarsenal ohne die erforderlichen Genehmigungen“ gefunden worden, „darunter einsatzfähige Kriegswaffen, sonstige Waffen sowie mindestens 250 Kilogramm Munition“, heißt es in der taz. Der Jugendliche soll im Wald Sprengungen durchgeführt haben und sei durch rechtsextreme Äußerungen aufgefallen. Erst kürzlich wurde ein inzwischen 20-Jähriger aus dem Landkreis wegen rechtsextremer Anschlagspläne zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. „Er habe den Umsturz der demokratischen Grundordnung in Deutschland geplant, auch unter Einsatz tödlicher Gewalt“, schreibt der Spiegel. „Sein Ziel sei die Errichtung einer Gesellschaft auf nationalsozialistischem Fundament gewesen“. Rechter Terror ist Trend, auch bei Kindern. Die Zeit veröffentlichte diese Woche eine Recherche zu rechtsextremen Jugendgruppen, die sich bundesweit über Whatsapp-Gruppen vernetzen. Seit ca. drei Jahren entstünden überall Neonazikameradschaften, bei denen schon 12-Jährige aktiv seien: „Es scheint, als seien die Baseballschlägerjahre zurück“.
Weitere Meldungen diese Woche
In der französischen Stadt Nantes hat gestern ein 16-jähriger Schüler eines katholischen Gymnasiums eine 15-jährige Mitschülerin, Lorène, mit einem Jagdmesser getötet und drei weitere Schüler*innen verletzt. Wie die Nachrichtenagentur AFP am heutigen Freitag (25. April) berichtet, habe der Täter „eine Bewunderung für Adolf Hitler“ gehegt und sei „kürzlich wegen Kritzeleien zu Ehren des Dritten Reiches von der Schulleitung vorgeladen worden“. Vor der Tat habe er ein 13-seitiges Manifest an alle Mitschüler*innen versandt. Das Motiv des Jugendlichen ist noch unklar. Le Monde berichtet, der Täter habe sich mit Lorène gut verstanden, doch diese habe aufgehört, „Interesse“ an ihm zu zeigen. Vieles deutet hier also auf einen Feminizid hin.
In Deutschland ereigneten sich innerhalb weniger Tage wieder zwei mutmaßliche Feminizide. Am Dienstag (22. April) wurde die Leiche einer 58-jährigen Frau auf einem Hausboot in Hamburg entdeckt. Es handelt sich um die Bestseller Autorin Alexandra Fröhlich. Sie wurde erschossen. Über die Hintergründe ist noch nichts bekannt und auch einen Tatverdächtigen gibt es bislang nicht. Bereits am Samstag tötete in Espelkamp (NRW) mutmaßlich ein 44 Jahre alter Mann seine 43-jährige Ehefrau mit einem Messer. Er rief selbst die Polizei. Die Getötete hinterlässt drei Kinder, sie werden jetzt vom Jugendamt betreut.
Kevin Kühnert, ehemaliger SPD-Generalsekretär hat der ZEIT ein Interview gegeben, in dem er über seinen Rückzug aus der Politik spricht. Einer der Gründe: Er habe sich nicht mehr sicher gefühlt, sei immer wieder angegriffen worden, meist verbal, einmal auch körperlich. Kühnerts Erfahrungen passen in eine Zeit, in der Gewalt gegen Politiker*innen zunimmt. Doch Kühnert wäre kein SPD’ler wenn er nicht auch ein fettes Hufeisen im Interview unterbringen würde. „Kühnert sagt, er nehme links der Mitte eine Unerbittlichkeit wahr, die er für ähnlich gefährlich halte wie die Verhärtungen auf der rechten Seite“, heißt es im Text. Falls das Interview bis dahin eine Art Nostalgie weckte an die Zeit, in der Kühni noch der „Juso-Rebell“ war, ist man spätestens jetzt froh, dass er abgetreten ist.
In Milwaukee, im US-Bundesstaat Wisconsin, wurde am heutigen Freitag (25. April) eine Richterin festgenommen, weil sie angeblich die Deportation von Migrant*innen behindert haben soll. Die Richterin soll in der letzten Woche „absichtlich Bundesbeamte davon abgelenkt“ haben, einen von Abschiebung bedrohten Menschen Gerichtsgebäude zu verfolgen. Der ehemalige Bundesstaatsanwalt Franklyn Gimbel aus Milwaukee nannte die Verhaftung der Richterin „sehr, sehr unverschämt und unprofessionell“. Wenn gegen eine Richterin, mit festem Wohnsitz, ermittelt würde, sollte diese zunächst vorgeladen werden und nicht vom Fleck weg verhaftet werden, erklärte er. Jemand, der „nicht auf der Flucht“ sei, könne einfach angerufen und eingeladen werden. Die Verhaftung sei „empörend“.
Der Chefarzt der Gynäkologie des christlichen Klinikums Lippstadt klagt gegen seinen Arbeitgeber, weil der ihm verbietet, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Das Arbeitsgericht in Hamm hält das Abtreibungsverbot für zulässig. Dem zuständigen Richter zufolge stehe es dem Klinikum sogar zu, dem Chefarzt zu untersagen, in seiner Nebentätigkeit in einer niedergelassenen Praxis in Bielefeld Schwangerschaftsabbrüche anzubieten, da „der Mann als Chefarzt in besonderer Weise die Klinik repräsentiere“.
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