Der Koalitionsvertrag ist da und noch fieser als befürchtet, in Duisburg blieben Schulen nach rechtsextremen Drohungen geschlossen und in Thüringen hat ein Polizist seine Familie erschossen. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW15
Mehrere Schulen in Duisburg bleiben am Montag (7. April) geschlossen, nachdem sie rechtsextreme Drohungen erhielten. Insgesamt waren knapp 18.000 Schüler*innen betroffen. Bereits am vorangegangenen Freitag erhielt eine Gesamtschule in Duisburg-Mitte eine anonyme Mail mit rassistischen Äußerungen und Drohungen gegen die Kinder und Jugendlichen. Eine zweite Mail am Tag darauf weitete die Drohungen auf 13 weitere Schulen aus. Die Polizei hielt eine realistische Drohung für eher unwahrscheinlich. „Vermutlich passiert nichts“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Man stelle sich vor, was los wäre, wenn die Mail keine rassistischen, sondern islamistische Drohungen enthielte. Aber – Entwarnung – nur der übliche rechtsextreme Terror. Eine weitere Drohung erhielt das Am Max-Planck-Gymnasium am Donnerstag ebenfalls mit „rechtsradikalen und bedrohlichen Inhalten“, wie Radio Duisburg berichtet. Alles „nur heiße Luft“, so der Innenminister. Na dann ist ja gut.
Am Dienstag (9. April) tötete mutmaßlich ein 45-Jähriger seine gleichaltrige Lebenspartnerin in Würzburg. Er rief selbst die Polizei und ließ sich widerstandslos festnehmen. Die Frau erlag im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen. In Berlin-Moabit wurde in der Nacht zu Freitag (11. April) eine 57 Jahre alte Frau getötet. Die Polizei hatte einen Autofahrer angehalten, weil er sehr langsam fuhr und entdeckten dabei eine leblose Frau auf dem Beifahrersitz. Sie verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus. Der 49-jährige Fahrer des Autos wurde festgenommen und wird verdächtigt, die Frau gewaltsam getötet zu haben. Ein weiterer mutmaßlicher Feminizid ereignete sich bereits Ende letzter Woche in Berlin-Spandau, wo die Leiche einer 56 Jahre alten Frau in ihrer Wohnung im 6. Stock eines Hochhauses gefunden wurde. Ihr 60-jähriger Lebenspartner, der sich ebenfalls in der Wohnung aufhielt, wurde festgenommen. Nach dem Feminizid an einer 17-Jährigen in Wetzlar (Hessen) vergangene Woche, kamen am Montag (7. April) neue Details ans Licht. Der 32 Jahre alte Täter soll der militanten Neonazi-Szene angehört und 2010 einen rechtsextrem motivierten Brandanschlag gegen das Haus eines Antifaschisten in Wetzlar verübt haben. Mit der 17-Jährigen soll er eine kurze Beziehung gehabt haben, sie trennte sich jedoch von ihm, was er nicht akzeptierte. Wie die Bildzeitung schreibt, soll der Nazi die Jugendliche daraufhin monatelang belästigt und haben. Am 17. März habe sie Anzeige wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung erstattet. Der 32-Jährige besaß die Waffe, mit der er der 17-Jährigen ins Gesicht schoss, illegal. Nach der Tat erschoss er sich selbst. Am Freitag (11. April) tötete in Klettbach im Weimarer Land (Thüringen) mutmaßlich ein Polizist seine gesamte Familie. Der 49-Jährige soll seine Frau und die zwei gemeinsamen Kinder und anschließend sich selbst erschossen haben. Weitere Details sind noch nicht bekannt. Es gibt keine Zahlen dazu, wie hoch die Quote von Polizisten bei häuslicher Gewalt ist, aber es gibt unterschiedliche Hinweise darauf, dass innerfamiliäre und Partnerschaftsgewalt bei dieser Berufsgruppe gehäufter auftreten als bei anderen Berufsgruppen. In einer Untersuchung der Arizona State University von 1991 gaben 40 Prozent der Polizisten an, in den vergangenen sechs Monaten häusliche Gewalttaten verübt zu haben. In Großbritannien erklärten 2021 mehr als 125 Frauen von Polizisten, in den vergangenen zwei Jahren von ihrem Partner angegriffen worden zu sein. Zwischen 2015 und 2018 soll es landesweit knapp 700 Fälle gegeben haben. In Frankreich fordern feministische Organisationen das Thema in Studien untersuchen zu lassen. Eine Häufung von häuslicher Gewalt durch Polizist*innen könnte u.a. darin begründet liegen, dass Gewalt untrennbar mit der Rolle der Polizeikräfte verbunden ist. Der Polizeiberuf bringt strukturelle Gewalt und Machthierarchien mit sich und die Kontrolle, Machtausübung und Dominanz werden teils in der Partnerschaft fortgesetzt. Dazu kommt, dass Polizist*innen häufig Waffen besitzen und im Umgang damit geschult sind. Polizist*innen genießen zudem gesamtgesellschaftlich, vor allem aber auch innerhalb von Justiz und Behörden einen Vertrauensvorschuss. Betroffene von häuslicher und Partnerschaftsgewalt können sich gegen einen Täter, der Polizist ist, möglicherweise noch schlechter wehren, da sie gar nicht wissen sollen, an wen sie sich wenden können – die Kolleg*innen des Täters sind keine sichere Anlaufstelle.
Der Koalitionsvertrag ist da und es ist noch schlimmer, als befürchtet. Am Mittwoch (9. April) stellten CDU/CSU und SPD ihren Plan für die laufende Legislatur vor. Am gleichen Tag, an dem die AfD erstmals stärkste Kraft in Umfragen auf Bundesebene wurde, verkündete die neue Regierung, „irreguläre Migration“ durch Zurückweisungen an der Grenze zu bekämpfen und „Frontex bei Grenzschutz und bei Rückführungen“ zu fördern. Pro Asyl sieht „dramatische Verschärfungen“ im Umgang mit Schutzsuchenden und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) sieht „Chaos und Unrecht“ vorprogrammiert, erwartet eine „massenhafte Verletzung des Sozialstaatsgebots und der Menschenwürde“ und erkennt im Koalitionsvertrag „AfD-Rhetorik im Wortlaut“. „In harten Zeiten auf Populismus, Hass und Hetze zu setzen, den Sozialstaat anzugreifen und illegale Gesetze gegen Minderheiten zu beschließen- diese neue Koalition tut wirklich alles was man gerade absolut nicht tun sollte“, fasst es die Kampagne #LeaveNoOneBehind zusammen.
Sowohl Pro Asyl als auch RAV haben ausführliche Stellungnahmen zu den Vorhaben der Bundesregierung veröffentlicht. Beide sind sehr übersichtlich und aufschlussreich.
- Koalitionsvertrag gefährdet Rechtsstaat (Pressemitteilung vom RAV)
- Rückschrittskoalition zulasten von Menschenrechten und Humanität (Analyse von Pro Asyl)
Doch die Politik der kommenden Jahre richtet sich nicht nur gegen Geflüchtete und Schutzsuchende. Über die Angriffe auf Bürgergeldempfänger*innen habe ich hier letzte Woche bereits ausführlicher geschrieben. Statt wirksame Armutsbekämpfung sind Steuergeschenke für Superreiche in Höhe von 25.000 Euro pro Kopf geplant. „Schwarz-Rot beschließt die größten Steuersenkungen für die Reichsten seit fast zwei Jahrzehnten“, schreibt Lukas Scholle im Surplus Magazin. Durch die geplante Senkung der Körperschaftsteuer auf die Gewinne von Aktiengesellschaften und GmbHs wird der Staat jährlich 21 Milliarden Euro weniger einnehmen. Geld, dass durch Kürzungen im sozialen und kulturellen Bereich wieder reingeholt werden soll. Klassische Umverteilung von unten nach oben also. Und die SPD macht mit. Zwar hat sich die Merz-Regierung letztlich doch dagegen entschieden, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung abzuschaffen, aber die geplanten Kürzungen bei den internationalen Hilfen sind massiv. Statt dem BMZ geht es jetzt dem Bundesbildungsministerium an den Kragen – es wird mehr oder weniger abgeschafft, das Thema Bildung wird ins Familienministerium integriert, dafür bekommt Deutschland jetzt ein „Ministerium für Raumfahrt, Forschung und Technologie“. Ein klares Zeichen für den antifeministischen Kurs der Koalition. Bildung wird als „weiches“ Thema ins „Bundeministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ verschoben und damit der Betreuungs- oder Erziehungsaspekt von Bildung fokussiert, anstatt sie als gesamtgesellschaftspolitische Aufgabe zu begreifen. Die Marginalisierung der Bildung auf Bundesebene ist kein Zufall, sondern Ausdruck des autoritären Backlashs, dem sich die Regierung verschrieben hat und der sich auch in der Schaffung des Raumfahrtministeriums zeigt. Denn hier geht es nicht um die Erforschung fremder Galaxien, sondern primär um militärische Nutzungsmöglichkeiten: „Raumfahrt ist eine Zukunfts- und Schlüsseltechnologie und auch für unsere Sicherheit und unsere militärischen Fähigkeiten zentral“, heißt es auf Seite 8 des Koalitionsvertrags. „Dieser Staat befindet sich nicht nur nach außen im Kriegsmodus, auch nach innen greift der Staat an“, kommentierte der Autor Olivier David auf Instagram.
Weitere Meldungen diese Woche
Schüler*innen eines Bielefelder Gymnasiums grölten im vergangenen Sommer rassistische Parolen bei einem Besuch in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Bergen Belsen. Die Jugendlichen sollen „Ausländer raus“ gesungen haben, bestätigt eine Sprecherin der Gedenkstätte. „So etwas kommt hier immer wieder vor, gerade bei Schulklassen kommt es häufiger zu Reaktionen, die die Guides sehr herausfordern“, sagte sie: „Das war vor ein paar Jahren noch anders“. (Berliner Morgenpost)
Der jüdische Philosoph und Autor Omri Boehm durfte wegen seiner Kritik der israelischen Regierung nicht bei der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora auftreten. Seine Rede ist jetzt bei der Süddeutschen Zeitung erschienen.
Kasia Wlaszczyk, eine der vier Personen, die wegen ihrer Beteiligung an pro-palästinensischen Protesten abgeschoben werden sollen („Berlin Four“), hat im Guardian über die Erfahrungen mit der Repression geschrieben. Gegen die Abschiebung der „Berlin Four“ wurde eine Petition gestartet, die ihr hier unterschreiben könnt.
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